Wer ist Rajendra Pachauri?

Der Weltklimarat (IPCC) ist eine unparteiische UNO-Organisation, die mit der Aufgabe betraut wurde, in regelmäßigen Abständen eine unabhängige Prüfung der wissenschaftlichen Grundlagen zum Klimawandel durchzuführen. In der Funktion eines Schiedsrichters soll die Organisation die breite Palette der Forschungsergebnisse auswerten und aus der Vielzahl der wissenschaftlichen Resultate das klimatische Möglichkeitsspektrum darstellen. Die Leitung eines solchen Klimarats erfordert eine große Portion Sachkenntnis und noch sehr viel mehr Fingerspitzengefühl, geht es doch um ein gesellschaftspolitisch hochsensibles Thema.

Im Jahr 2002 wurde der Inder Rajendra Pachauri zum neuen Vorsitzenden des IPCC ernannt, der auch heute noch dieses wichtige Klimagremium leitet. Unklar ist, was den heute 72 jährigen Pachauri für die Aufgabe damals empfahl. Als studierter Ökonom und Eisenbahningenieur konnte Pachauri keinerlei fachliche Kenntnisse in die Position mitbringen. Trotzdem betiteln Teile der internationalen Presse Pachauri immer wieder als „den weltweit einflussreichsten Klimawissenschaftler“ oder als „führenden Forscher des Klimawandels“. Nur den wenigsten Lesern ist dabei bekannt, dass sich Pachauris Klima-Wissen wohl eher auf die Technik von Klimaanlagen in Schnellzügen beschränkt.

Wie steht es nun um Pachauris Schiedsrichterqualitäten? Ermöglichte ihm die Fachfremdheit eventuell einen nüchterneren Blick auf die Thematik, was eine Vermittlung zwischen den Anhängern der Klimakatastrophe und den Klimarealisten befördern könnte? Im Juli 2012 machte Pachauri in einem Interview seinen Standpunkt diesbezüglich ziemlich deutlich. Interessanterweise sieht der Leiter des IPCC in der Schaffung einer „neuen Form des Aktivismus“ den einzigen Ausweg zur Lösung des Klimaproblems. Dabei sollen zögernde Regierungen übergangen werden und dafür eine globale Klimabewegung der Volksmassen das Zepter übernehmen. Inwieweit dieser radikale Ansatz mit Pachauris Schiedsrichterfunktion beim IPCC vereinbar ist, bleibt sein Geheimnis. Zweifellos ist der Weltklimarat unter Pachauris Führung von einer wissenschaftlichen Organisation zu einer politischen Lobbygruppe mutiert.

Das fragwürdige Treiben innerhalb der IPCC-Organisation blieb nicht ohne Folgen. Erstmals in der Geschichte der großen Klimakonferenzen fand die Veranstaltung in Doha Ende 2012 ohne den IPCC statt. Pachauri erhielt von den Veranstaltern schichtweg keine Einladung. Der Gulf Times erklärte Pachauri verblüfft, er könne sich nicht erklären, warum der IPCC nicht zur COP18 eingeladen wurde. Pachauri: „Ich weiß nicht, was es ist. Der Exekutivsekretär des Klimawandel-Sekretariat hat zu entscheiden“.

Als wäre nichts gewesen, fährt Pachauri seinen fragwürdigen Kurs einfach weiter. Im Januar 2013 organisierte der IPCC-Chef in Indien einen Nachhaltigkeits-Gipfel, bei dem der World Wildlife Fund (WWF) als Sponsor fungierte. Offenbar scheint es Pachauri nichts auszumachen, Gelder von grünen Aktivistenorganisationen anzunehmen. Wie verträgt sich dies mit der in seiner IPCC-Position notwendigen Unabhängigkeit? Ein Jahr zuvor hatte Pachauri – Angehöriger einer hohen indischen Kaste – bereits seiner Ehrung mit dem Grünen Kreuzritter-Orden (Green Crusader Award) bereitwillig zugestimmt und damit seine Nähe zum Klimaaktivismus offen zur Schau gestellt. Mitte 2012 berief zudem der damalige kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger den IPCC-Vorsitzenden ins Beratungsgremium eines neugeschaffenen grünen „Think Tanks“.

 

Voodoo-Wissenschaft

Bei all diesen Ehrungen und Kooperationen sah man großzügig über eine peinliche Episode hinweg, bei der Pachauri alles andere als eine gute Figur abgegeben hatte. Anfang 2010 stellte sich nämlich heraus, dass im letzten Bericht des IPCC das Abschmelzen der Himalaya-Gletscher drastisch übertrieben dargestellt war. Durch schlampige Recherche und mangelnde Qualitätsprüfung vorverlegte die Pachauri-Mannschaft die große Himalaya-Schmelze um satte 300 Jahre, eine peinliche Panne, wie sich später herausstellte. Aufgedeckt hatte den Fehler ein führender indischer Glaziologe, Vijay Raina, der seinen Befund in einem offiziellen Bericht bekanntgab. Als Pachauri jedoch davon Wind bekam, ließ er Raina böse auflaufen und qualifizierte dessen Arbeit vorschnell als „Voodoo Wissenschaft“ und gegenstandslos ab. Später musste Pachauri den Fehler jedoch kleinlaut einräumen, verweigerte jedoch Vijay Raina eine Entschuldigung, da er den Gletschertext ja nicht selber geschrieben hätte, sagte er, und er daher selber schuldlos wäre. Ein Mann mit guten Manieren und ausgezeichneten Fähigkeiten im Krisenmanagement. Die indische Regierung war stocksauer. Etliche Wissenschaftler, Journalisten und Politiker forderten Pachauri daraufhin zum Rücktritt auf. Jener hingegen blieb standhaft und klammerte sich krampfhaft an seinen geliebten Posten. Der IPCC stürzte hierdurch in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise, was dem Vorsitzenden jedoch offenbar herzlich egal war. Zur gleichen Zeit wehrte sich Pachauri auch gegen den Vorwurf, er würde Eintausend-Dollar Anzüge tragen und einen aufwendigen Lebensstil führen. Pachauri: „It’s ridiculous and it’s a bunch of lies.“

Immerhin räumte der IPCC-Vorsitzende im Februar 2013 schließlich ein, dass es seit nunmehr 17 Jahren nicht mehr wärmer geworden ist und die globale Erwärmung momentan pausiert. Damit verlor der deutsche Klimaforscher und Klimaaktivist Stefan Rahmstorf einen seiner letzten Unterstützer. In der Neuen Osnabrücker Zeitung hatte Rahmstorf im November 2011 noch trotzig erklärt:

„Die Erderwärmung schreitet weltweit ungebremst fort. Die Temperatur steigt zwischen 0,16 und 0,18 Grad Celsius pro Jahrzehnt.“

Offenbar nicht umsonst ist Rahmstorf im neuen Klimabericht nicht mehr als Autor mit dabei. Ungeklärt bleibt weiterhin auch, warum Rahmstorfs Klimakurven eklatant von denjenigen des IPCC abweichen (siehe unseren Blogbeitrag „Rätsel Rahmstorf“).

Möglicherweise im Nachklang zur indischen Himalayaaffäre musste Pachauri im Januar 2011 dem indischen Umweltminister versprechen, im neuen Klimabericht die Rolle der Sonne als Klimasteuerungsfaktor sowie die kosmische Strahlung als Verstärker-Effekt zu einem Hauptthema zu machen. Vermutlich ebenfalls aus taktischen Gründen erklärte Pachauri im Februar 2013, dass er die öffentliche kontroverse Diskussion zu Fragen des Klimawandels begrüße und eine solche Debatte integraler Bestandteil der Wissenschaft sei.

Noch einen Monat zuvor hatte der Weltklimaratsvorsitzende jedoch ganz andere Töne anklingen lassen, als er die Medien dazu aufforderte, klimaskeptische Stimmen nicht zu Wort kommen zu lassen. Ähnlich undurchsichtig ist, dass sich Pachauri öffentlich als ewigen Optimisten bezeichnet, zur gleichen Zeit aber als eifriger Unterstützer der schlimmsten Klimaapokalypse-Visionen auftritt. Was hält Pachauri nun eigentlich wirklich von den lästigen Klimaskeptikern? Im Jahr 2010 hat er es einmal aus Versehen verraten:

„Ich möchte nicht persönlich werden, aber man muss sich ja nur mal den Hintergrund dieser Leute anschauen. Dies sind Leute, die den Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs abstreiten. Dies sind dieselben Leute, die erklären, Asbest wäre ungefährlich wie Talkpuder – ich hoffe, dass sie es jeden Tag auf ihr Gesicht auftragen. Und dies sind die gleichen Leute, die den einzigen Ausweg aus der Aidskrise darin sehen, die Bevölkerung regelmäßig durchzuchecken und die Infizierten räumlich zu isolieren.“

Eine höchst interessante Charakterisierung der wissenschaftlich andersdenkenden Seite, die allerdings mehr über Eisenbahningenieur Pachauri selbst als über die Klimaskeptiker aussagt. Sind es vielleicht mutwillige Bemerkungen und simplistische Gedanken wie diese, die Pachauri zur Überzeugung gelangen ließen, dass „zahlreiche Leute draußen herumlaufen, die mich am liebsten abknallen würden“?

In anderen Momenten zeigte Rajendra Pachauri jedoch ungeahnte Einsicht. Mitte 2012 erkannte der IPCC-Chef doch tatsächlich: “Die Leute sind in Wirklichkeit mit anderen Problemen beschäftigt“, weniger mit der Klimakatastrophe. Als in Pachauris Heimat Indien mal wieder hunderte von Millionen Menschen durch einen Blackout ohne Strom dastanden, weil das Netz durch hohe Nachfrage einfach überlastet war, sagte der ehemalige Eisenbahner etwas ganz Bemerkenswertes, was nachdenklich stimmen sollte:

„Können Sie sich 400 Millionen Menschen vorstellen, die keine Glühbirne zuhause haben? Sie können in einer Demokratie die Realitäten nicht so einfach ignorieren. Und wenn man die enormen Kohlevorräte von Indien betrachtet, dann muss man einsehen, dass wir gar keine andere Möglichkeit haben, als diese auch zu nutzen.“

 

Interessenskonflikte?

Pachauri bekommt vom IPCC für seine Tätigkeit außer Reisespesen kein Gehalt. Er übt also eine Art Ehrenamt aus. Mit 72 Jahren muss er eigentlich auch keinem Hauptberuf mehr nachgehen. Dennoch ist Pachauri noch immer Direktor seines TERI-Instituts („The Energy and Resources Institute“). Das TERI ist eine Non-Profit-Organisation, die jedoch vielfältige Verflechtungen mit der Wirtschaft aufweist, ebenso wie Pachauri selbst. Roger Pielke Jr. wies in zwei Artikeln 2009/2010 auf eine Reihe von interessanten Aktivitäten Pachauris hin, die er parallel zu seiner IPCC-Tätigkeit ausübte:

Im Jahr 2007 wurde Pachauri in das Beratergremium einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft in San Francisco aufgenommen, die sich auf „nachhaltige Technologien“ spezialisiert hatte. Pachauris Aufgabe war offenbar, dem Fonds Zugang, Ruf und Industriekontakte auf höchstem Niveau zu verschaffen.

Im Jahr 2008 beriet Pachauri die Credit Suisse Bank und die Rockefeller Foundation zu erneuerbaren und nachhaltigen Energien. Er wurde weiterhin in den Vorstand der Nordic Glitnir Bank aufgenommen, als diese den Sustainable Future Fund aufsetzte und hierzu 4 Milliarden Pfund auf dem Markt einwerben wollte. Pachauri beteiligte sich ebenso an der Leitung des Indochina Sustainable Infrastructure Fund, dessen Vorstandsvorsitzender bei Investoren 100 Milliarden Pfund akquirieren wollte. Desweiteren wurde Pachauri Direktor des International Risk Governance Council in Genf, der von zwei der größten europäischen Elektrizitätsversorger – E.On und EDF – ins Leben gerufen wurde, um auf dem Sektor „Bio-Energie“ tätig zu werden.

Im Jahr 2009 wurde Pachauri zum strategischen Berater des New Yorker Investment Fonds Pegasus. Außerdem hatte der IPCC-Chef in jenem Jahr den Vorsitz des Beratungsausschusses der Asian Development Bank inne, die stark im CDM-Klimazertifikatehandel (Clean Development Mechanism) engagiert war. Der Vorstandsvorsitzende dieser Bank sagte damals öffentlich, das Klimaabkommen in Kopenhagen wäre dringend notwendig, um einen Zusammenbruch des Klimazertifikatemarkts zu verhindern. Die Liste von Pachauris Posten ließe sich noch lange fortsetzen. Dabei tauchen Firmen wie die Deutsche Bank, Toyoto und die französische Eisenbahn sowie viele weitere auf. Interessierte Leser seien auf die beiden umfangreichen Übersichten von Roger Pielke Jr. verwiesen (2009/2010). Eine tabellarische Auflistung der Posten für 2008/2009 samt Honorarübersicht ist außerdem in einem KPMG-Bericht zu finden.

Die Honorare wurden dabei offenbar nicht an Ranjenda Pachauri persönlich gezahlt, sondern an sein TERI-Institut, das letztendlich hiervon profitierte. Die diversen Posten bekam Pachauri wohl vor allem aufgrund seiner prominenten und einflussreichen Stellung im Weltklimarat. Es ist weiterhin klar, dass eine solch enge Verflechtung mit der Wirtschaft für das Amt des obersten UNO-Klimaschiedsrichters nicht förderlich sein kann. Insbesondere die vielfältigen Interessen Pachauris im Bereich der grünen Energien und im Klimazertifikatehandel machen es für ihn schwer, fachliche Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Die britische Zeitung Daily Telegraph wagte es damals, Zweifel an Pachauris vielfältigen Verflechtungen zu formulieren. Daraufhin führte die Buchprüfungsgesellschaft KPMG eine umfassende Prüfung von Pachauris Einkünften durch und veröffentlichte im August 2010 einen abschließenden Prüfungsbericht. Darin entlastete KPMG Pachauri von jeglichem Vorwurf des Interessenkonflikts. Der Daily Telegraph entschuldigte sich daraufhin bei Pachauri. Im KPMG-Bericht findet sich jedoch ein interessanter Vorbehalt der Prüfung. Es hätte sich nicht um ein normales, vollständiges Audit gehandelt und die Prüfung kann daher nicht als detailliertes und vollumfänglich belastbares Audit angesehen werden.

Interessanterweise scheint es bereits im Jahr 1996, also mehrere Jahre vor Pachauris Einsetzung als IPCC-Chef, Anzeichen der indischen Justiz gegeben zu haben, dass es in Pachauris Non-Profit- TERI-Institut möglicherweise Probleme gab. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Pachauri offenbar in einem der reichsten Stadtteile Neu-Delhis lebt, nämlich in Golf Links. Das englischsprachige Wikipedia weiß über diesen Stadtteil zu berichten: 

Golf Links is a neighbourhood in New Delhi, India. It is very close to Khan Market, the most expensive market in India. It is one of the most expensive properties to buy in India, where the cheapest houses sell for millions of US dollars. It is considered one of the richest neighborhoods in India, and the name is inspired by the Delhi Golf Course nearby. […] In 2010-11, some properties were sold at an average price of $12 Million to certain ultra-wealthy families. These valuations have dramatically raised the profile of the locality and each household is worth at least US$ 15-25 Million.

Auf dem Höhepunkt der Pachauri-Krise Mitte 2010 schlugen dem IPCC die Wellen sogar aus den eigenen Reihen entgegen. Der sonst dem IPCC und der Klimakatastrophe stark zugeneigte Journalist Christopher Schrader forderte in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung nichts Geringeres als den sofortigen Rücktritt des IPCC-Vorsitzenden:

Der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, der Inder Rajendra Pachauri, ist seit Wochen scharfer Kritik ausgesetzt. Sein Gremium hat einen dummen Fehler gemacht: Der jüngste IPCC-Bericht von 2007 sagte ein Abschmelzen der Himalaya-Gletscher bis 2035 vorher. Die Angabe ist offensichtlich übertrieben und beruhte letztlich auf Hörensagen. Die Aufklärung dieses Lapsus hinterlässt viele Fragen, auch am Führungsstil des IPCC-Vorsitzenden Pachauri. Weil er auch in anderen Punkten in die Kritik geraten ist, wäre es für die Klimaforschung nun am besten, er träte zurück.

Den ehemaligen Eisenbahningenieur Pachauri kümmerte dies herzlich wenig. Er kämpfte wie ein Löwe um seinen IPCC-Posten und konnte überraschenderweise eine Absetzung vermeiden. Noch immer steht der schillernde Pachauri an der Spitze des Weltklimarats. Die Gründe für das eiserne Festhalten an seiner Position unter Inkaufnahme der Beschädigung des UNO-Weltklimagremiums kennt nur er selbst.

 

Foto oben rechts: Nick Sundt, U.S. Climate Change Science Program, U.S. Department of Commerce / Lizenz: gemeinfrei.
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