Windkraft ohne Vogelsterben – Geht das?

Ein erfreulich neutraler Artikel zu diesem Thema gibt es beim SWR. Der Podcast ist etwas umfangreicher als das Manuskript auf der Webseite des Senders. Es lohnt sich daher, diesen anzuhören.

Aber die Fensterscheiben!

Der Nabu Experte Lars Lachmann räumt mit einigen Slogans der Windkraftbefürworter auf. Dazu gehört die Zahl der an Fensterscheiben verendeten Vögel. Dieser Vergleich ist komplett falsch, wie Lachmann ausführt. Kleinere Vögel haben deutlich kürzere Lebenserwartungen und pflanzen sich schon deshalb von Natur aus weit besser fort als größere Vogelarten, die viel länger für die Reproduktion benötigen. Daher wiegt ihr Tod auch anders als der von Gartenvögeln, deren Bestand in der Regel auch nicht gefährdet ist. Bei Fledermäusen scheidet das Argument ohnehin aus.

“Wie viele Tiere und welche Vogelarten genau werden tatsächlich durch Windkraftanlagen beeinträchtigt und getötet? Die Datenlage ist schwierig, da eine systematische Erfassung Tiere fehlt. Bei der staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg führen Naturschützer eine Datenbank, die in ganz Deutschland Zufallsfunde von getöteten Greifvögeln und Fledermäusen an Windrädern festhält. Immerhin: Lars Lachmann, Biologe und Vogelschutzexperte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), in Berlin, sagt, dass „sehr, sehr wenige Vogelarten“ betroffen seien. Vor allem Rotmilan, Mäusebussard und größere Adlerarten. „Kleine Vögel wie Singvögel sind eben nur relativ selten betroffen.“”

Re-Powering, gar nicht so einfach möglich

Der Beitrag offeriert aber noch weitere interessante Einsichten. So scheitert das Re-Powering von Anlagen oft daran, dass die sich geänderte Rechtslage seit der Genehmigung der ursprünglichen Anlage grundlegend geändert hat. Anders gesagt: So würden diese Anlagen heute nicht mehr genehmigt. Ausführlich wird das Programm bzw. System IdentiFlight vorgestellt.

Es wird geschätzt, dass der Ertrag von Anlagen um 4% sinken könnte, sollten sich die Windkraftanlagen beim Anflug von Vögeln abschalten. In dem Beitrag geht man allerdings nicht vom kompletten Abschalten aus sondern vom Trudelbetrieb. Die Windradflügel werden etwas aus dem Wind gedreht, sie dürften aber immer noch eine erhebliche Geschwindigkeit haben, weil ein anfliegender Vogel die 500-1000 Meter bis zur Anlage in relativ kurzer Zeit zurückgelegt haben dürfte. Die Frage wäre eher, mit welcher Geschwindigkeit des Rotors ein Vogel möglicherweise erschlagen wird. Die schiere Masse ist so groß, dass ein abruptes Abbremsen gar nicht möglich ist. Ob IdentiFlight also der Befreiungsschlag wird, ist daher äußert ungewiss.

“Ein Hamburger Projektentwickler will das Kamerasystem IdentiFlight in den deutschen Markt einführen. Die Mitarbeiterin Maria Rohde beschreibt das System, das sich auf einem 10 Meter hohen Turm befindet: „Obendrauf befindet sich das Kamerasystem, das aus den zwei einzelnen Systemen besteht. Man sieht die acht Weitwinkelkameras, die unten kreisförmig angeordnet sind. Die sind dafür da, den Luftraum permanent zu überwachen. 360 Grad. Und obendrauf sitzt eine Stereo-Kamera. Die ist frei beweglich und kann, wenn die acht Weitwinkelkameras einen Vogel entdecken, sich auf diesen ausrichten, an den Vogel heranzoomen. Und die kann dann tatsächlich unterscheiden: Ist das ein Rotmilan, ein Seeadler oder ein anderer Vogel?“”

Der Text des Manuskripts kommt zu einem eher ernüchternden Fazit. Vor allem, was den Ersatz von 8.000 Altanlagen angeht, die bis 2025 außer Betrieb gehen werden.

“Dass der Ausbau der Windenergie in Deutschland seit 2018 eingebrochen ist, rückt das Ziel in weite Ferne. Bis 2025 wird ein rundes Viertel aller bestehenden Windräder in Deutschland – also rund 8.000 Stück – die 20-jährige Betriebslaufzeit erreichen. Viele der alten Anlagen werden dann wohl abgebaut – außer es gelingt, sie durch neue zu ersetzen. Das wird – wie das Auerhuhn-Beispiel zeigt – ziemlich kompliziert.”

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“Eine Einführung in das Energienetz – Wieso uns Wind und Sonne aktuell nicht retten und es auch (noch) keine Speicher gibt”

So lautet die Überschrift eines Artikels bei den Ruhrbaronen. Er stammt vom Ingenieur Daniel Bleich, der bei DB Energie GmbH arbeitet.

Physik kennt kein Parteibuch

“Deutschland steht vor einem schwierigen Herbst, die Strompreise schießen durch die Decke und das Scheitern der deutschen Energiewende ist für jeden greifbar. Zwei Fragen dominieren hierbei den Diskurs, die Frage nach der Schuld und die Frage nach der Lösung. Während die Frage nach der Schuld nicht so einfach zu beantworten ist, lässt sich eines mit Sicherheit sagen: Die Lösung wird vorgegeben von der Physik. Und die Physik hat kein Parteibuch.”

Der Artikel erklärt die verschiedenen Lasten, die in einem Netz herrschen. Er macht aber auch die Größenordnungen klar.

“Ein häufiges Problem in der Debatte ist, dass kaum jemand versteht, über welche Mengen an Energie eigentlich gesprochen wird. Ein deutscher Vierpersonenhaushalt benötigt im Jahr etwa 3.500 kWh an Energie. Nehmen Sie das als Bezugsgröße. Die gleiche Energiemenge verbraucht ein einziger ICE der deutschen Bahn in etwas über 20 Minuten. In Deutschland werden pro Jahr etwa 500.000 Tonnen Aluminium hergestellt. Die Aluminiumindustrie verbraucht hierzu etwa 250 kWh in der Sekunde. Das gesamte Jahr über. Anders ausgedrückt: Alle 14 Sekunden wird in der Aluminiumindustrie in Deutschland die gleiche Menge an Energie verbraucht, die ein deutscher Vierpersonenhaushalt im Jahr benötigt. Das sind die Energiemengen, die zuverlässig jederzeit zur Verfügung gestellt werden müssen. Der verständliche Denkfehler in der Betrachtung ist zu erkennen, um welche Dekaden der industrielle Energiebedarf größer ist.”

Es fehlt die Technologie – weltweit

Auch das Thema Speicher wird behandelt.

“Selbstverständlich folgt hieraus sofort die Überlegung, weshalb nicht beispielsweise tagsüber aus PV-Anlagen erzeugte Energie gespeichert wird, die dann nachts genutzt werden kann. Oder aber eine Speicherung von per Windkraft erzeugter Energie im Herbst und Winter, die dann im Jahresverlauf abgerufen wird. Um die Frage vorab zu beantworten: Ist es möglich, Deutschland vollständig regenerativ zu versorgen?

Ja. In der Theorie. Aber nicht in absehbarer Zeit. Die Antwort klingt für manche vielleicht unrealistisch plump, aber es gibt keine Speicher. Es fehlt wortwörtlich die Technologie – weltweit. Gäbe es diese Wundertechnologie, dann hätte sie jemand gebaut.

Konkret werden zwei Speicherlösungen benötigt, eine, die langfristige Speichervorgänge, beispielsweise über Monate (Erzeugung im Winter, Nutzung im Sommer / vice versa) abbilden kann sowie eine Speicherlösung, die für kurzfristige Speicherbewegungen (Erzeugung am Tag, Nutzung in der gleichen Nacht / vice versa) genutzt wird. Die Lösung wird eine Kombination von Power2Gas sowie weiteren, kurzfristig nutzbaren Speicherlösungen sein.”

Sein Fazit am Ende steht im krassen Widerspruch zu Äußerungen wie der von Claudia Kemfert, wir haben Speicher noch und nöcher. Sie sind auch weit entfernt von der berühmten grünen angebotsorientierten Bereitstellung von Strom auch bekannt als Mangelwirtschaft.

“Die Speicherfrage ist aktuell und kurzfristig, das ist anhand der Relationen zu den weltweit verfügbaren Kapazitäten hoffentlich ersichtlich, nicht im Ansatz lösbar. Auf absehbare Zeit benötigen sämtliche Industriestaaten der Welt verlässliche Grundlast- und Regellastkraftwerke, stand heute sind das Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke. Power2Gas kann und wird bei der Speicherfrage einen erheblichen Beitrag leisten, aber die Reihenfolge muss gewahrt bleiben: Erst die neue Technologie, dann die Alte abschalten. Andernfalls ist ein zuverlässiger Netzbetrieb, eine Versorgung der Industrie und somit der Erhalt des gesamten Systems nicht möglich.”

Politiker sollten solche Artikel sehr aufmerksam lesen. Einige telegene Experten allerdings auch.

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Dr. Kai Kosowski und Frank Dierks von PreussenElektra fragen in einem Artikel:

Quo Vadis, Netzstabilität?

Das Fazit der beiden fällt sehr bedenklich aus. Auch hier kein Wort über “Speicher noch und nöcher”. Hier prallt die Wirklichkeit auf das Wunschdenken von einigen Protagonisten, die meinen, es gäbe genügend Speicher und dass man nur das “Mindset” ändern müsste, wie Patrick Graichen es sagte.

“Der weitere Ausbau hochvolatiler erneuerbarer Energiequellen sowie die weitere Verdrängung konventionellerer Erzeugungseinheiten aus dem Markt machen das Stromnetz zunehmend empfindlicher gegenüber wetterbedingten Schwankungen. Ungewöhnliche Wetterphänomene wie die Dunkelflaute stellen die Versorgungssicherheit und -stabilität des Stromnetzes vor große Herausforderungen. Die weitgehend intermittierende Leistung von Solar- und Windparks korreliert nicht mit Schwankungen des Strombedarfs.

Das Überangebot an erneuerbaren Energien soll in Zeiten mit niedrigem Strombedarf gepuffert werden, und die gespeicherte Kapazität soll in Zeiten mit hohem Strombedarf, in denen weniger erneuerbare Quellen verfügbar sind, wieder ins Netz eingespeist werden. Allerdings sind große Batterie-Energiespeichersysteme, die bereits vielversprechend angekündigt wurden, auf- grund ihrer geringen Kapazität und Reife sowie wegen ihrer exorbitant hohen Kosten für den Einsatz immer noch nicht in Sicht.”

Spätestens hier müssten einigen Leuten die Ohren klingeln:

“Solange wirtschaftliche Energiespeicher nicht etabliert sind, müssen selbst Befürworter der aktuellen Ausrichtung der deutschen Energiewende zugeben, dass noch lange zuverlässige konventionelle Kraftwerke benötigt werden.”

Auch dieser Artikel ist eine dringende Leseempfehlung für Politiker und gern interviewte Experten.

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