Özden Terli und der Beißreflex

Der ZDF-Meteorologe Özden Terli war hier immer wieder Thema. Immer, wenn es darum geht Alarm zu schlagen, ist er zur Stelle. Wir haben ihm, so viel sei gesagt, bei unserem letzten Artikel tatsächlich Unrecht getan. Das Copernicus-Programm der Europäischen Wetterbehörde hatte zwei Grafiken zur Verfügung gestellt, eine auf der Webseite zum Download und eine in einer Pressemeldung. Diese unterschieden sich in der Farbigkeit. Die betreffende Meldung über den Unterschied wurde in diesem Blog korrigiert.

Eher nebenbei wiesen wir auf einen ziemlichen Bock in der ZDF-Grafik hin. Offenbar wurde die Grafik von Copernicus umgebaut. Im Original war die Legende horizontal unter der Grafik platziert, im ZDF in der Heute-Sendung war sie vertikal rechts zu sehen, allerdings zeitweise verdeckt durch den Moderator. Unten wäre sie weit besser zu sehen gewesen. Offenbar wurde auch übersehen, dass es sich bei der Originalgrafik um eine Legende mit nicht-linearer Skala handelt. Bei Copernicus fängt es mit 0,5 Grad Abweichung an, dann folgen die Stufen 1, 2, 3, 5, 7 Grad, siehe Abbildung. Diese Information ist wichtig – sie fehlt in der ZDF-Grafik komplett. Aber noch viel gravierender: Dunkelrot heißt in der ZDF-Ausgabe der Grafik plus 7 Grad Abweichung, dunkelblau allerdings auch! Ein blöder Flüchtigkeitsfehler der ZDF-Redaktion.

(Abbildung: Screenshot ZDF-Mediathek)

(Abbildung: Screenshot Copernicus Pressemeldung)

Die Geschichte geht aber weiter. Der Thwaites-Gletscher in der Antarktis war kurze Zeit später Thema eines kleinen Films, den Terli im ZDF präsentierte. In der Klimaschau Ausgabe 80 ging es ebenfalls um den Gletscher und um den Stand der Forschung mit Hinweisen zu Studien bei Nature.com, einer Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts sowie Informationen bei TheThwaitesglacier.org. Interessant war dabei der Aspekt der Erdwärme unter dem Eisstrom, wie ihn die Forscher vom Alfred-Wegener-Institut am 18.08.2021 aufgezeigt haben:

“Fachleute führen diese Veränderungen bislang auf den Klimawandel sowie auf die Tatsache zurück, dass der Gletscher vielerorts auf dem Meeresboden aufliegt und somit für warme Wassermassen erreichbar ist. Ein dritter, bislang vernachlässigter Einflussfaktor kommt nun hinzu. Wie deutsche und britische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer neuen Studie zeigen, steigt unter dem Gletscher auffallend viel Wärme aus dem Erdinneren auf und beeinflusst das Gleitverhalten der Eismassen vermutlich seit Jahrmillionen.”

In dem ZDF-Film fehlten diese Hinweise. Das Ziel des Videos war wohl auch ein anderes. Was aber danach kürzlich in erster Linie auf Twitter folgte, war ein bekanntes Schauspiel. Der Welt-Journalist Axel Bojanowski kritisierte die Alarmberichterstattung von Terli in einem Artikel. Er fasste den Stand der Forschung zum Thema Thwaites Gletscher bis hin zu Erkenntnissen aus dem letzten IPCC-Bericht zusammen. Er kommt dabei zu anderen Schlüssen und verweist auf die Unsicherheiten, die es nach wie vor gibt. Nichts anderes sagt der IPCC-Bericht.

Das war für Terli offensichtlich zu viel. Wer ihn kritisiert, der bekommt seinen geballten Zorn zu spüren. Er ließ seine Kettenhunde auf Twitter von der Leine, hatte aber selbst keine konkreten Kritikpunkte an dem Artikel, außer, dass Bojanowski Klimaleugner bediene und ohnehin keine Ahnung habe. Er nutzt auch gern schon mal Kraftausdrücke wie Bullshit.

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Sein Feindbild ist Springer bzw. die Welt (”Propaganda”), der Artikel wird kurz erwähnt (“lohnt nicht”), das war es dann aber auch schon mit der Kritik. Ob er den Artikel überhaupt gelesen hat? Der stand zunächst hinter einer Bezahlschranke, diese wurde dann aber entfernt, damit diejenigen, die sich lediglich schon beim Lesen der Überschrift empörten, die Hintergründe kennenlernen können. Bojanowski antwortet auf Twitter, nicht direkt, weil Terli ihn blockt:

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Inhaltlich müsste Terli dann ja auch Kritik am IPCC üben. Die schreiben über die Unsicherheiten, genau wie Bojanowski und wie das Alfred-Wegener-Institut. Forschung ist notwendig, aber nicht für Terli. Für ihn ist alles sonnenklar. Das Alfred-Wegener-Institut sieht aktuell noch Forschungsbedarf:

“Wie richtig die Wissenschaftler:innen mit ihren neuen Abschätzungen der Wärmeströme unter dem Thwaites-Gletscher liegen, werden sie in Kürze erfahren. Unter der Leitung britischer und US-amerikanischer Polarforschender wird derzeit ein großes internationales Forschungsprojekt auf dem Gletscher durchgeführt, an welchem auch das AWI beteiligt ist. Im Zuge dessen sind unter anderem Bohrungen bis zum Gletscherbett sowie dazugehörige Wärmestrom-Messungen geplant. Deren Ergebnisse werden die erste Möglichkeit sein, die neuen Wärmestrom-Karten aus der Westantarktis umfassend zu überprüfen.”

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Terli unterlässt inhaltliche Kritik aber tunlichst. Er wird seine Gründe haben. Auf das Terrain der Wissenschaftler mit sehr unterschiedlichen Thesen bewegt er sich besser nicht. Ad hominem funktioniert einfach besser. Bojanowski versucht einen Überblick zu geben, das ist in einem kurzen Video sicherlich schwerer darzustellen, aber zum ganzen Bild gehört es, alle Seiten zu betrachten, und nicht nur die, die besser zum eigenen Narrativ passt. So wie im Welt-Artikel:

“Noch aber sei die Situation des Thwaites „nicht alarmierend“, räumt die Gletscherforscherin Julia Wellner von der University of Houston ein. Das Schmelzwasser des Thwaites trägt 0,1 Millimeter zum Anstieg des Meeresspiegels von dreieinhalb Millimetern pro Jahr bei. „Das könnte sich aber ändern“, ergänzt Wellner. Von erheblichen Risiken hinsichtlich des Gletschers, aber auch von großem Unwissen schreibt der UN-Klimarat in seinem neuen Sachstandsbericht. In manchen Gebieten des Thwaites schmelze das Eis schneller, als es Computermodellen zufolge zu erwarten wäre, in manchen Gegenden langsamer.”


“Die Zukunft des Thwaites könnte sich am Meeresgrund vor der antarktischen Küste entscheiden. Dort findet sich hinter dem Eisschelf mehr als 600 Meter unter der Wasseroberfläche womöglich eine Schicksalslinie der Menschheit, die Aufsetzlinie des Thwaites: das Ende seiner Gletscherzunge. Sie liegt in einem tiefen Tal auf dem Meeresgrund, der zerklüftet ist wie ein Gebirge. Julia Wellner und ihre Kollegen fürchten, dass die Zunge des Gletschers auf dem Meeresgrund von unten tauen könnte. Ihre Sorge: Erwärmtes Wasser könnte das Eis unterspülen, sodass es den Kontakt zum Boden verlieren und aufschwimmen könnte, mithin beschleunigt tauen würde. Die Forscher sehen bereits Alarmzeichen: Seit 1992 zieht sich die Aufsetzlinie des Thwaites zurück.”

Natürlich wird Terli von seinen Fans nun gefeiert. Und die sind sich nicht zu schade, wilde Verschwörungstheorien zu entwerfen. Springer Investor KKR soll demnach versuchen, über die Berichterstattung Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, um so seine Investitionen zu schützen. Das ist schon ein ganz erstaunlich niedriges Niveau in der Debatte seitens Terlis und seiner Fans. Wer anderer Meinung ist als er, wird diffamiert. So einfach ist das.

Dabei schießt das ZDF nicht nur den Bock mit der Skala. Als Ende 2021 über die Temperaturen in 2021 berichtet wurde, verschob man den Temperaturrekord in Sibirien aus dem Jahr 2020 einfach mal um ein Jahr, wir berichteten. Beides ist nicht wissenschaftlich. Aber vielleicht sieht Terli sich auch eher als Aktivist?!

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Heute (6.2.2022) kommt um 13:00 Uhr die neue Klimaschau. Bitte einschalten!

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Leserpost von Dipl. Ing. Martin Krohn:

Betreff: Grüne Arroganz

Eine Anmerkung zum Blog vom 05.02.2022. Zum einen wollen die Grünen den Artenschutz der EU aushebeln, um die Windkraftanlagen in weiterem Umfang auszubauen. Dabei soll der Artenschutz zurückgeschraubt und dem Windkraftausbau geopfert werden. Es wird erwartet, dass die EU der Aufweichung des Artenschutzes in Deutschland zustimmt. Auf der anderen Seite laufen die Grünen Sturm gegen die EU-Taxonomie-Regeln mit der Einstufung der Kernkraft. Dagegen ist in die Einstufung als nachhaltig auch Erdgas auf Wunsch von Deutschland aufgenommen worden.

Die Grünen wollen ihre Vorstellungen durchsetzen und entgegenstehende Möglichkeiten abzulehnen. Arroganter geht es wirklich nicht. Dass sich andere Länder an Deutschland ein Beispiel nehmen, scheint aussichtslos. Schon vor über 100 Jahren im Kaiserreich gab es den Ausspruch: „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Schon damals hat es nicht funktioniert. Heute lachen sich andere Länder über den Deutschen Weg kaputt.

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