Vom IPCC-Autor zum Verschwörungstheoretiker: Peter Wadhams verdächtigt Öl-Lobby, hinter dem Unfalltod dreier Klimakollegen zu stehen

Stoff für aufregende Verschwörungstheorien: Anfang 2013 sind in unterschiedlichen Situationen drei britische Wissenschaftler ums Leben gekommen, die allesamt an der Erforschung des arktischen Eises beteiligt waren. Eine tragische Unfallkette: Ein Forscher wurde vom Blitz getroffen, einer fiel während einer Party die Treppe herunter und einer wurde beim Radeln von einem LKW überrollt. Angesichts dieser sehr verschiedenen Umstände ist es überaus schwer, hier eine Anschlagsserie zu vermuten.

Nicht so der IPCC-nahe Klimawissenschaftler Peter Wadhams. Er vermutet hier eine konzertierte Aktion gegen die Klimawissenschaften, möglicherweise von der Öl-Lobby ausgeführt, wie The Telegraph am 25. Juli 2015 berichtete:

Three scientists investigating melting Arctic ice may have been assassinated, professor claims
Cambridge Professor Peter Wadhams suspects the deaths of the three scientists were more than just an ‘extraordinary’ coincidence […] The three scientists he identified – Seymour Laxon and Katherine Giles, both climate change scientists at University College London, and Tim Boyd of the Scottish Association for marine Science – all died within the space of a few months in early 2013. Professor laxon fell down a flight of stairs at a New year’s Eve party at a house in Essex while Dr Giles died when she was in collision with a lorry when cycling to work in London. Dr Boyd is thought to have been struck by lightning while walking in Scotland. […] Asked who might have wanted them out the way, [Wadhams] replied: “I can only think of the oil lobby but I don’t think the oil lobby goes around killing people.”

Ganzen Artikel in The Telegraph lesen.

Könnte Wadhams Recht haben? Hat die Ölbranche vielleicht im Geheimen ein Gerät entwickelt, dass Blitze generiert und gezielt auf Anschlagsziele lenken kann? Es deutet vieles darauf hin, dass Wadhams vermutlich zu viel Raumschiff Enterprise geguckt hat. Bereits in der Klimadiskussion geht er vielen seiner Kollegen mit seinen hysterischen Katastrophenszenarien kräftig auf die Nerven. So gehört Wadhams zu den Anhängern der eisigen Arktis-Todesspirale. Er setzte 2012 eine Prognose in die Welt, dass es innerhalb von vier Jahren mit dem arktischen Meereis vorbei wäre. Drei Jahre später geht der Trend jedoch in die ganz falsche Richtung. Es sieht nicht gut für ihn und seine Vorhersage aus. Das finden mittlerweile sogar hartgesottene Klimaalarm-Mitstreiter. Ihnen gehen die apokalyptischen Eis-Visionen kräftig auf den Senkel. Im Rahmen einer Meereis-Konferenz im September 2014 in London ätzte Gavin Schmidt gegen Wadhams per Twitter:

“Some anticipation for Peter Wadhams. Audience members already crying,” “Wadhams still using graphs with ridiculous projections with no basis in physics,” “Wadhams now onto methane pulse of 50 GT. But no better justified than his previous statements,” and “Wadhams clearly states that there is no physics behind his extrapolations.”

Aber Peter Wadhams hat noch ein zweites Steckenpferd: Die arktische Methan-Bombe. Spiegel Online berichtete im Juli 2013:

Klimawandel: Forscher warnen vor arktischer Kosten-Zeitbombe
Das Tauwetter in der Arktis weckt Hoffnungen auf einen Rohstoff-Boom. Jetzt aber haben Forscher berechnet, welche Kosten der Klimawandel im hohen Norden verursachen könnte. Das Ergebnis ist eine schwindelerregende Zahl: Sie entspricht fast der gesamten jährlichen Weltwirtschaftsleistung. […] Die Wirtschaftswissenschaftlerin Gail Whiteman von der Erasmus-Universität in Rotterdam rechnet zusammen mit Chris Hope und Peter Wadhams von der University of Cambridge vor, wie teuer der Klimawandel am Pol für die gesamte Welt werden dürfte. Die Forscher kommen auf 60 Billionen Dollar – das entspricht beinahe der gesamten Weltwirtschaftsleistung 2012. […] Natalia Schachowa von der University of Fairbanks in Alaska hatte 2010 erstmals über das beunruhigende Phänomen des Methanaustritts vor Sibirien berichtet, das eine Art arktische Zeitbombe sein könnte. Bisher liegt das Methan in den flachen Meeren vor Russlands Küste als sogenanntes Gashydrat am Ozeanboden vor. Das ist ein Gemisch aus Eis und Methan. Doch im wärmer werdenden Wasser zersetzt sich die frostige Melange, und das Methan blubbert in die Atmosphäre. Weil es sich um ein sehr kräftiges Treibhausgas handelt, wird die Erderwärmung so noch weiter befeuert.

Eine Wissenschaftlergruppe verkündet eine drohende Klimakatastrophe, und Wirtschaftswissenschaftler nehmen den Ball sogleich auf und bauen auf Basis dieses fraglichen Modells wirtschaftliche Schreckensszenarien. Dies ist klimakatastrophaler Mannschaftssport der fördermitteltechnisch äußerst lukrativ ist. Nun weist der Spiegel-Artikel selbst darauf hin, dass die arktische Methan-Apokalypse bereits im Jahr 2010 postuliert wurde. Haben andere, unabhängige Forscher dieses Konstrukt mittlerweile bestätigen können? Spiegel Online Autor Christoph Seidler scheint die jüngste Berichterstattung seiner eigenen Kollegen nicht zu kennen. Mitte Mai 2013 hatte Axel Bojanowski über neueste Forschungsergebnisse zu diesem Thema geschrieben (“Keine Freisetzung: Tundra sichert gefährliches Klimagas“). Tenor der Arbeit: Der Karbonhaushalt in der Tundra bleibt trotz Klimawandels stabil. Die postulierte Methan-Klimabombe hat sich als Blindgänger erwiesen. Die Grundlage der hochtrabenden, medial spektakulär verbreiteten klimatischen Kostenexplosion ist fehlerhaft. Folglich sind alle wirtschaftlichen Schadens-Berechnungen die auf diesem instabilen Datenfundament errichtet wurden ebenfalls unbrauchbar.

Die angesehene Klimawissenschaftlerin Judith Curry macht in einem Artikel mit dem Titel “Arctic time bomb (?)” in ihrem Blog deutlich, dass eine Vielzahl von Fachkollegen den arktischen Methan-Katastrophismus nicht teilen. Selbst der IPCC-nahe Gavin Schmidt von der NASA scheint das Risiko einer raschen Methanfreisetzung in der Arktis als nur gering einzuschätzen. Und auch der Kipppunkt-Spezialist Tim Lenton von der Exeter University erkennt keine drängende Gefahr und sieht den Prozess eher auf einer Zeitskala von tausenden bis zehntausenden von Jahren ablaufen. Ein Beitrag von Carolyn D. Ruppel aus dem Jahr 2011 scheint in die gleiche Richtung zu weisen. Curry zählt in ihrem Artikel weitere kritische Stimmen auf, darunter David Archer von der University of Chicago, der das Methan-Klimabomben-Szenario als “vollständig unbelegt” bezeichnet.

Nimmt man jetzt noch die aktuellen Verschwörungstheorien und aus der Hüfte geschossenen Verdächtigungen hinzu, entsteht ein Bild eines Mannes, der sich in der Klimadiskussion in eine extreme Ecke manövriert hat. Seine Glaubwürdigkeit hat Wadhams jedenfalls vorerst verspielt. In einem Gremium mit Schiedsrichterfunktion wie es der IPCC ist, sollte für Aktivisten wie Wadhams kein Platz mehr sein.

 

Teilen: