Leistungsbedarf für Wärmepumpen bei vollständiger Dekarbonisierung der Gebäudeheizungen

Von Prof. Dr.-Ing. Michael Thielemann

Es regt mich zunehmend auf, dass die Wärmepumpe von Politikern und MS-Medien als Wunderwaffe zur Lösung unserer Heizungsprobleme hochstilisiert wird. Dazu verweise ich auf die in der „Kalten Sonne“ vom 28.6.2022 zitierte Lösungsstudie von Ingo Stuckmann, aber auch die Äußerungen von Claudia Kemfert zu Simulationsrechnungen und den Wärmepumpenbooster bei Anne Will am 26.6.2022 und vor allem Robert Habeck (HABECK UND DIE HEIZWENDE, „Welt“ vom 30.6.2022).

Ich möchte betonen, dass ich als Thermodynamiker ein Freund der Wärmepumpe bin. Würde ich heute ein Haus neu bauen, hätte ich eine Wärmepumpe, evtl. mit PV, aber auch wegen der Versorgungssicherheit noch einen Ofen. Die Technik ist faszinierend und kommt der deutschen „Geiz ist geil“- Mentalität entgegen, weil es etwas umsonst gibt. Sie hat aber bekanntlich Grenzen für den Einsatz im älteren Gebäudebestand.

Die folgende kleine Plausibilitätsüberlegung, die sich vorwiegend an Laien wendet, soll zeigen, dass der vollständige Ersatz der fossil betriebenen Wärmeerzeuger durch Wärmepumpen, die mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden, völlig absurd ist, jedenfalls wenn der Strom in Deutschland durch Windkraft und Photovoltaik erzeugt werden soll. Benötigt werden lediglich 3 Werte:

n             Zahl der fossil betriebenen Wärmeerzeuger

QH          maximale Heizleistung der Wärmeerzeuger (Mittelwert)

2             Leistungszahl der Wärmepumpen an sehr kalten Tagen

Aktuelle Zahlen des Schornsteinfegerhandwerks zum installierten Heizungsbestand ergeben für 2020 eine Zahl von knapp 20 Millionen Wärmeerzeugern, die fossil (mit Heizöl oder Erdgas) befeuert werden. Um diesen Wärmesektor zu dekarbonisieren, kommt im Wesentlichen nur der Einsatz von elektrisch betriebenen Wärmepumpen in Betracht. Bekanntlich ist der große Vorteil der Wärmepumpen der Nutzen frei verfügbarer Umweltenergie. Man spart dadurch Primärenergie ein. Über das Jahr gerechnet lässt sich das mit der sogenannten Arbeitszahl beurteilen. So besagt z.B. eine Jahresarbeitszahl von 4, dass man bei Einsatz von 1kWh elektrischen Strom 4 kWh Heizwärme erhält, die sonst durch etwa 4 kWh Erdgas bereitgestellt werden müssen (Verluste vernachlässigt). Allerdings müssen Wärmepumpen genau wie Heizkessel für die kältesten Tage des Jahres ausgelegt sein. Kriterium dafür ist aber die sogenannte Leistungszahl, die je nach Vorlauftemperaturen des Heizsystems wesentlich kleiner ist als die Arbeitszahl. Ich habe den Wert mal mit 2 angenommen, das dürfte für den älteren Gebäudebestand -den wir noch überwiegend haben- recht gut hinkommen. Das bedeutet aber auch, dass die Wärmepumpe gerade im kalten Winter geringe Heizleistungen liefert, in der Übergangszeit aber hohe Heizleistungen. Man heizt an diesen Tagen also mit 1 kWh Strom statt mit 2 kWh Gas.

Weiter wird die Heizleistung der fossilen Wärmeerzeuger benötigt. Die variiert natürlich erheblich. Der Zentralinnungsverband der Schornsteinfeger erhebt nach meiner Kenntnis diese Werte, hat sie mir aber auf meine Anfrage nicht mitgeteilt. Ich gehe mal von einer durchschnittlichen Leistung von 15 kW aus. Wird der Kessel durch eine Wärmepumpe ersetzt, benötige ich wegen der angenommenen Leistungszahl 2 also nur 7,5 kW je Wärmepumpe.

Somit ergibt sich bei vollständigem Ersatz aller fossil betrieben Wärmeerzeuger folgende elektrische Leistung, die gesichert zur Verfügung stehen muss, also auch bei Dunkelflaute:

P = n * QH = 20 * 106 * 7,5 kW = 150 * 106 kW = 150 GW

Nun schauen Sie sich beim Agorameter die tägliche Stromerzeugung und den Verbrauch an.

Dieser Wert ist etwa halb so hoch wie der maximale Leistungsbedarf der Wärmepumpen, also ca. 75 GW. Davon ist wiederum im Mittel nur die Hälfte regenerativ erzeugter Strom. Auch wenn der volle Leistungsbedarf für die Wärmepumpen selten erforderlich ist, muss er doch vorgehalten werden. Da auch insbes. der Verkehrssektor und die Industrie weitgehend elektrifiziert werden sollen, sagt der gesunde Menschenverstand, dass das in Deutschland allein mit regenerativer Stromerzeugung nicht zu wuppen ist, schon gar nicht bei Dunkelflaute.

Wie gesagt handelt es sich hier nicht um einen wissenschaftlichen Beitrag, sondern nur um eine schlichte Plausibilitätsbetrachtung. Ich kann aber keinen grundsätzlichen Fehler darin erkennen. Wer fundiertere Werte zu der angenommenen Leistungszahl oder der mittleren Heizleistung des gegenwärtigen Wärmeerzeugerbestandes hat, kann die Rechnung ja anpassen und mir die Werte mitteilen.

Verheerend ist m.E. die Verschärfung des Gebäudeenergiegesetzes GEG. Nach meiner Kenntnis möchte Herr Habeck, dass ab 2024 nicht nur bei Neubauten sondern auch beim Austausch einer Heizung der Wärmebedarf zu mindestens 65% durch regenerativ erzeugte Energie gedeckt wird. Technisch ist das möglich, wie man z.B. in Norwegen sehen kann. Dort setzt man allerdings auf Wasserkraft, die ganzjährig relativ gleichmäßig verfügbar ist. Natürlich lassen sich Wärmepumpen auch mit Strom aus Kern- oder Kohlekraftwerken betreiben. Der Wärmepumpe ist es egal, woher der Strom kommt. Aber evident ist, dass der bei uns regenerativ erzeugte Strom niemals unseren Heizwärmebedarf decken kann. Gerade angesichts der gegenwärtigen Gasknappheit und des sich ankündigenden Strommangels sollte man den weiteren Betrieb und die Neuinstallation von Ölkesseln ermöglichen. Vielfalt ist auch in der Heizwärmeversorgung angesagt, ein Ölembargo wäre die nächste Katastrophe.

Der Energieminister aber sendet widersprüchliche Signale. Er jammert über die Gasknappheit, sein Staatssekretär Graichen möchte den Rückbau des Gasnetzes, aber gleichzeitig wird der Einbau von Gashybridheizungen noch vom BAFA gefördert (was ich für vernünftig halte, um die gegenwärtigen Anforderungen des GEG einzuhalten). Habeck könnte sich und allen Hausbesitzern das Leben so viel leichter machen, wenn er dieses unsägliche Gesetz abschafft oder aussetzt. Dabei könnte er sich darauf berufen, dass dieses bürokratische Monstrum noch von der Vorgängerregierung stammt.

Prof. Dr.-Ing. Michael Thielemann

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