Robin Mesarosch: Die Solarenergie schwankt nicht

Nach dem Lesen der Rede des SPD-Abgeordneten Robin Mesarosch im Bundestag am 20.10.2022 bleibt man mit offenem Mund sitzen. Irgendwie hofft man, dass kurz nach der Rede Barbara Schöneberger hinter Mesarosch auftauchte und laut ruft: “Versteckte Kamera! Aber Sie haben es auch erst geglaubt, oder?” Was sagte der Abgeordnete?

“Übrigens, der Strombedarf in Deutschland – auch das vernachlässigen Sie immer mit Ihrem ausgeprägten Schwarz-Weiß-Denken „Die Sonne scheint, die Sonne scheint nicht“ – schwankt über den Tag. Das Schöne ist: Die Solarenergie zum Beispiel schwankt nicht. Wir brauchen nachts deutlich weniger Strom als tagsüber, und das vernachlässigen Sie permanent.

Wir überprüfen die Aussage und stellen fest, dass die Erzeugung von Solarstrom am Tag der Rede natürlich schwankte und gegen 12:00 einen Höhepunkt erreichte. Vor 07:00 und nach 18:00 gab es keinen Sonnenstrom. Wir stellen auch fest, dass am Stichtag nachts fossile Energieträger die Differenz zum Wind auffangen müssen. Sie mussten das auch tagsüber machen.

(Abbildung: Screenshot Agora Energiewende)

“Dann kommen Sie noch mit Ihrem Winter. Da sage ich: Ja, im Winter scheint die Sonne weniger, aber dafür weht im Winter mehr Wind.””

Hier hat Mesarosch sogar in Teilen Recht. Im Winter weht in der Regel mehr Wind, nur bläst dieser nicht kontinuierlich und schon gar nicht so, dass er zurückgehende Erzeugung von Solarstrom perfekt ausgleichen kann. Und da der Abgeordnete vorher darüber schwadronierte, dass zu jeder Zeit die Erzeugung der Nachfrage entsprechen muss, ist das ein nettes Eigentor. Mesarosch ist Mitglied der SPD-Fraktion und wieso ihn seine Fraktion, obwohl er ausweislich seiner Vita keine spezielle Expertise hat, dennoch ans Rednerpult schickt, das ist schwer verständlich.

Immerhin scheint er aber die Verwendung einer Suchmaschine zu beherrschen und er kennt Pumpspeicherwerke, aber offenbar nicht deren Kapazitäten in Deutschland. Pumpspeicher kommt auf 10 GW und Wasserkraft auf 5 GW Leistung. Deutschland braucht in der Spitze fast 80 GW. Es besteht aufgrund der Gegebenheiten auch kaum die Möglichkeit, diese Kapazitäten zu erhöhen. Die schmale blaue Linie unten im Agorachart ist übrigens die Wasserkraft, die Mesarosch so preist.

“Jetzt ist die Frage: Geht das überhaupt? Ich möchte Antworten geben. Die kurze Antwort auf die Frage „Kann man ein Netz mit erneuerbaren Energien betreiben?“ ist: Ja. Die lange Antwort passt nicht in diese Rede, weil Energieversorgung komplexer ist als die Parolen, die Sie permanent raushauen. Deswegen die mittellange Antwort: „Grundlast“ ist hier nicht der relevante Begriff. Googeln Sie lieber „Residuallast“. Dabei geht es um das Delta zwischen Solar- bzw. Windenergie und der Energie, die wir sonst noch brauchen. Aber Sie vergessen dann, dass wir Pumpspeicherkraftwerke haben, dass wir Wasserkraft haben und dass wir in Zukunft – und das müssen wir eben tun – auch mit Grünem Wasserstoff Energie ins Netz speisen.”

Sollte die Rede das Niveau seiner ganzen Partei in Sachen Energiepolitik sein, dann kann einem angst und bange werden.

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Greta Thunberg ist wegen des von ihr herausgegebenen Klimabuchs gerade wieder etwas präsenter in den Medien. Nicolas Harris beschreibt bei unherd.com ihren Weg von einer Klimaschützerin zur Antikapitalistin und Degrowth-Anhängerin.

“Interspersed among the usual directives about the need to pressure political leaders, her message was more radical and more militant than it has been in the past. There is no “back to normal”, she told us. “Normal” was the “system” which gave us the climate crisis, a system of “colonialism, imperialism, oppression, genocide”, of “racist, oppressive extractionism”. Climate justice is part of all justice; you can’t have one without the others. We can’t trust the elites produced by this system to confront its flaws — that’s why she, much like Rishi Sunak, won’t be bothering with the COP meeting this year. COP itself is little more than a “scam” which facilitates “greenwashing, lying and cheating”. Only overthrow of “the whole capitalist system” will suffice.

So now we are finally seeing the contours of Thunbergism. Run your eye down the contributors to The Climate Book and you can see who she’s been reading: Jason Hickel, Kate Raworth, Naomi Klein. For these people the climate crisis isn’t man-made. It’s made by capitalism, as are the other forms of social injustice which plague society. There’s no GDP growth — especially of the capitalist sort — without increasing carbon emissions. The only solution to this state of emergency is for rich countries to immediately abandon economic expansion as a social goal.”

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Der Deutschlandfunk interviewt einen Aktivisten der letzten Generation. Seine Aussagen sind schon beeindruckend. In Kurzform: Wir gefährden Leben, weil unser Leben gefährdet ist. Unsere Aktionen sind legitim und schuld sind die Autofahrer, die keine Rettungsgasse freigelassen haben. Außerdem seien noch viel drastischere Maßnahmen notwendig. Derweil erinnert Justizminister Buschmann die Aktivisten daran, dass ihre Aktionen strafrechtlich relevant sein können. Die Zeit berichtet:

“Buschmann sagte, zwar seien Widerspruch und Protest in der Demokratie „nicht nur zulässig – sondern gehören zu einer vielfältigen Gesellschaft dazu“. Er ergänzte jedoch: „Wer Kunstwerke bewirft, kann sich einer Sachbeschädigung strafbar machen. Eine Straßenblockade kann als Nötigung bestraft werden. Und wenn Rettungswagen ausgebremst werden, kommt auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht.“

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Ökotest interviewt Mojib Latif.

“Ist das liberale, kapitalistische Wirtschaftssystem, das auf Wachstum beruht, also ungeeignet, den Klimawandel überhaupt in den Griff zu kriegen?

Latif: Das würde ich nicht so sagen. Aber wir leben in einem System, das Umweltzerstörung belohnt. Preise für nicht nachhaltige Produkte sind deutlich niedriger als für nachhaltige. Produktionsverlagerungen in Weltregionen mit geringeren Umwelt- und Sozialstandards rechnen sich. In den vergangenen 30 Jahren hat man die noch bestehenden Regeln sogar noch abgebaut. Der Markt scheint dumm zu sein, jedenfalls nicht nachhaltig. Er merkt nicht, dass wir den Planeten gegen die Wand fahren. Deshalb muss der Kapitalismus sozial und ökologisch werden.

Sie und Ihre Kollegen haben den Klimawandel schon vor Jahrzehnten angesprochen und wurden trotzdem nicht gehört. Warum passiert so wenig?

Latif: Meine Auseinandersetzung damit begann in den 80er-Jahren. Damals habe ich beim Klimaforscher Klaus Hasselmann promoviert, der jetzt mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Aber ich musste früh lernen, dass die Menschen nicht gut darin sind, langfristig zu denken.

Wir bewältigen kurzfristig große Krisen, aber verlieren dabei immer den Weitblick für die großen Probleme. Politik schaut auf die nächsten Wahlen und will niemandem wehtun, Wirtschaft schaut auf die nächsten Quartalszahlen. Es gibt immer Wichtigeres, als den Klimawandel oder das Artensterben zu stoppen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ist plötzlich Frackinggas ein Heilmittel – aber das ist es nicht!”

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Martin Schlumpf berichtete am 31. Oktober 2022 im Nebelspalter: 

Die Artenvielfalt war noch nie so gross wie heute – Schlumpfs Grafik 58

Es gab wohl noch nie eine Zeit, in der man sich so stark um den Zustand der Umwelt gesorgt hat, wie die heutige. Dank hohem Wohlstandsniveau in den entwickelten Ländern gibt es eine wachsende Umweltbewegung, die sich für intakte Ökosysteme einsetzt: insbesondere für eine reiche Biodiversität, also eine grosse Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten. In letzter Zeit mehren sich aus diesen Ökokreisen allerdings die Stimmen, die vor einem drohenden Artenverlust warnen.

Was wichtig ist:

– Seit Beginn des Lebens vor mehr als 500 Millionen Jahren gab es noch nie eine so reiche Biodiversität wie heute. 

– Und dies trotz fünf grosser Massenaussterben in dieser Zeit, die viele Arten vollständig zerstörten.

– Als Ursachen für diese Katastrophen vermutet man Meteoriteneinschläge oder Vulkanismus, die zu massiven Klimaveränderungen geführt haben – längst bevor der Mensch die Bühne betrat.

Ich gehe der Frage der Artenentwicklung zuerst in einem möglichst langfristigen Kontext nach.

Wann hat das Leben von Pflanzen und Tieren begonnen? Nach einem dramatischen Zwischenspiel, in dem unser Planet vollständig mit Eis überdeckt war («Snowball Earth») und die ersten einfachen Lebensformen fast ganz ausgestorben waren, bekam das Leben vor gut 550 Millionen Jahren eine zweite Chance: Nach einer starken Erwärmung kam es in den riesigen Ozeanen zum ersten Mal in der Erdgeschichte zur Bildung komplexer mehrzelliger Organismen: den Pflanzen und Tieren.

Weiterlesen im Nebelspalter. Auch verfügbar auf schlumpf-argumente.ch.

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GROSSE FREIHEIT TV:

Wie ich klimagläubig wurde!

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