Wer ist Schuld am Kältewinter? MPI-Studie weist eher auf die schwache Sonne anstatt des arktischen Meereises hin. Die Sonne im März 2013

Von Frank Bosse

Die Sonne im März – und wieder eine Story ohne Performance. Die Sonnenfleckenzahl (SSN) betrug nach den offiziellen Zählungen der SIDC  57,9. Auch im vergangenen Monat war die Nordhemisphäre der Sonne etwas aktiver als die Südhalbkugel, 32,6 zu 25,3. Im Verhältnis zum ersten Zyklus des Daltonminimums (Solar Cycle, SC5) und zu einem mittleren Zyklus aus den monatlichen Zahlen von SC1-SC23 können wir den Fortschritt des aktuellen SC24 gut grafisch einschätzen:

War der seit Dezember 2008 laufende SC24 zwischen dem 13. und 45. Monat noch deutlich aktiver als SC5, so sehen wir in den letzten 6 Monaten eine ausgeprägte Ähnlichkeit. Sollte der Spike im November 2011 mit SSN =96,7 tatsächlich schon der Monat mit der Maximalzahl gewesen sein? Bis zum März war die Sonne nur zu 44% aktiv wie im Mittel. In jedem Unternehmen würde sie als „Underperformer“ unter Beobachtung stehen!

Im Vergleich der einzelnen Zyklen seit 1749 wird klar, wie sehr sich die Aktivität seit den Zeiten hoher Aktivität ab 1954 (dem Beginn des bisher stärksten Zyklus SC 19) abgeschwächt hat:

Die Korrektur der Zyklen vor 1880 durch die Unstetigkeit in der Zählweise in 1945 („Waldmeier Diskontinuität“) wurde nach Rücksprache mit Leif Svalgaard, der diesen Sachverhalt entdeckte, nochmals angepasst. Daher sieht die Grafik in diesem Sonnenreport leicht anders aus als in bisherigen Ausgaben. Die Grundaussage änderte sich jedoch nicht: Was wir miterleben, ist eine extrem „lazy sun“ wenn wir den Zeitraum ab 1833 nach dem SC7 als Basis benutzen.

Was wir aktuell hinter uns haben (hoffentlich) ist ein doch recht unterkühlter Winter in Europa und den USA. Die Ursachen wurden in den Medien oft diskutiert, meist wurde das schwindende Arktiseis verantwortlich gemacht. Das hat seit 2007 besonders in den Monaten August-Oktober Federn lassen müssen: Die Anomalie der eisbedeckten Fläche erreichte im Mittel besonders ab 2007 entsprechend der Daten des NSIDC hohe Werte:

 

Im eigentlichen Hochwinter, vor allem ab Januar, sind die Abweichungen prozentual und auch absolut eher gering. Die Kälte schlug jedoch wie noch gut erinnerlich vor allem im März zu.

 

Globale Temperaturverteilung im März 2013. Quelle: UAH

 

Wie können die zur Verantwortung gezogenen veränderten Strömungen in der Troposphäre im März durch die hohen Eisverluste in der Arktis bis vergangenen November erklärt werden? Vielleicht durch mehr/früheren Schnee in Sibirien? Ein Blick auf die Daten verrät: Die Schneebedeckung dort unterscheidet sich praktisch nicht von den Vorjahren.

Könnte vielleicht die Sonne…?? Eine Arbeit aus dem Jahre 2010 (Lockwood et al.) stellte die Frage, ob kalte europäische Winter mit einer schwacher Sonne erklärt werden könnten und antwortete: Ja, durchaus. An der Studie war auch Sami Solanki vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg bei Göttingen beteiligt. Ein möglicher Mechanismus: Während die Gesamtstrahlung der Sonne (TSI) sich nur marginal während schwacher Sonnenphasen ändert, wird die solare UV-Strahlung viel stärker reduziert, nämlich um etwa 5-7%. Das beeinflusst vor allem die Stratosphäre und die hat Einfluss auf die nordatlantische Oszillation (NAO). Gemeint ist damit die „Druckschaukel“ zwischen dem (berühmt berüchtigtem) Islandtief und dem Azorenhoch. Sind beide stark ausgeprägt (positive NAO) wird unser Winterwetter durch den warmen Atlantik geprägt. Sind sie schwächer oder gar „verkehrt herum“ (negative NAO) angeordnet, kommt Europa in den „Genuss“ von kalter Luft aus dem Nordosten. Genau das passierte im März 2013 und zwar sehr langanhaltend. Der blaue Fleck im Bild oben spricht Bände, die gesamte Temperaturverteilung der nördlichen Extratropen auch mit wärmeren Flächen bei Grönland und Ostkanada ist ein Schulbeispiel für die Wirkung einer langen NAO-negativ Phase. So wie es Lockwood et al.  vorhersagten, könnte mit recht hoher Wahrscheinlichkeit die schwache Sonne für die kälteren Winter der letzten Jahre verantwortlich zeichnen. Im Bild sind die Wintertemperaturen Mitteleuropas und die geglättete NAO gezeigt.

 

Ein Blick in die Zukunft sei gestattet: Bei weiter anhaltender Sonnenschwäche werden wir auch immer wieder kältere Winter erwarten müssen. Und wie geht es weiter in den nächsten Jahrzehnten mit der Sonne? Eine Arbeit  von Steinhilber und Beer hierzu erschien ganz frisch in 2013. Die Autoren versuchen eine Vorschau auf die nächsten 500 Jahre Sonnenaktivität zu geben und nutzten hierfür ein Modell, das sie mit historischen Daten validierten. Steinhilber und Beer rechnen mit einem starken Abfall der Aktivität bis 2100, verbunden mit einem Abfall der Gesamtstrahlung um ca. 0,7 W/qm. Was man auch sieht: um 2000 war ein Gipfel der Aktivität, der in den vergangenen 350 Jahren einzigartig ist und womöglich bis 2500 auch nicht mehr zu verzeichnen sein wird. Für Europa gilt also weiterhin: Die Heizkosten im Winter werden wohl nicht geringer. Und Schuld daran hat wohl die kalte Sonne.

 

Vorhersage der Sonnenaktivität fr die kommenden 500 Jahre. Abbildung 4 aus Steinhilber und Beer 2013. Die zwei verschiedenen Grauschattierungen entsprechen zwei unterschiedlichen Modellen.

 

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