Vom Ende her denken

Vom Ende her denken. Das war einer der Lieblingssätze, die der Ex-Kanzlerin Merkel nachgesagt wurden. Eigentlich ist es nur die Fortführung dessen, was bereits in der „Gesta Romanorum“ des 14. Jahrhunderts stand:

Quidquid agis, prudenter agas et respice finem
Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende

Als vor mehr als 20 Jahren der US-Bundesstaat Kalifornien anfing und die Nutzung von Solarpanels massiv förderte, da war das Lebensende von Solarpanels in weiter Ferne. Warum sollte man sich Gedanken darüber machen, was in 20 oder 30 Jahren mit ihnen passieren soll. Ein Konzept zur Entsorgung nach dem Lebensende der Panels gab es nicht. 20 Jahre danach stellen sich daher ganz neue Situationen ein. Es gibt ein echtes Müllproblem und das dürfte in Zukunft sogar noch größer werden, weil in den USA Solarstromanlagen ähnlich wie in Deutschland massiv subventioniert wurden und werden. Das bedeutet, es wurde sehr viele Anlagen installiert und die erreichen irgendwann ihr Lebensende.

Die LA Times nimmt das Thema auf und es ist ernüchternd, was die Zeitung dabei herausgefunden hat. Gerade einmal 10% der Panels werden nämlich recycled. Man könnte auch sagen, 90% landen früher oder später auf dem Müll. “Die Industry gibt sich gerne Grün, am Ende geht es aber nur um das Geld”, zitiert das Blatt Sam Vanderhof, ein Solarexperte.

Das Problem ist aber nicht nur auf Kalifornien beschränkt, es betrifft die gesamten USA, ja eigentlich alle Länder, in denen Solarmodule im Einsatz sind. Ob die Anlagen später auf Mülldeponien auch gefährliche Substanzen in die Umwelt gelangen, ist noch nicht ausgemacht. Je nach Bauart können die Inhaltsstoffe differieren.

Eigentlich schließt sich damit aber ein Kreis, denn auch die Produktion von Solaranlagen, die vornehmlich in China produziert werden, ist aus Sicht der Umwelt sehr kritisch zu sehen. Billiger Strom aus Kohlekraftwerken und niedrige Umweltstandards in China sind schon mal ein schlechter Start in eine Technologie, die sich gern als nachhaltig sieht.

Klar ist auch, dass immer irgendjemand den Preis dafür bezahlt. In diesem Fall die Umwelt, und zwar bei der Gewinnung der Rohstoffe und der Produktion aber dann eben auch nach dem Lebensende der Anlagen, wenn diese dann auf Deponien entsorgt werden müssen, weil Recycling sich entweder nicht rechnet oder die Kapazitäten gar nicht vorhanden sind. Letztlich bezahlen Naturzerstörung aber alle Menschen.

Warum es auch 20 Jahre nach der Energiewende keine überzeugenden Konzepte gibt, das ist rätselhaft. Zwar existieren auch in Deutschland Unternehmen, die Module recyclen können, aber Zahlen, wie hoch der Anteil von wiederverwerteten Anlagen ist, gibt es nur spärlich. Mit der Zeit wird das Problem eher größer werden und es verschwindet auch nicht von allein. Es bleibt aber ein gutes Gefühl für alle, die auf Solar setzen, die Umwelt schützen wollen dabei allerdings besser die Augen bei Produktion und Entsorgung verschließen. Der Weg der Entsorgung ist übrigens nicht exklusiv für Photovoltaik. Die Bilder von WIndkraftflügeln, die einfach in einer Senke mit Erde überdeckt wurden, ging breit durch die Presse. Was werden wohl zukünftige Generationen sagen, wenn sie später einmal auf diese Überreste treffen, wenn man hier vom Ende her denkt?

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Die Energiestrategie der Schweiz sei Wunschdenken, sagt ein ETH-Forscher. Ein Artikel der NZZ beschreibt die Meinung des Wissenschaftlers Sornette.

“Dazu gehört zum einen, dass die Stromnachfrage bis 2050 um 37 Prozent wächst, weil die Menschen auf E-Autos umsteigen und fossile Heizungen durch Wärmepumpen ersetzen. Laut den Plänen soll zum anderen die Produktion von Solarstrom um den Faktor 20 steigen und so zu einem guten Teil die Produktion aus vier Kernkraftwerken ersetzen, die bis dahin abgestellt werden.

In einem dritten Schritt werden schliesslich die untersuchten Monate Januar und Juli 2017 ins Jahr 2050 übertragen, unter der Voraussetzung, dass die Energiestrategie umgesetzt wird. In ihren Berechnungen kommen die Forscher nun zum Schluss, dass der Schweiz im Januar 2050 ein enormes Stromdefizit droht. Nicht weniger als 69 Prozent der Elektrizität müssten in jenem Monat aus dem Rest Europas importiert werden. Das wären 6 Terawattstunden. Zum Vergleich: In den letzten Jahren hat die Schweiz im Schnitt über das Winterhalbjahr 4 Terawattstunden eingeführt. 2050 wäre es also allein im Januar das Anderthalbfache.”

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Die deutsche Energiewende kommt beim Economist nicht gut weg, ganz im Gegenteil. Im Focus können wir dazu lesen:

“Ein Beispiel ist Deutschlands bedauernswerte Abhängigkeit von russischen Brennstoffen. Diese entstand nicht nur, weil Putin Unternehmen und Politiker mit niedrigen Preisen lockte und so den russischen Anteil am deutschen Erdgasverbrauch in einer Zeitspanne von 20 Jahren von 30 % auf 55 % ansteigen ließ. Gleichzeitig wurden Beschlüsse gefasst, die die Energieversorgung aus anderen Quellen reduzierten. Neben zahlreichen Fällen derartiger Unvernunft ist das bekannteste Beispiel die Kernkraft.

Als im Jahr 2011 die japanischen Atomreaktoren in Fukushima von einem Tsunami getroffen wurden, reagierte die Regierung unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, indem sie die deutsche Atomstromkapazität praktisch über Nacht halbierte. Die letzten drei Kraftwerke sollten im Dezember 2022 abgeschaltet werden – ein Ziel, das angesichts der drohenden Stromknappheit erst jetzt in Frage gestellt wird. Im Gespräch ist nun ein Kompromiss, der die merkwürdige Lethargie im deutschen Politikbetrieb offenbart. Demnach sollen die Grünen ihr beharrliches Festhalten am Atomausstieg aufgeben, wenn ihre liberalen Koalitionspartner im Gegenzug alle Einwände gegenüber eines Tempolimits auf den Autobahnen fallen lassen.”

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Ein charmantes Format hat der Bayrische Rundfunk da. Experten sollen ein Thema erklären und haben dafür aber maximal 15 Minuten Zeit. Prof. Dr. Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mühlheim a.d. Ruhr erklärt chemische Batterien. Im Grund sind das Produkte, die man vorwiegend mit Strom (Katalyse) herstellen kann, die sich aber leichter lagern und transportieren lassen als Wasserstoff. Ammoniak oder Methanol wären Beispiele. Das Video ist noch bis zum 28.03.2027 on der ARD-Mediathek verfügbar.

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Die USA sind laut FAZ nun der weltweit größte Verkäufer von Flüssiggas LNG. Für die Gaspreise sind das allerdings keine guten Nachrichten. LNG ist deutlich teurer als Pipelinegas.

“Die Vereinigten Staaten sind nach eigener Darstellung inzwischen zum weltgrößten Exporteur von Flüssigerdgas (LNG) geworden. Die amerikanische Behörde Energy Information Administration (EIA) beruft sich auf Daten der Nichtregierungsorganisation Cedigaz. Demnach stiegen die amerikanischen Flüssiggasausfuhren in der ersten Jahreshälfte um zwölf Prozent auf durchschnittlich 11,2 Milliarden Kubikfuß pro Tag (bcfd) im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2021. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gingen etwa 71 Prozent dieser Exporte an die EU und Großbritannien.”

Dazu passt eine Nachricht beim Handelsblatt (Bezahlartikel). Wer hätte gedacht, dass LNG-Tanker nun der Flaschenhals sind? Die Preise für Neubauten verteuern sind extrem auch die Frachtraten haben sich um 50% erhöht. Auf Deutschland scheint niemand gewartet zu haben. Welch Überraschung.

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Beim Stern ist man offenbar froh, dass die Talksendung von Anne Will in die Sommerpause geht.

“Energiewende: Alle reden durcheinander und klar ist eigentlich nur, was nicht geht”

So lautete der Titel der letzten Sendung vom 24.07.2022.

“Einen guten Teil der Sendung verbringen die drei AmpelpolitikerInnen auf der einen und der oppositionelle Norbert Röttgen (CDU) auf der anderen Seite indes damit, sich gegenseitig und gern auch gleichzeitig Vorwürfe zu machen. Die einen betonen ständig, was die Regierungen Merkel alles versäumt hätte (etwa den Ausbau der Erneuerbaren Energien), der andere sagt ständig, dass noch gar nichts passiert sei, seit der Krieg ausbrach und treibt damit die Gegenseite zuverlässig zur Weißglut.

„Es gibt keine Einsparstrategie“, schimpft Röttgen, und dass ein halbes Jahr vertrödelt worden sei, während man sich sehenden Auges in eine selbstverschuldete Abhängigkeit von Russland begeben habe. „Wir haben vieles auf den Weg gebracht“, findet Nina Scheer. Und auch Herr Lambsdorff findet das, während er ein paar Gesetze mit ellenlangen Namen benennt, die da draußen kaum einer kennt.”

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Im Juli 2022 ist der Twitter-Account von Quark online gegangen. Mittlerweile hat er fast 24.000 Follower. Dort nimmt man sich die Kacheln vor, die das WDR-Magazin Quarks sonst so gern veröffentlicht. Das Thema Klima kommt natürlich auch vor.

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Diese Kacheln sind teilweise sehr absurd, dennoch scheinen einige sie für bare Münze zu nehmen. So wird die Zahl der verringerten Affenpockenfällen bei verschiedenen Tempolimits im Quarks-Stil berechnet – mit den entsprechenden Empörungen darunter.

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Alex Reichmuth im Nebelspalter:

Stromversorgung

Dunkelflauten: Schlimmer als angenommen

Bei einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung müssen Phasen mit zu wenig Sonnen- und Windstrom überbrückt werden, die bis zu zwölf Wochen dauern. Das ist das ernüchternde Resultat einer Studie von Staffan Qvist (London) und Oliver Ruhnau (Berlin) zur Länge und Bedeutung sogenannter Dunkelflauten. Beide Forscher sind Spezialisten

für Energiesysteme. Die Studie ist kürzlich im Fachblatt «Environmental Research Letters» erschienen (siehe hier). Damit die Lichter während solcher Phasen nicht ausgehen, müssen Energiespeicher bereitstehen, die bis zu zehn Prozent des jährlichen Stromverbrauchs aufnehmen können. Das sind gewaltige Dimensionen. Während Dunkelflauten entsteht wegen Dunkelheit (oder schlechtem Wetter) kein Sonnenstrom und wegen Flaute kein Windstrom. Dunkelflauten sind die Achillesferse der angestrebten ökologischen Energiewende.

Weiterlesen im Nebelspalter

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Leserpost von Paul Schwedtke:

Guten Tag, liebe Redaktion,

belgische Kernkraftwerke laufen – mit dem Segen der Grünen – 10 Jahre länger. Man hat dort kapiert, in welcher Situation Europa ist. Warum dauert hier der Denkprozess an?  Der Ausweg aus dieser Klemme scheint den Grünen nun leicht zu fallen: Wir verlängern die zweite Prüfung über die Jahreswende.  In Deutschland bemerkt diesen „genialen“ Schachzug sicher niemand.

Schöne Tage durch die Sommerwoche wünscht Paul Schwedtke

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