Neue PIK-Logik aus Potsdam: Viel Schnee lässt Gletscher schmelzen (und wenn man viel isst, wird man dünn)

Ein antarktischer Sommerhauch hat eine Strähne aus ihrem zurückgebundenen blonden Haar ergriffen und lässt selbige munter hin- und herflattern. Die Besitzerin der Strähne, Ricarda Winkelmann, steht auf dem Eis, im Hintergrund ist die Polarstern zu erkennen, ein als Eisbrecher ausgelegtes Forschungs- und Versorgungsschiff. Die Forscherin strahlt, denn endlich ist sie angekommen auf dem siebten Kontinent, der noch so viele Geheimnisse in sich birgt. Der rote Polaranzug spendet Wärme und Sicherheit. Eisbären gibt es hier zum Gück keine und von den Pinguinen geht keine Gefahr aus.

So könnte man das attraktive Foto interpretieren, dass das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) seiner Pressemitteilung vom 12.12.12 mit dem Titel „Mehr Eisverlust durch Schneefall in der Antarktis“ mitgegeben hat. So bekommt der Kampf gegen den Klimawandel endlich ein schönes Gesicht. Den Rahmstorf und Schellnhuber haben wir uns bereits übergeguckt. Jetzt weht endlich ein frischer, junger Wind durch die PIK-Klimakampfmaschinerie.

Überlegen wir kurz, wie man den Titel „Mehr Eisverlust durch Schneefall in der Antarktis“ verstehen könnte. Jetzt soll also das Eis in der Antarktis offenbar noch schneller schrumpfen als es bislang der Fall ist. Und Schuld soll der Schneefall sein. Aha. Interessant. So richtig logisch will dies zunächst nicht erscheinen. Haben wir nicht in der Schule gelernt, dass Gletscher wachsen, wenn es mehr schneit? Und wenn es weniger schneit, dann schrumpfen die Gletscher. Und das soll jetzt nicht mehr gelten? Sehr seltsam. Das wäre ja so, als wenn eine Klimaerwärmung zu kälteren Wintern führen würde. Haha. Spass muss sein. Zurück zum Thema. Lesen wir ersteinmal ein bisschen in der PIK-Pressemitteilung:

Stärkerer Schneefall kann zu mehr Eisverlust in der Antarktis führen. Die globale Erwärmung bringt allgemein mehr Niederschlag, weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit halten kann. Frühere Studien legten deshalb nahe, dass der Klimawandel zu einem Anwachsen des Antarktischen Eispanzers führen wird. Jetzt zeigt eine in Nature veröffentlichte Studie, dass viel von diesem zusätzlichen Eis wieder verloren geht, weil sich der Eisfluss in den Ozean beschleunigt. […] „Zwischen 30 und 65 Prozent des Zuwachses an Eis durch das Mehr an Schneefall wird zunichte gemacht durch verstärkten Eisverlust an der Küste der Antarktis“, sagt die Leitautorin Ricarda Winkelmann.

Da steckt viel drin in diesen paar Zeilen. Zunächst wird die mysteriöse These in anderen Worten wiederholt, die wir hier überprüfen wollen. Dann wird erklärt, warum es in Zukunft in der Antarktis eigentlich mehr schneien soll; nämlich weil die Luft wegen der Erwärmung feuchter wird. Dieser Satz hört sich plausibel an. Und dann kommt wieder ein ziemlich seltsamer Satz: Haben die „früheren Studien“, die ein „Anwachsen des Antarktischen Eispanzers“ nahelegten, denn jetzt plötzlich unrecht? Dies suggeriert jedenfalls die unglückliche Formulierung. Der letzte Satz der Passage bringt Aufklärung: 30 bis 65 Prozent des zusätzlichen Schneefalls bzw. Eises geht durch schnelleres Abfließen wieder verloren. Im Umkehrschluß bedeutet dies aber auch, dass 70 bis 35 Prozent liegenbleiben und den Antarktischen Eispanzer anwachsen lassen. Und dieses weitere Anwachsen des Eispanzers steht im krassen Gegensatz zu dem im Titel suggerierten „mehr Eisverlust“.

Man bekommt fast den Eindruck, dass hier bewusst unsauber formuliert wurde, um schnelle Leser in die Irre zu leiten. Dies ist in hohem Maße unredlich. Eine korrekte Überschrift wäre zum Beispiel gewesen: „Antarktischer Eispanzer wird weiter anwachsen, allerdings langsamer als bisher angenommen.“ Warum wird dies nicht mit deutlichen Worten klargestellt? Ist in Potsdam vielleicht die neueste Literatur nicht verfügbar? Neue Eismessungen haben nämlich ergeben, dass der Antarktische Eispanzer aktuell wächst (siehe unseren Blogartikel „Neue ICEsat-Satellitendaten sind da: Antarktischer Eisschild hat an Masse zugelegt„). Stattdessen müssen wir in der PIK-Pressemitteilung folgenden Satz lesen, der den fachfremden Leser nun komplett aufs Glatteis führt:

In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Antarktis bereits merklich an Eismasse verloren – in einem vergleichbaren Maße wie Grönland. 

Das muss ein Scherz sein, denn dies stimmt hinten und vorne nicht. In einer kürzlichen Studie untersuchten niederländische Forscher die Gesamtmassenbilanz des antarktischen Eisschildes für die Zeit 1979-2010. Hierbei ging es um den Gesamtwert für West- und Ost-Antarktis. Die Forscher konnten jedoch keinen signifikanten Trend feststellen. Die Eismasse hatte sich insgesamt kaum verändert. Die Wissenschaftlergruppe um Jan Lenaerts von der Universität Utrecht veröffentlichten ihre Ergebnisse im Februar 2012 in den Geophysical Research Letters. Im Januar 2012 hatte das niederländische Team bereits eine Studie zur Schneeschmelze in der Antarktis für die Zeit 1979-2010 in den Geophysical Research Letters veröffentlicht. Auch hier konnten sie keinen Trend feststellen.

Wie konnte es zu dieser mangelhaften Pressemitteilung kommen? Was steckt hinter den unglücklichen Formulierungen, Auslassungen und Fehlinformationen? Ist es der unbändige Wunsch, die Angst vor der Klimagefahr weiter zu schüren? Spielt vielleicht eine Rolle, dass einer der Ko-Autoren der Studie, Anders Levermann, gleichzeitig Leitautor des Kapitels zum Meeresspiegel im nächsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC ist? Hat es vielleicht damit zu tun, dass die besagte Studie Teil von Ricarda Winkelmanns Doktorarbeit darstellt, die u.a. von Stefan Rahmstorf betreut wurde?

Prüfen wir abschließend noch, ob die Medien mitgedacht und die Schwachpunkte der Pressemitteilung durchschaut haben. Das Handelsblatt offenbar nicht („Stärkerer Schneefall kann zu mehr Eisverlust in der Antarktis führen“). Der Spiegel formuliert im Haupttext etwas genauer, wählt aber ebenfalls einen irreführenden Titel („Schneefall verstärkt Eisschmelze“). Und Die Welt ist ganz entzückt von den Computersimulationen die bis ins Jahr 2500 hineinreichen. Dabei konnten die aktuellen Modelle noch nicht einmal den Erwärmungsstopp der letzten 15 Jahre vorhersagen…

 

UPDATE 3.2.2013:
Klaus Öllerer teilt soeben mit, dass die bemängelte PIK-Meldung vom 12.12.2012 nicht mehr in der Auflistung der Pressemitteilungen auf der Institutsseite auffindbar ist. Auch durch die Suchfunktion kann sie nicht mehr gefunden werden. Es scheint, dass sämtliche Links auf die Meldung gelöscht wurden. Offenbar war die Pressemitteilung nach der Kritik nicht mehr haltbar (siehe auch notrickszone.com).

UPDATE 6.2.2013:
Nun ist die Pressemitteilung wieder in der PIK-Auflistung enthalten. Die Blöße wollte man sich dann doch nicht geben…

 

Siehe auch Beiträge auf WUWT und EIKE.
Mit Dank an Klaus Öllerer.
Pinguin-Foto oben rechts: Ben Tubby / Lizenz: Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) lizenziert.
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