Filmrezension zur Doku „5 Grad Plus – Wie das Klima unsere Welt verändert“

Kennen Sie den Film „5 Grad Plus – Wie das Klima unsere Welt verändert“ von Waltraud Paschinger? Der Film stammt aus dem Jahr 2012 und lief im Vorfeld der Marrakesch-Klimakonferenz wieder auf Phoenix in einer Kaskadenaussendung zu verschiedensten Sendezeiten. Aus der Beschreibung:

Noch in diesem Jahrhundert wird es in den Alpen um fünf Grad Celsius wärmer sein als heute. Wo jetzt noch Gletscher sind, werden Almwiesen sein, wo Wald ist, eine trockene Buschlandschaft. Fünf Grad plus bedeuten eine völlige Verwandlung aller Landschaften. Eine vergleichbare Klimaerwärmung gab es vor 15.000 Jahren, als die letzte Eiszeit zu Ende ging. Der Temperaturanstieg erfolgte damals aber über einen Zeitraum von 5.000 Jahren – jetzt sind es 100 Jahre. Die rasante Erwärmung macht es Pflanzen und Tieren schwer, sich anzupassen. Biologen erwarten, dass in Mitteleuropa jede vierte Vogelart aussterben wird.

Gleichzeitig werden neue Arten aus dem Süden heimisch: Gottesanbeterin, Sandviper oder Schakale. Die „Universum“-Dokumentation „5 Grad plus – Wie das Klima unsere Welt verändert“ zeigt die Schönheit der derzeitigen Alpenwelt und geht den ersten Anzeichen der drohenden Klimaveränderung nach.

Fünf Grad Plus, ohne Wenn und Aber. Mit lästigen Unsicherheiten hält sich Frau Paschinger lieber nicht auf. Keine Silbe dazu, dass der IPCC in seinem 5. Klimazustandsbericht eine riesige Spanne von 0,3-4,8°C bis 2100 prognostiziert (Tabelle SPM2 hier). Paschinger hat sich einfach den schlimmsten Wert herausgesucht und verkauft ihn als absolute Wahrheit. Eine bittere Entstellung der wirklichen wissenschaftlichen IPCC-Sichtweise. Das geht ja gut los. Will man sich da den Klimaalarmfilm überhaupt antun? Ja, wollen wir, denn österreichische Schulen bilden offenbar ihre Schüler mit diesem Streifen aus. Zu den Schüler-Arbeitsblättern geht es hier. Das 49-minütige Video ist auf Youtube verfügbar.

Der Film startet mit schönen Aufnahmen aus den Alpen. Tolle Schneebilder. Dramatische Musik: Bald wird es keinen Schnee mehr geben, hört meine Worte. Naja, vielleicht hätte man erwähnen sollen, dass die Alpengletscher bereits in der letzten Wärmephase vor 1000 Jahren kräftig abgeschmolzen waren und erst im Zuge der Kleinen Eiszeit um 1400 wieder anwuchsen.

Bei Minute 5:45 dann eine Irreführung der Zuseher. Wir würden am Ende einer Kaltphase leben, die nun in eine Warmphase umschlägt. Was ist hiermit gemeint? Die vielen Zeitmaßstäbe verwirren Zuseher und Autorin. Also mal ganz langsam. Es ist richtig, dass der größte Teil der Erdgeschichte wärmer als heute war, da hat Frau Paschinger Recht. Die letzte Eiszeit endete vor 10.000 Jahren, seitdem befinden wir uns in einer Zwischeneiszeit, also einer Warmphase. Diese 10.000 Jahre lange Warmphase hatte ihren Höhepunkt vor 7000-4000 Jahren, zur Zeit des mittelholozänen Klimaoptimums. In der Folge gab es einen Wechsel von kürzen Wärme- und Kälteperioden im Tausendjahrestakt. Die letzte Wärmeperiode ereignete sich vor 1000 Jahren, gefolgt von einer Kältephase (Kleine Eiszeit), gefolgt von einer Wärmphase, nämlich der heutigen. Es ist daher wissenschaftlich vollkommen falsch zu behaupten, wir befänden uns am Ende einer Kältephase. Das sollten alle Lehrer und Schüler dazu wissen. Mal hier bei der TU Berlin reinschauen:

 Abbildung 1: Temperaturgeschichte der nördlichen Hemisphäre während der letzten 11.000 Jahre. Quelle: TU Berlin

 

Bei Minute 8:05 dann unerwarteter Realismus. Bei der Besprechung des Pasterze-Gletschers wird doch tatsächlich eingeräumt, dass der Gletscher vor 900 Jahren schon einmal stark abgeschmolzen war und die Temperaturen sogar die heutigen überschritten. Früher grasten hier Kühe: Pasterze heißt auf slowenisch „Weideland“, lernt man im Film. Trotz des erfreulichen Einschubs bleibt der Elefant im Raum unerwähnt: Wie konnte es vor 900 Jahren eigentlich wärmer sein als heute, obwohl die CO2-Konzentration niedrig war? Eine gute Chance vertan. Liebe Schüler, wenn Ihr Euch zu dieser Phase informieren wollt, klickt auf diese Online-Karte mit paläoklimatologischen Studien zur Mittelalterlichen Wärmephase (MWP). Zoomt in die Alpen. Die roten Punkte sind alles Studien, die die Wärmephase gut dokumentiert haben. Fragt Eure Lehrer danach: Wie konnte es damals so warm wie heute gewesen sein? Siehe auch:

Bei 11:45 wird es abenteuerlich. Frau Paschinger erklärt, dass Murmeltiere nach der letzten großen Vereisung in die Berge geflüchtet sind, um der Hitze zu entgehen. Nun ginge es ihnen durch die moderne Klimaerwärmung an den Kragen. Ein Blick in die Fachliteratur entzaubert den Alarm. Kurz nach der letzten Eiszeit, vor 9000 Jahren, war es in den Alpen etliche Grad wärmer als heute (siehe grüne und rote Temperaturkurven „A“ in folgender Abbildung aus Ilyashuk et al. 2011).  Die pelziger Nager scheinen es überlebt zu haben. Die heutigen Bedingungen sind deutlich erträglicher. Putzig: Der Film behauptet, die Murmeltiere könnten es in kühlen Erdhöhlen schlecht aushalten, denn sie würden sich dort immer streiten.

 

Abbildung 2: Temperaturentwicklung in den Alpen (A) und der Arktis (B). Graphik aus Ilyashuk et al. 2011.

 

 

Irgendwann taucht dann auch noch der Neusiedlersee als Klimaopfer auf. Wirklich? Frau Paschinger, da haben Sie wohl eine Kleinigkeit übersehen. Siehe „Klimawandel bedroht Neusiedler See: Allerdings war dieser bereits während der Kleinen Eiszeit mehrfach vollständig ausgetrocknet„.

Wo wir beim Thema sind: Überraschung! Weniger Extremwetter im Alpenraum

Fazit unserer Film-Rezension: Als Unterrichtsmaterial durchweg untauglich. Außer schönen Tier- und Landschaftsaufnahmen ist hier wenig verlässliche Information. Die Autorin ist durch den Drang zur Dramatisierung getrieben und verlässt an etlichen Stellen den wissenschaftlich korrekten Pfad. Zur Vorführung and Schulen ist der Film daher leider ungeeignet.

 

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