Stefan Aust: Grüne dürfen träumen. Doch wenn der Rest der politischen Klasse mit träumt wird es ernst

In der Welt am Sonntag erschien am 21. April 2019 ein Meinungsbeitrag von Stefan Aust, dem Herausgeber von WeltN24, in dem er den grassierenden Klimakatastrophismus kritisiert und eine realistischere Behandlung des Themas fordert. Welt-Abonnenten können den ausgezeichneten Beitrag hier lesen. Es lohnt sich. Im Folgenden bringen wir einige Auszüge aus dem Artikel, mit freundlicher Genehmigung des Autors:

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Klimawandel und Illusionen:
Grüne dürfen träumen

Von Stefan Aust

Sie sind die Vertreter des Guten auf dieser Welt und die Vertretung der Guten. Ihre Hymne, die bei allen Auftritten mitschwingt ist von John Lennon und heißt „Imagine“: Stell dir vor, er gibt eine Welt, die allen gehört… keine Gier, keinen Hunger, … du kannst mich einen Träumer nennen, aber ich bin nicht der einzige und ich hoffe, dass du eines Tages auch dazu gehörten wirst…

Nun gehören sie fast alle dazu, auch wenn Lennon damals noch nicht erträumen konnte, welche Hoffnungen und Ängste in den nächsten Jahrzehnten die Regie auf der apokalyptischen Horrorbühne übernehmen würden. Vom drohenden Weltuntergang durch den von Menschen gemachten Klimawandel hatte der gute John noch keine Ahnung, sonst hätte er die Abschaffung des CO2 vermutlich in seinen Song mit aufgenommen.

Alles eben zu seiner Zeit; vom „Töpfern für den Frieden“ über das „Lesen ohne Atomstrom“ bis zum „Stricken ohne Angst“ haben wir ja schon so einiges miterlebt. Aber ohne das große „End is at Hand“ – der Untergang naht, wir werden alle sterben – ist noch keine religiöse und politische Erweckungsbewegung ausgekommen. Jetzt haben die Schreckensträumer auch noch eine Ikone, die sechzehnjährige Greta, die gegen den Weltuntergang im menschengemachten Treibhaus konsequent freitags die Schule schwänzt und den guten Teil Europas in ihren Sitzblockadebann zieht.

[…]

Grün ist die Hoffnung, die Hoffnung auf eine bessere Welt. 

Niemand, der heute nicht Grün sein will. Auch die sogenannten etablierten Parteien stimmen ein in den Chor der Weltenretter. Weil aber Rettung nur angesichts des Unterganges ihre sinnstiftende Wirkung entfalten kann, muss zunächst die globale Katastrophe ausgerufen werden. Klimaforscher, die das Wetter nicht über mehr als fünf Tage einigermaßen sicher voraussagen können, sind sich bei größeren Zeitabständen von 20 bis 150 Jahren bombensicher. Langfristige Prognosen sind ja auch kurzfristig kaum zu widerlegen.

Ihre Klimamodelle funktionieren rückwärtsgewandt weniger genau, was kein Wunder ist. Hauptgrund für den weltmörderischen CO2–Anstieg ist ja auch die Industrialisierung – da müssen frühere Klimawandlungen logischerweise andere Gründe gehabt haben. Dass die Wikinger bei der Besiedelung von Grönland im 12. Jahrhundert weder mit klimaschädlichen Flugzeugen, Kreuzfahrtschiffen und Diesel-SUVs anreisten, ist ja historisch erwiesen. Insofern muss die Wärmeperiode (ca. um 1000  n.Chr.), die sie dazu veranlasste, ausgerechnet nach Grönland auszuwandern durch andere Faktoren hervorgerufen worden sein. Klimaforscher in Potsdam und anderswo sind heute todsicher, dass es sich dabei lediglich um eine regionale Besonderheit handelte. Weltweit sei es nicht wärmer gewesen als heute – was in gewissen Sinne sogar stimmt: die damalige Wärmeperiode war ähnlich wie die heutige, wenn auch ohne CO2.

Nun mag es unerfreulicherweise so sein, dass CO2, in Massen erzeugt durch das Verbrennen fossiler Energien seit der Industrialisierung, den Anteil von CO2 in der Atmosphäre von 0,03 auf 0,04 % gesteigert hat. Ob das einen globalen Temperaturanstieg von  ein, zwei, drei oder auch 10 Grad verursachen wird, hängt vom jeweiligen Klimamodell und den Zutaten ab, die Experten in ihre Computer einfüttern. Ob die Ergebnisse dann den drohenden Weltuntergang ankündigen oder nicht ist vor allem eine Frage des Glaubens an die eigenen Modelle. Was man vorne hineintippt, kommt meistens hinten wieder heraus.

Aber der Glaube versetzt bekanntlich Berge, vor allem wenn er scheinbar wissenschaftlich untermalt ist. Dass auch die unterschiedlichen Aktivitäten der Sonne ihren Anteil am Klimawandel haben könnten, passt nicht ins Bild und wird eher verdrängt. Es muss der sündige Mensch sein, der die Strafe des Klimagottes auf sich zieht, so wie die Geißler im 13. Jahrhundert angesichts der Pest eine spirituelle Massenbewegung kreierten, um die Welt vor dem Zorn Gottes zu retten.

Dennoch: Es ist ja besser, das richtige aus den falschen Gründen zu tun als das falsche aus den richtigen Gründen. Dass fossile Energien begrenzt sind, ist klar. Deshalb ist das Einsparen von Kohle, Gas und Öl richtig und notwendig. Und wenn die steigenden Preise manchem nicht ausreichen, seinen Konsum zu drosseln, dann soll ihm gern der Glaube an die Apokalypse beim Sparen helfen. Es macht die Sache aber auch nicht besser, wenn aus den richtigen Gründen das falsche getan wird. Ein Blick auf die offiziellen Zahlen hilft manchmal. Entscheidene Größe ist der Jahresverbrauch an Primärenergie, und der sieht in Deutschland (berechnet in dem Vergleichsmaßstab Petajoule) für 2018 so aus:

Mineralöl: 34,3 Prozent – weg damit, am besten durch Abschaffen des Autos. Öl aus Ländern mit zweifelhaften Regierungen und veralteten Geschlechterrollen zu importieren ist ebenfalls zu unterbinden. Genauso wie schmutziges Öl aus den Teersänden von Kanada.

Erdgas: 23,7 Prozent – jeder Kauf von Erdgas stützt Putin – also durch Liquid Gas aus den USA ersetzen, das allerdings nicht durch Fracking gewonnen werden darf.

Steinkohle: 10,0 Prozent – Ausstieg ist schon beschlossene Sache.

Braunkohle: 11,3 Prozent – Ausstieg ebenfalls beschlossen.

Kernenergie: 6,4 Prozent – Auslaufmodell.

Andere: 1,8 Prozent

Erneuerbare: 14,0 Prozent – die Zukunft!

Die große grüne Fantasie der sauberen Energieversorgung ist zum flächendeckenden Geschäftsmodell des gigantischen Abzockens von Subventionen geworden. Und diese werden vom Verbraucher bezahlt. Kein Wunder, dass Deutschland beim Strompreis europaweit ganz vorn liegt. Die Effektivität der Windräder ist dafür eher lau, hochbezuschusst und hochineffizient.

Windenergie trägt mit gerade mal 3,1 Prozent (2018, gegenüber 2,8 Prozent 2017) zum Primärenergieverbrauch bei. Dazu sind heute knapp 30 000 Windmühlen nötig. Bei einer Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland von 357.386 Quadratkilometern kommt damit heute schon eine Mühle auf knapp 12 Quadratkilometer. Und nicht immer drehen diese sich – dafür muss eine gewaltige Reservearmee an konventionellen Kraftwerken in Bereitschaft gehalten werden. Oder man muss eben den Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien importieren. Eine echte Luftnummer, bezahlt durch Mondpreise für Strom.

Wollte man – bei heutiger Technik – den Anteil der Windenergie etwa verzehnfachen, bräuchte man 300 000 Windräder, bei 100 Prozent Windenergie also etwa eine Million. Das wären dann auf jedem Quadratkilometer Bodenfläche in Deutschland knapp drei Windräder; in den landwirtschaftlichen Gebieten, den Wäldern, Bergen, Seen und Städten, überall. Bezogen auf die Bevölkerungszahl von gut 80 Millionen Bundesbürgern würde dann für jeweils 80 von Ihnen ein Windrad die Energie liefern.

[…]

Sicher aber ist: die Bürger und die Industrie werden jetzt im Wochenrythmus ermahnt, „endlich zu liefern“. Was, ist nicht ganz klar. Es wird nur teuer. So wie die Energiewende ja ohnehin ein Freudenfeuer des Geldverbrennens ist, wobei  zum Glück kein neues CO2 freigesetzt wird, denn man fackelt ja keine Geldscheine ab, sondern nur Buchgeld. Das geht auch deutlich schneller.

Währenddessen haben die 120 größten Kohlekonzerne der Welt gerade knapp 1.400  Kohlekraftwerke in 59 Ländern in Planung oder sogar schon im Bau. Weltweit sollen 83 neue Kernkraftwerke geplant sein. Von all diesen kann Deutschland dann ja irgendwann seine saubere Energie beziehen – Hauptsache der schöne Schein wird bewahrt – und man glaubt fest daran.

Grüne dürfen träumen, das gehört zu ihrer DNA. Sie dürfen sich auch in apokalyptischen Visionen gruseln. Doch wenn der Rest der politischen Klasse mit träumt wird es ernst. Und Gretas ansteckende Panik wird unser Problem.

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Ganzen Beitrag von Stefan Aust in der Welt hier lesen.

 

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