Die Sonne im August 2019 und ein neu entdecktes negatives Feedback unseres Klimasystems?

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Der Stern im Zentrum unseres Planetensystems übererfüllte die Erwartungen an ihn im tiefen Minimum auch im letzten August: Die festgestellte SSN (für SunSpotNumber) betrug lediglich 0,7. An nur zwei Tagen des Monats gab es überhaupt nur einen winzigen Fleck zu beobachten. Damit erbrachte die Aktivität im August nur ganze 3% des Mittelwertes im Zyklusmonat 129. Bemerkenswert: Der über die letzten 3 Monate gemittelte SSN-Wert bleibt unter 1. So etwas passierte im letzten Minimum (SC23/SC24)erst  3 Monate vor seinem Ende.  

Abb.1: Der Verlauf der Fleckenaktivität über den SC 24 (rot) hinweg im Vergleich zu dem Mittelwert aller bisher systematisch beobachteten 23 vollendeten Zyklen (blau) und dem über viele Monate hinweg recht ähnlichen Zyklus 5 (schwarz). Der Beginn des Minimums bei Monat 106 des Zyklus, das war im Oktober 2017, bildet sich deutlich ab.

Wie ordnet sich der aktuelle Zyklus bis Monat 129 mit seiner Aktivität ins Gesamtbild der Zyklen ein?

Abb.2: Die Zyklen seit März 1755 im Vergleich. Die Werte entstehen, wenn die monatlichen Differenzen zwischen den jeweils festgestellten SSN-Daten und dem Mittelwert (blau in Abb.1) bis zum aktuellen Zyklusmonat 129 aufsummiert werden.

Die einzig spannende Frage ist im Moment die nach der weiteren Dauer des tiefen Minimums. Ein Ende in den nächsten Monaten scheint kaum in Sicht. Im August gab es genau null winzige magnetische Anomalien des neuen Zyklus (sie sind umgekehrt magnetisch polarisiert als die des alten) und das weist nicht darauf hin, dass bald die Aktivität des Folgezyklus 25 erwacht. Wir schätzen, dass das noch ca. ein weiteres Jahr auf sich warten lässt. Langeweile schon ein wenig…

Ein frisch entdecktes weiteres negatives Feedback unseres Klimas?

Das irdische Klimasystem ist sehr komplex. Es ist insbesondere durch unsere Ozeane und die Atmosphäre deutlich komplizierter als beispielsweise das „Klima“ des Mondes, er besteht zu allergrößten Teilen aus Material der Erde (gewissermaßen ein kugelförmiger weiterer Kontinent der Erde in 380.000 km Entfernung)  und bekommt die gleiche Strahlungsenergie wie die Erde von der Sonne. Trotzdem ist er klimatisch nicht mit der Erde zu vergleichen.

Es sind die Gase der Atmosphäre Stickstoff und Sauerstoff, die die Erde in den „blauen Planeten“ verwandeln. Es sind vornehmlich der Wasserdampf und das Kohlendioxid, die die Erde bewohnbar machen, indem Wärme zurückgehalten wird. Beide Effekte (Rayleigh- und Treibhaus-)  sind Ausdruck der gleichen (Quanten)Physik. Wird es nun, aus welchem Grunde auch immer, ein wenig wärmer auf unserer Erde, sollte auch mehr Wasser verdunsten, das führt zu mehr Wasserdampf, der zu noch mehr Wärme…ein sich selbst verstärkender Teufelskreis? Das würde auch anders herum funktionieren: Abkühlung führte zu weniger Verdunstung, zu weniger Wasserdampf, zu noch mehr Abkühlung usw. In der langen Klimageschichte der Erde sind solche unumkehrbaren Apokalypsen nie passiert. Es müssen also  zwingend nicht nur positiven Feedbacks (die Änderung verstärkend)  vorhanden sein, sondern auch welche, die Änderungen entgegen wirken: negative Feedbacks. Von einem solchen Kandidaten, gerade erst in der Literatur frisch beschrieben, wollen wir Sie informieren.

Bereits im Juli 2019 berichteten wir  über Abweichungen in den Mustern der Erwärmung der Ozeane zwischen Modellen und Beobachtungen. Solche Diskrepanzen treten sehr großflächig im tropischen Ostpazifik auf. Er erwärmt sich viel weniger als der tropische Westpazifik/Indische Ozean. Wir erwähnten zwei Arbeiten, Dong et al (2019) die nachwiesen, dass die Abweichung in den Mustern global kühlend wirkt. Die Erwärmung über dem tropischen indischen Ozean führt zu mehr Konvektion und bewirkt damit, dass die Energie global besser in den Weltraum abgegeben werden kann, als wenn sich der Ostpazifik ebenso erwärmen würde wie der indische Ozean. Seager et al (2019) konnten herleiten, dass der Gradient in den SST (für Sea Surface Temperatures) zum anthropogenen Antrieb („Forcing“)durch Treibhausgase passt.

Wir versuchen dies nachzuvollziehen. Hierzu untersuchen wir die Temperaturdifferenz zwischen dem tropischen indischen Ozean (15°S…15°N; 50°E…100°E) und dem gleichen Band im Ostpazifik (160 W… 80W). Anschließend vergleichen wir diese Reihe mit dem Gesamtantrieb, die Daten hierfür entnahmen wir von hier, aktualisiert bis 2018. Um überschätzte Trendsicherheiten durch Autokorrelation zu vermeiden, verwenden wir nicht überlappende 5-jährige Mittelwerte bei der Temperaturdifferenz und bei den Forcingwerten (ERF für Effecti ve Radiative Forcing). Wir betrachten die Jahre  1949…2018, als der anthropogene Antrieb deutlich anstieg.

Abb. 3: Die Temperaturdifferenz Indischer Ozean- Ostpazifik über dem Gesamtforcing.

Verwendet wurde die SST- Reihe HadISST1. Sie liefert eine Zunahme der Differenz von 0,15°C/W Forcing. Der Trend ist hoch signifikant, zu über 97% kann ausgeschlossen werden, dass er durch Zufall entsteht. Mit der SST-Reihe ERSSTv5 ergibt sich ein ähnliches Bild (0,14 °C/W/m²), dort ist ein Zufall zu 96% ausschließbar. Die Streuung ist, wie nicht anders zu erwarten bei der hohen Variabilität im Ostpazifik (Pazifische dekadische Oszillation, PDO; Interdekadische Pazifische Oszillation , IPO), recht hoch.

Eine feste Korrelation ist jedoch noch kein Nachweis zu Ursache und Wirkung, den kann nur ein physikalischer Mechanismus erbringen. Hier hilft eine hoch aktuelle Arbeit weiter.  Zhang et al (2019 b) beginnen auch da, wo  wir es im Juli taten: Sie wunderten sich über die viel stärkere Erwärmung (1,6mal so hoch seit 1949) des tropischen Indischen Ozeans gegenüber dem Ostpazifik. Sie modellierten diese Muster und fanden heraus, dass die Erwärmung des Indischen Ozeans dort mehr  ausgeprägte Tiefdruckgebiete entstehen lassen, die bis in den westlichen Pazifik ausgreifen. Sie bewirken damit ein Muster in der Atmosphäre, das die Passatwinde stärkt. Sie erinnern sich vielleicht noch an unsere Erklärung für das ENSO- Muster im Jahre 2014? Stärkerer Passat bewirkt mehr Nachströmen von kühlem Tiefenwasser im Osten des Pazifiks, Stichwort „Humboldtstrom“. Eine Erwärmung des Indopazifischen Warmpools durch Antriebe des Klimas  (seit 1949 auch sehr viel anthropogenes Forcing) bewirkt am Ende auch eine Kühlung des gesamten Klimasystems. In einer Vorgängerarbeit vom Februar 2019 erläuterten es die gleichen Autoren mit einem schematischen Modell:

Abb.4: Die Erwärmung des Indischen Ozeans (links unten) koppelt auf die Troposphäre darüber, die westlichen Oberflächenwinde reagieren mit einer Intensivierung über dem tropischen Pazifik und das wiederum führt zu einer Ankurbelung des Tiefenwasseraustauschs (rechts unten), das hat eine verstärkte Förderung von kühlem Tiefenwasser („Upwelling“) an die Oberfläche zur Folge. Quelle: Abb.1a aus Zhang et al (2019a).

Zhang et al (2019b) formulieren:

„Subsequently, the greater Indian Ocean warming further reduces the Pacific positive SSTA. Hence, this is an interbasin thermostat mechanism.“

Alles in allem kann man es auch ein waschechtes negatives Feedback in unserem Klimasystem nennen, nämlich eine kühlende Antwort auf wärmende Antriebe und umgekehrt. Namensvorschlag: „UF“ für „Upwelling Feedback“. Dieses Feedback wird in Modellen nicht abgebildet. Sie zeigen stattdessen eine gleichmäßige Antwort der SST in beiden Bassins.

Abb. 5: Die Erwärmungstrends 1920-2013 oben beobachtet, unten in den CMIP5-Modellen. Quelle: Abb.1a und d aus Zhang et al (2019b). Der Indische Ozean erwärmt sich deutlich stärker in der realen Welt, der Ostpazifik deutlich weniger als in der Modellwelt.

Die Modelle können daher den Mechanismus der Kühlung nicht erfassen, das negative Feedback wird nicht generiert und findet so natürlich keinen Eingang in die modellierte Antwort der globalen Temperaturen auf  Antriebe. Wir berichteten immer wieder über Diskrepanzen in der Empfindlichkeit gegenüber anthropogenen Antrieben zwischen empirischen Erhebungen  und den modellierten Werten, wie auch Lewis/Curry (2018). Alle aus Beobachtungen gewonnen Werte zeigen weniger kommende Erwärmung an, als das Modelle tun. Das ist kein Wunder. Man sollte nicht meinen, die Beobachtungen seien falsch oder lieferten zu niedrige Werte durch die Muster der Erwärmung. Nein, diese kühlenden Muster sind Ergebnis des Antriebes selbst und das erfassen bisherige Modelle nicht. Sie laufen zu heiß. Man wird die Modelle verbessern müssen. Wer sich auf die vorhandenen verlässt, rechnet mit zu viel Erwärmung und kommt zu fehlerhaften Konsequenzen. So einfach ist das.  

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