Hans Werner Sinn fordert, die deutsche Energiepolitik grundlegend zu überdenken

Christian Stöcker vom Spiegel macht Tabula Rasa und schreibt tüchtig mit an den Dolchstoßlegenden zur Entwicklung der Solar- und Windkraftindustrie in Deutschland. “Wir müssen aufhören auf diese Leute zu hören”. Wer eine Analyse erwartet, wie China sich den Weltmarkt im Bereich Solarmodule “gekauft” hat, der wird enttäuscht. Kein Wort über die massiven Subventionen, die China in diesen Bereich, direkt oder indirekt gesteckt hat, sei es über billige (und oftmals schmutzige) Energie, niedrige Umweltstandards, miserable Arbeitsbedingungen oder direkte Zahlungen. Stattdessen waren es CDU und FDP, die Schuld sind.

Auch das Paradoxon, dass die Windkraftindustrie über volle Auftragsbücher verfügt aber etliche Unternehmen gerade defizitär sind (wir berichteten) liest man kein Wort in dem Meinungsartikel lesen. Ob die CDU und die FDP für das schlechte Kostenmanagement der Hersteller wohl verantwortlich sind?

Das Gegenstück zu Stöcker liefert Axel Bojanowski in der Welt. Er beschreibt den Triumph der Windkraftindustrie, für die es jetzt “Feuer frei” geben wird. Es handelt sich um einen Bezahlartikel.
Bojanowski stellt interessante Fragen zur 2% Regel, die offenbar aus der Feder der Windkraftlobby kommt, aber nicht erläutert wird.

“Eine wissenschaftlich saubere Begründung für die zwei Prozent Landesfläche für Windkraft hat es nie gegeben. Fraglich erscheint die Zahl umso mehr wegen der rasanten technologischen Entwicklung der Windkraftanlagen: Sie sind erheblich größer und leistungsstärker als zur Zeit, als das 2-Prozent-Ziel von den Lobbyisten erfunden wurde – Höhen von mehr als 250 Meter für die Rotortürme sind mittlerweile normal. Kritiker fragen, warum die gleiche Fläche für Windkraft nötig sein soll, wenn doch dort nun weitaus größere Anlagen stehen als geplant.”

Ob die neuen Regeln, die den Windkraftanlagen-Herstellern zu noch mehr gefüllten Auftragsbüchern verhelfen wird, deren Kostenmanagement verbessert, wird man sehen. Am Ende des Tages wird sowieso der Stromkunde zahlen, wenn die Anlagen teurer werden. Wenn die Hersteller dann immer noch keine funktionierende Industrie geschaffen haben, dann kann man wie Stöcker wieder auf die Regierung schimpfen. Irgendjemand wird schon Schuld sein.

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50% der Ladesäulen in der EU befinden sich in zwei Ländern: Deutschland und die Niederlande.
Das berichtet der Focus.

“Nach einer Analyse des Verbands der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) verteilt sich die Hälfte aller Ladepunkte für Elektroautos in der Europäischen Union auf gerade einmal zwei Länder: die Niederlande mit 90.000 Ladepunkten und Deutschland mit 60.000. Dabei machen die beiden Staaten weniger als zehn Prozent der gesamten EU-Fläche aus. Die andere Hälfte aller Ladesäulen ist über die übrigen 25 Länder verstreut, die 90 Prozent der Fläche der Region abdecken.”

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Daniel Stelter kommentiert im Handelsblatt.

“Deutschland muss sich demnach nicht für eine Phase von vier bis zehn Tagen rüsten, sondern für bis zu 84 Tage! Die gängigen Modelle unterschlagen, dass Dunkelflauten mehrfach kurz hintereinander auftreten und deshalb die Speicher von beispielsweise Wasserstoff zu Beginn der nächsten Dunkelflaute nicht wieder aufgefüllt sein können.

Technisch ist das lösbar: Wir müssen nur noch höhere Überkapazitäten an Wind- und Solarkraft aufbauen und die Speicher entsprechend dimensionieren. Kostengünstig ist es aber ganz sicher nicht.

Umso skurriler ist daher die aktuelle Diskussion über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Alle noch funktionsfähigen Anlagen sollten wieder in den Betrieb genommen werden und dies dauerhaft. Das wäre kostengünstig – die Anlagen stehen ja bereits –, gut für das Klima und könnte den Erneuerbaren besser als russisches Gas zum Durchbruch verhelfen.”

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“Wir sind enttäuscht!”

Das sagt eine Aktivistin von Greenpeace und meint die Beteiligung an einer Demonstration anlässlich des G7 Gipfels in Bayern gegenüber dem Donaukurier. Statt geplanter 20.000 Teilnehmer kamen laut Polizei nur 4.000.

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Hans Werner Sinn fordert im Merkur die deutsche Energiepolitik grundlegend zu überdenken.

“Sinn forderte deshalb eine Kehrtwende der Bundesregierung in der Energiepolitik und kritisierte den zeitgleichen Ausstieg aus der Kohleverbrennung und der Atomkraft. Grüner Wasserstoff könne zwar langfristig Dunkelflauten bei Wind- und Sonnenenergie ersetzen. Aber auch der lasse sich nicht gut aus Wind- und Solarstrom herstellen, weil der zu „flatterhaft“ sei.

Der Wasserstoff werde deshalb aus den vielen neuen Atomkraftwerken kommen, die Frankreich gerade zu bauen beschlossen hat und die von der EU als „grün“ bezeichnet werden, erklärt der Top-Ökonom. Und bekräftigt: „Da ist es dann doch wohl besser, die Reißleine zu ziehen und die deutsche Energiepolitik grundlegend zu überdenken. Noch stehen die letzten Atomkraftwerke.“”

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Abschaltung von Solaranlagen. Laut einem Bericht im Spiegel passiert das offenbar regelmäßig. Der Grund sind fehlende Kapazitäten zum Transport des Stroms.

“Für die Zukunft mit dem geplanten beschleunigten Ausbau sowohl von Windkraft als auch von Fotovoltaik fürchtet die Solarwirtschaft ein wachsendes Problem. Je nach Beschaffenheit der Stromnetze und dem regionalen Ausbaustand könnten dann auch die Betreiber von Solaranlagen – insbesondere im ländlichen Raum – stärker von Abschaltungen betroffen sein, sagt Körnig. »Dies gilt insbesondere dann, wenn sich politische Maßnahmen zu lange hinziehen sollten, die darauf abzielen, das Stromnetz in Deutschland hinreichend auszubauen und Stromerzeugung und Strombedarf deutlich flexibler aufeinander abzustellen.« Er fordert als Grundprinzip die Regel »Nutzen statt Abregeln””

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Regenwald.org macht auf das Problem Balsa-Holz aufmerksam. Danach kommen bis zu 90% des Holzes, welches für den Bau von Windradflügeln benötigt wird, aus Ecuador.

“Der weltweit größte Verbraucher von Balsa ist Siemens Gamesa. Der deutsch-spanische Windkraftkonzern hat 2021 fast 26.000 t Balsa-Holz verbraucht (umgerechnet etwa 170.000 m³).

So stecken in den drei 81 m langen Rotorblättern von Offshore-Windkraftanlagen von Siemens Gamesa insgesamt fast 6 t Balsa (ca. 40 m3). Das entspricht ca. 40 Bäumen. Das Holz wird in den Flügeln mit Kunststoffen wie PET und PVC sowie Glasfasern und Epoxidharzen fest verklebt.

Auch andere Windanlagenbauer setzen Balsa ein, allerdings in geringeren Mengen: Bei Nordex waren es 2021 ca. 9.000 m³ und bei Vestas 2.500 m³.

LM Wind Power, ein Tochterunternehmen des US-Multis General Electric, verwendet in 5 % der Rotoren Balsa. Der Konzern selbst und die deutsche Firma Enercon haben auf die Anfragen von Rettet den Regenwald nicht reagiert.”

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Und noch eine Studie, dass Deutschland ganz schnell unabhängig von russischem Gas werden kann. Die Lösung? Windräder und Wärmepumpen, was sonst? Die Tagesschau berichtet.

“Die Experten schlagen in ihrer „Lösungsstudie“ zahlreiche konkrete Maßnahmen vor, die kurzfristig umgesetzt werden könnten. Unter anderem sollten bis Jahresende rund 1700 zusätzliche Windräder errichtet werden, die bereits genehmigt, aber derzeit noch nicht aufgebaut seien. Diese Größenordnung entspricht ungefähr einem Zuwachs wie in den Jahren 2016 oder 2017. In den letzten drei Jahren hatte sich der Ausbau der Windkraft allerdings verlangsamt. Die Windräder würden rund 40 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen, mit denen Hunderttausende Wärmepumpen betrieben werden könnten.

Passend dazu sollten bis zum Winter rund 330.000 zusätzliche, größere Wärmepumpen installiert werden, die jeweils mehrere verbundene Häuser oder Wohnungen mit Wärme versorgen. So könnten mehr als drei Millionen zusätzliche Haushalte mit Wärme aus Strom versorgt werden, die bisher ans Erdgasnetz angeschlossen waren. Der zusätzliche Strombedarf soll über die neuen Windräder erzeugt werden.

„Bei den beschriebenen Maßnahmen handelt es sich um sogenannte ’no-regret‘-Maßnahmen“, sagt Ingo Stuckmann, Gründer des „Zero Emission Think Tank“ und einer der Studienautoren. „Diese Investitionen sind ökologisch und ökonomisch sinnvoll, und sie führen sofort zu massiven Einsparungen bei den Energiekosten.“”

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