Wo Energie-Fachleute zu Statisten wurden

Ulrich Waas schildert in der Berliner Zeitung seine Eindrücke von einer Anhörung in Sachen Kernenergie im Deutschen Bundestag am 11.11.2022. Die Vita von Waas laut Berliner Zeitung:

“Nach dem Physik-Diplom 1975 ging Ulrich Waas zur KKW-Sparte der Kraftwerk Union AG (KWU), damals gemeinsames Tochterunternehmen von Siemens und AEG. Nach Tätigkeiten in verschiedenen Fachabteilungen war er von 1992 bis zur Pensionierung 2012 Leiter der Abteilung, die beim KKW-Erbauer unter anderem für einen wesentlichen Teil der gegenwärtig diskutierten Periodischen Sicherheitsüberprüfung zuständig war. Anfang 2005 wurde Waas zum Einbringen seiner Fachkenntnisse in Sicherheitsfragen bei KKW vom Bundesumweltministerium in einen Ausschuss der Reaktor-Sicherheitskommission berufen, von Anfang 2010 bis Ende 2021 in die RSK selbst. Ulrich Waas nahm auf Einladung der CDU/CSU an der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz teil.”

Im Grunde war diese Veranstaltung nur eine Fortsetzung der Anhörung im Petitionsausschuss, in der kurz zuvor die Stuttgarter Erklärung behandelt wurde, über die wir berichteten. Dort nahmen die Abgeordneten Zeit von der Uhr, in dem sie nicht die Petenten fragten, sondern die eingeladenen Staatssekretäre, die zudem noch länger sprechen durften als die Petenten. Waas übt heftige Kritik und bemängelt, dass ganz offensichtliche Widersprüche in den Aussagen von Experten nicht aufgeklärt wurden in der Anhörung. Drei Beispiele dazu:

“Wie kann etwa ein Beitrag von mehr als 50 Prozent zur Stromversorgung mit Wind und Sonne praktisch realisiert werden, wenn weit bis ins nächste Jahrzehnt keine ausreichende großtechnische Energiespeicherung abzusehen ist? – Dazu keine Antwort, kein Interesse an einer Diskussion seitens der Ampel.

Bisher war als Ersatz für die fehlende Speichermöglichkeit ein massiver Zubau von Gaskraftwerken vorgesehen. Wenn es dafür jetzt kein Gas mehr gibt, soll man dann zum Schließen der Lücke hauptsächlich auf die Wiederinbetriebnahme alter Kohlekraftwerke setzen, aber alle noch nutzbaren KKW abschalten? – Keine Diskussion, was das Setzen auf Kohle bedeutet, in den Abwägungen des Gesetzentwurfs der Ampel kommt das Thema Klima gar nicht vor.

Will die Ampel wirklich in Kauf nehmen, dass die CO2-Emissionen mit dem von Habeck eingeschlagenen Kurs wieder deutlich zunehmen, obwohl mit jedem weiterbetriebenen KKW jährlich bis zu 11 Millionen t CO2 eingespart werden könnten? – Es gibt zwar ausweichende Blicke, aber keine Antwort, keine Diskussion.”

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ZDF-Frontal hatte eine Sondersendung zum Thema Energiekrise. Die Sendung hinterlässt gemischte Eindrücke. Sie greift einerseits bekannte Erzählungen auf: Mächtige Lobbygruppen verhindern den Ausbau der Windkraft und der Stromnetze, sie bringt aber auch interessante Beispiele wie ein Dorf in Brandenburg, das mit Überschuss-Strom ein Fernwärmenetz betreibt. Die Betonung liegt allerdings auf Dorf. Auch das Beispiel Lemgo ist eindrücklich, dort geht man nicht den Weg zum Wasserstoff, weil der laut den Aussagen der Beteiligten zu teuer ist. Eine riesige Wärmepumpe kommt zum Einsatz, Wärme wird u. a. aus Abwasser gewonnen. Die Sendung ist noch bis zum 15.11.2024 in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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Der Klimablog der FAZ ist eine Leseempfehlung. Er beschäftigt sich aktuell mit dem Thema Speicher. Anders als „Experten“ es so gern propagieren, haben wir keine Speicher noch und nöcher (© Claudia Kemfert).

“Sämtliche Speicher wären hierzulande in weniger als einer halben Stunde leer, wenn sie allein die Bevölkerung mit Strom versorgen müssten. Die heute installierten Batteriespeicher wären nach weniger als einer Minute leer. Das schreibt die Bundesnetzagentur in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr. Demnach waren 2021 150.000 Speicher in Deutschland installiert. Die meisten von ihnen sind in privaten Haushalten, die damit Strom aus ihrer eigenen Solaranlage speichern, um diesen selbst nutzen zu können, anstatt ihn einzuspeisen, wenn sie den Strom nicht sofort benötigen.”

Der FAZ-Blog geht danach auf verschiedene Speichermöglichkeiten ein, darunter auch neuartige Pumpspeicher.

“Eine weitere Pumpentechnologie entwickelte im vergangenen Jahr das niederländische Start-up Ocean Grazer, einem Spin-off der Universität Groningen. Der neue Pumpenspeicher kann unter Wasser in Off-Shore-Windparks installiert werden. In einer festen Betonröhre wird Wasser gespeichert, das mit überschüssiger Energie in eine Blase gepumpt wird. Wird Strom benötigt, drückt die Blase das Wasser über eine Turbine zurück in das Rohr. So können zehn Megawattstunden Strom gespeichert werden.”

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Die USA nehmen das Thema Lieferketten und Arbeitsbedingungen etwas genauer als andere Länder. Reuters berichtet über blockierte Lieferungen von Solaranlagen aus China.

“More than 1,000 shipments of solar energy components worth hundreds of millions of dollars have piled up at U.S. ports since June under a new law banning imports from China’s Xinjiang region over concerns about slave labor, according to federal customs officials and industry sources.

The level of seizures, which has not previously been reported, reflects how a policy intended to heap pressure on Beijing over its Uyghur detention camps in Xinjiang risks slowing the Biden administration’s efforts to decarbonize the U.S. power sector to fight climate change.

U.S. Customs and Border Protection has seized 1,053 shipments of solar energy equipment between June 21, when the Uyghur Forced Labor Protection Act went into effect, and Oct. 25, it told Reuters in response to a public records request, adding none of the shipments have yet been released.”

Es ist übrigens der Strom aus Solaranlagen, der gern als Freiheitenergie angepriesen wird. Chinesische Arbeiter könnten das anders sehen.

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Klimaneutral unterwegs für die Küstenforschung. Das Alfred-Wegener-Institut setzt auf Forschungsschiffe mit Methanol Antrieb. Aus der Pressemitteilung:

“In der Seeschifffahrt ist Methanol als Kraftstoff ein neues und bislang wenig erprobtes Konzept. Dennoch gibt es erfolgreiche Vorbilder, an denen sich die zwei modifizierten Diesel-Motoren orientieren, die auf der neuen Uthörn zum Einsatz kommen. Zusammen haben sie eine maximale Leistung von 600 kW und liefern den Strom für zwei elektrische Fahrmotoren. Gemeinsam mit Bremerhavener Partnern aus Forschung und Industrie hat das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) einen Projektantrag zur Herstellung synthetischen Methanols in Bremerhaven erarbeitet, der noch in diesem Jahr bewilligt werden könnte.

In einem Modellprojekt soll mit dem regenerativen Strom einer Windenergieanlage Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden. Aus diesem „grünen“ Wasserstoff und dem CO2 aus einer nahen Kläranlage könnte dann im nächsten Schritt „grünes“ Methanol synthetisiert werden, dessen Verbrennung lediglich das CO2 freisetzt, das bei seiner Produktion zuvor gebunden wurde.”

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Aktivisten haben aus dem Vorfall in Berlin mit einer getöteten Radfahrerin, der wegen der verursachten Staus nicht rechtzeitig geholfen werden konnte, offenbar nichts gelernt. Sie lösten nach eigenen Angaben am 16.11.2022 einen Feueralarm in der FDP-Zentrale aus, ein Fehlalarm. Dennoch rücken natürlich Feuerwehrzüge aus, die möglicherweise an anderer Stelle fehlten. Ob sich die Bewegung damit Sympathien für ihre Ziele und Mittel erwirbt? Wie gut, dass man den Auslöser des Alarms auf einem Video gut erkennen kann. Bei Fehlalarm sind bis zu 19.800 Euro in Berlin fällig. Personen und Sachschäden könnten bei einer Überlastung durch solche Fehlalarme noch deutlich teurer werden. Wie einfach es offenbar ist, in eine Partei-Zentrale einzudringen, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Das Ablösen der Aktivisten von der Straße wird übrigens mit Gebühren von 241 Euro pro Fall geahndet. Auf der Spendenplattform Gofundme scheint es genügend Unterstützer zu geben, die dafür Geld geben. 65.000 Euro wurden dort bereits eingesammelt.

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