Der MDR erteilt Windkraft die Absolution

In einem Artikel des Senders MDR werden sämtliche Kritikpunkte an Windkraftanlagen mal eben unter den Teppich gekehrt. Es wird dort u. a. aus einer Studie zum Thema Vogelgefährdung durch Windkraftanlagen zitiert, allerdings scheint dem Verfasser des Artikels, Thomas Becker, nicht ganz klar gewesen zu sein, was er da schreibt.

“51 Forscher aus 15 Ländern, darunter Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz, haben die Gebiete ermittelt, in denen es wirklich gefährlich werden kann für Vögel. Hier geht es um Windkraftanlagen und Stromleitungen gleichermaßen. Basis sind die GPS-Daten von 1.454 Vögeln aus 27 Arten, wobei der Löffler, der Uhu, der Singschwan, der iberische Kaiseradler und der Weißstorch zu den Arten gehören, die durchweg in den Höhen fliegen, in denen ein Kollisionsrisiko besteht.

Die Gefährdungskarten zeigen, dass das Problem vor allem auf wichtigen Zugrouten entlang der Küsten und in der Nähe von Brutplätzen besteht. Die da wären in Europa: Die westliche Mittelmeerküste Frankreichs, Südspanien, Ostrumänien und die deutsche Ostseeküste. In diesen hochsensiblen Gebieten sollte der Bau neuer Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen auf ein Minimum beschränkt werden, so die Wissenschaftler.”

Becker zieht bemerkenswerte Schlüsse, denn einer der deutschen Hotspots ist die deutsche Ostseeküste. Dort sollen in Zukunft allerdings viele neue Windkraftanlagen entstehen. Die Ostsee ist auch deshalb bedeutend, weil über sie ein Großteil des Vogelzugs nach Skandinavien geht. Was auch in der gleichen Studie steht, das zeigte ein Artikel aus dem Frühjahr 2022 in Scinexx.de. Becker hat einige Schlüsse eindeutig nicht gezogen, warum auch immer.

“Die neuen Karten geben auch Aufschluss, wo schon jetzt akute Gefahr droht. Sie umfassen die Flächen, in denen die Vogelzugrouten mit einer hohen Dichte von Windanlagen oder Hochspannungsleitungen zusammentreffen. „Diese Gefahrenzonen sind nicht gleichmäßig im Studiengebiet verteilt: Nur fünf Länder machen zusammen 50,5 Prozent der Hochrisikoflächen aus“, berichten die Forschenden. Dazu gehören Deutschland, Spanien, Frankreich, die Türkei und Polen.

„Die hohe Kollisionsgefahr in Mitteleuropa lässt sich primär auf die hohe Dichte von Windturbinen zurückführen“, erklärt das Team. „Allein Deutschland umfasst 55,2 Prozent aller Gitternetzzellen mit hohem Risiko furch Windturbinen.“ Bei Ländern wie Spanien und der Türkei geht ein Großteil des Risikos darauf zurück, dass die Vogelzugrouten dort Engstellen aufweisen, in denen sich viele Vögel auf engsten Raum konzentrieren.”

Deutschland insgesamt (!) ist nach der Studie also ein Hotspot mit beträchtlichem Anteil am hohen Risiko für Vögel. Die Zahlen der Studie sind da sehr eindeutig und Scinexx gibt es einige sehr aussagekräftige Karten zu dem Thema. Becker macht daraus aber: Aber die Vögel? – Da wird niemand geschreddert! Das wird aber nicht einmal in Anführungsstriche gesetzt, somit soll es wohl eine Aussage sein. Außerdem kommen die berühmten Katzen ins Spiel, dabei spielen die für Greifvögel und deren Bestand keinerlei Relevanz. Warum er diesen wirren Äpfel/Birnen-Vergleich dennoch bringt, wird sein Geheimnis bleiben.

Das ist also kein Faktencheck, als der er beschrieben ist, sondern eine Sympathiebekundung für Windkraft, bei der ein Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders offenbar wenig Lust auf Recherche hatte. Heraus kommt dabei eine eigenwillige Umdeutung einer Studie. Vielleicht wurde sie aber auch schlicht nicht verstanden.

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Eine weitere Video-Empfehlung aus der Reihe von Vorträgen aus dem 4pi-Sympossium, das im September 2022 stattfand. Prof. Dr. Thomas Peter (ETH Zürich). Peter spricht auch Unsicherheiten verschiedener Klimamodelle an und deren Abgleich mit der Realität. Das passiert sehr unaufgeregt, ist aber dennoch sehr spannend.

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Und noch ein Videotipp, diesmal von 3Sat.

“Wie holen wir das Kohlendioxid wieder aus der Luft?”

So lautet der Titel einer Sendung dort. Ein Aspekt dabei ist Plastikmüll.

“Unsere Erde versinkt im Plastikmüll, Meere und Böden sind mit Plastikteilen verschmutzt, und längst landet Mikroplastik auch in unserer Nahrungskette. Die Müllmassen zeigen, dass das bisherige Recycling offenbar nicht ausreichend funktioniert. Aber wo hakt es?

Und wie könnten neue Lösungen aussehen? Jacob macht sich auf die Suche nach Antworten und stößt dabei auf überraschende Lösungsansätze. Seine Reise führt ihn zu einer der größten Recyclinganlagen Europas, er experimentiert mit Mehlwürmern und plastikfressenden Enzymen und besucht ein Unternehmen, das Bioplastik aus „flüssigem Holz“ herstellt. Können diese innovativen Methoden ein Schlüssel sein, um die Plastikflut zu bekämpfen?”

Die Sendung ist noch bis 20.10.2023 in der 3Sat-Mediathek zu sehen.

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Die riskante Wette der Bundesregierung. Die FAZ vergleicht in einem Kommentar das Thema Energie mit dem Bau einer neuen Brücke.

“Wenn in Deutschland irgendwo eine Brücke ersetzt werden soll, passiert immer das Gleiche: Das Land wird vermessen, Baumaschinen rücken an, die Arbeit beginnt. Sie kann Monate dauern oder Jahre, das ist alles überhaupt nicht wichtig. Denn der Verkehr läuft währenddessen über die alte Brücke weiter. Die wird erst abgerissen, wenn die neue fertig ist. Solange geht das Leben seinen gewohnten Gang, und darauf kommt es für den Bürger an. Kein Politiker käme auf die Idee, es andersherum zu machen, also das alte Bauwerk abzureißen, bevor das neue steht. Schon gar nicht käme er auf die Idee zu sagen, dass sich niemand Sorgen machen müsse, die neue Brücke werde auf jeden Fall vor dem nächsten Winter fertig sein. Und doch passiert in Deutschland gerade genau das, bei der Energie. Die Ampel hat sich für folgenden Weg bei der Kernenergie entschieden: Die drei noch verbliebenen Kraftwerke sollen bis Mitte April weiterlaufen, damit in diesem Winter genug Strom da ist.”

Der Kommentator fragt sich, warum Kanzler Scholz nicht gleich auf Nummer sicher gegangen ist:

“Und wenn Scholz schon ein Machtwort spricht, warum dann nicht gleich ein richtiges? Dafür hätte es keinen Wiedereinstieg in die Kernenergie gebraucht. Es hätte gereicht, wenn Scholz Brennelemente bestellt hätte. Die kann man einlagern und rausholen, falls sie gebraucht werden. Andernfalls verkauft man sie halt wieder.

Es könnte sein, dass die Wette der Bundesregierung aufgeht. Es könnte sein, dass im nächsten Winter genug Gas da ist, günstiges noch dazu. Aber es bleibt eine Wette. Und was passiert, wenn sie schiefgeht, will man sich nicht ausmalen.”

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Leserpost von Harald Schierle:

Betreff: Aust‘scher Dreisatz

Für 3,5 % unseres Gesamtenergiebedarfs brauche ich 30.000 Windmühlen, wie viele brauche ich für 100%? Diesen einfachen Dreisatz verwende ich im Gespräch mit Energielaien seit Jahren. Wohlwissend und darauf hinweisend, dass das nur eine erste Näherungsrechnung oder auch eine Milchmädchenrechnung ist. Es zeigt aber plastisch die Absurdität der Hoffnung, unsere Energieprobleme mit den Erneuerbaren lösen zu können. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass die moderneren und produktiveren Anlagen wegen ihrer Höhe deutlich mehr Flächenbedarf als die alten Mühlen haben und auch darauf verweist, dass die Standorte zwangsläufig immer schlechter werden, weil die guten Plätze weitgehend belegt sind, dann ist der Aust‘sche Dreisatz ein legitimes Argument in der politischen Auseinandersetzung. Deshalb die panische Reaktion von Rahmstorf: solche Vorträge wie der von Aust wären ein probates Mittel, um den Informationsstand der Bevölkerung deutlich anzuheben, das gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.

Erfahrungsgemäß kann man vielen Leuten, die diffiziles Rechnen nicht gewohnt sind, das ökonomische Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen ganz gut näher bringen. Viele verstehen auch relativ schnell die Tatsache der in der dritten Potenz erfolgenden Abnahme des Stromertrags bei geringerem Winddruck. Das dann noch in Verbindung mit der Windkarte  auf der homepage des DWD erklärt ganz gut die Zurückhaltung des Schwaben Kretschmann (die können bekanntlich ja  gut rechnen ) beim Aufstellen von Windrädern. Da der Winddruck in Bayern und BW grob gerechnet nur halb so groß ist wie an der Nordseeküste  und daher der Stromertrag des gleichen Windrads im Süden nur 1/8 des Ertrags in SH beträgt, werden sich im Süden Investoren nur mit extremsten Subventionen finden lassen.

Also in Talk Shows mehr Aust und weniger Göring-Eckardt wäre ein guter Beitrag zur Volksbildung in Energiefragen.

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