Spektrum der Wissenschaft: Klimagefahr durch auftauenden Permafrostboden wurde überschätzt

Immer wieder tauchen in der Klimadiskussion die Permafrostböden auf, deren allmählicher Rückgang im Zuge der Erderwärmung einige Zeitgenossen zu apokalyptischen Visionen inspirierte. Permafrostböden sind ab einer gewissen Tiefe das ganze Jahr hindurch gefroren. Sie bilden sich dort, wo die Jahresdurchschnittstemperatur −1 °C und der Jahresniederschlag 1000 Millimeter nicht übersteigt. Die großen Permafrostareale der Erde befinden sich in den arktischen und antarktischen Tundren, in großen Teilen der borealen Nadelwaldgebiete, aber auch in sämtlichen Gebieten, die die Voraussetzungen für Permafrost erfüllen, wie etwa Hochgebirge.

Ein schönes Beispiel für die Permafrostboden-Hysterie konnte man am 28. November 2012 in der Tageszeitung Die Welt bewundern:

Wenn Permafrostböden tauen, droht der Klima-Gau
UN-Experten warnen eindringlich vor Gefahr, die Folgen der auftauenden Dauerfrostböden weiter zu ignorieren: Durch die Schmelze heizen künftig riesige Mengen Kohlendioxid und Methangas dem Klima ein.

Natürlich war das ein schönes Thema, das auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) nur zu gerne befeuerte. Am 13. Februar 2013 brachte das Institut eine Pressemitteilung mit dem folgenden Titel:

Das Auftauen von Permafrost-Böden beschleunigt den Klimawandel – trotz mehr Pflanzenwachstum

Kritik an den klimatischen Katastrophenszenarien zum Permafrost war selbstverständlich unerwünscht. Der größte Teil der Presse spielte das Spiel lage Jahre mit und verbreitete ungefiltert die attraktiven populärwissenschaftlichen Gruselgeschichten. Umso größeren Respekt gebührt daher nun Spektrum der Wissenschaft, das sich in seiner März-Ausgabe 2015 mit der Thematik ausführlich und in kritischer Weise beschäftigt hat. Der Berliner Wissenschaftsjournalist Gert Lange beginnt seinen gut recherchierten 11-seitigen Artikel wie folgt:

Permafrost – die große Unbekannte im Klimawandel
Die Erderwärmung lässt dauerhaft gefrorene Böden in der Arktis tauen. Weil die dadurch freigesetzten Treibhausgase den Klimawandel beschleunigen, befürchteten manche Umweltschützer einen verhängnisvollen Teufelskreis. Genauere Untersuchungen in jüngster Zeit bestätigen zwar den Effekt, sprechen aber gegen eine drohende Katastrophe.

Keine Permafrost-Katastrophe! Eine gute Nachricht. In der Zusammenfassung zu seinem Beitrag schreibt Lange:

GEFAHR ÜBERSCHÄTZT?

1. Noch bis vor Kurzem geäußerte Warnungen vor einer drastischen Zunahme der Erderwärmung durch das Tauen von Permafrostböden beruhten auf qualitativen Überlegungen, groben Abschätzungen und punktuellen Beobachtungen.

2. Genauere Messungen aus den letzten Jahren, die insbesondere an einer deutsch-russischen Forschungsstation in Sibirien durchgeführt wurden, relativieren das Bild teils erheblich.

3. So sind weite Flächen der Permafrostböden seit dem Ende der letzten Eiszeit schon aufgetaut, und erhebliche Teile des enthaltenen organischen Kohlenstoffs wurden bereits bakteriell abgebaut und als Gas in die Atmosphäre freigesetzt.

4. Außerdem ist die sommerliche Auftauschicht, in der die Mikroben aktiv sind, trotz Erderwärmung nicht dicker geworden. Ob die Treibhausgasemissionen wesentlich zugenommen haben, erscheint deshalb fraglich.

5. Auch die bisherigen Versuche, diese Emissionen großräumig zu erfassen – was sehr schwierig ist –, ergaben keine dramatischen Steigerungen.

Lesen Sie den ganzen Artikel online in Spektrum der Wissenschaft (nur für Abonnenten). Das Einzelheft kann auch als pdf (€ 5,99) oder in Papierform (€ 8,20) bestellt werden. Die entsprechende Arbeit in Nature finden Sie hier.

 

Mit Dank an Hartmut Hüne für den Hinweis.
Siehe auch unsere Beiträge: "Ist der Permafrostboden in Gefahr? Vielleicht in ein paar tausend Jahren"), "Potsdamer Methan-Klimabombe erweist sich als Blindgänger: Karbonhaushalt in Tundra trotz Klimawandels stabil",  und "Wunder in der Arktis: Um schrumpfende Seen herum bildet sich neuer Permafrostboden".
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