Jochem Marotzke beliebt zu scherzen: Erwärmungsstopp ist „ungewöhnlich“, „überraschend“ und „irrelevant“

In unserem Buch „Die kalte Sonne“ beschrieben wir in Kapitel 8, wie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) die Gesellschaft nach eigenen Vorstellungen zu transformieren gedachte, vorbei an allen demokratischen Strukturen. Kürzlich griff nun die FAZ die schrägen WBGU-Thesen auf und verurteilte das Treiben der wilden Aktivistengruppe (wir berichteten hier). Bereits Mitte 2011 hatte sich Jan-Philipp Hein im Focus kritisch mit dem WBGU auseinandergesetzt:

Auf direktem Weg in die Klimadiktatur?
[…] Im Gespräch mit FOCUS-Online erklärt der Historiker und Totalitarismusforscher Wolfgang Wippermann von der Freien Universität Berlin, warum er die Pläne und Gedanken der Forscher für gefährlich und undemokratisch hält.
FOCUS-Online: Herr Professor Wippermann, im Text „Welt im Wandel“ haben sich die Autoren vorgenommen, „Pioniere des Wandels zu benennen“, „Blockademechanismen“ zu „identifizieren“ und sie sprechen von „Vetospielern“, die „Transformation hemmen“. Woran erinnert Sie das?
Wolfgang Wippermann: Die sprechen sogar von der „internationalen Allianz von Pionieren des Wandels“. Und das erinnert mich an die faschistische oder kommunistische Internationale. Ob sie da hinwollen, weiß ich nicht. Aber die Sprache ist schonmal schrecklich und das macht mir Angst. Wer so spricht, der handelt auch. Das ist eine negative Utopie, eine Dystopie. Und wenn Utopisten am Werk sind, wird es immer gefährlich.
FOCUS-Online: Welches Welt- und Menschenbild steckt hinter diesem Text?
Wippermann: Wir haben es mit wissenschaftlichen Fanatikern zu tun, die ihre Vorstellungen durchsetzen wollen. Ich wundere, dass wir da zum ersten Mal drüber reden und wie wenig das in der Öffentlichkeit bisher beachtet wurde.
FOCUS-Online: Der WBGU ist ein Beratergremium der Bundesregierung. Bestimmt können Wissenschaftler Politikern wertvolle Hinweise geben. Welches Verhältnis sollten Wissenschaft und Politik haben?
Wippermann: Vorab: Die Bundesregierung hätte sich schon lange davon distanzieren sollen. Das geht wirklich nicht. Und Vorschläge von Wissenschaftlern sollten sich schon mit der politischen Wertordnung decken, die wir haben. Kurz: Man kann nicht einfach sagen, dass man eine andere Demokratie, einen anderen Staat und eine andere Weltordnung wolle. Das geht einfach nicht.

Weiterlesen auf Focus.de.

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Am 30. Oktober 2013 erschien in der Neuen Züricher Zeitung ein lesenswerter Artikel von Sven Titz mit dem Titel „Längere Erwärmungspause – Europäische Wetterküche als Taktgeber fürs Klima“. Dabei geht Titz auf eine neue chinesische Publikation ein, in der die Ozeanzyklen als Ursache für den Erwärmungsstopp der letzten 10-15 Jahre identifiziert wurden. Hier ein Auszug:

Verändern sich Islandtief und Azorenhoch, beeinflusst das nicht nur das europäische Wetter, sondern auch das Klima. Die Implikationen erläutern jetzt drei aus China stammende Wissenschafter in den «Geophysical Research Letters». Sie liefern eine neue Hypothese, die erklären könnte, warum die globale Mitteltemperatur seit dem Jahr 2001 stehengeblieben ist. Fei-Fei Jin von der University of Hawaii hat zusammen mit Mitgliedern der chinesischen Akademie der Wissenschaften die Nordatlantische Oszillation (NAO) untersucht. Bei dieser Oszillation schwankt der Luftdruckunterschied zwischen Islandtief und Azorenhoch. Ist die Druckdifferenz besonders gross («positive» NAO), dringen Westwinde bis nach Mitteleuropa vor und sorgen für milde Winter. Andernfalls wird es frostiger («negative» NAO). Die Ursachen der NAO gelten als umstritten. Für Supercomputer entwickelte Klimamodelle sind mit der Oszillation noch überfordert. Dennoch wollten die Forscher herausfinden, ob sich mit der NAO das Klima vorhersagen lässt. Eine Korrelationsanalyse zeigte nämlich, dass die Temperatur auf der Nordhalbkugel der NAO um ungefähr 16 Jahre hinterherhinkt. Darum entwickelten die Autoren ein vereinfachtes, physikalisch motiviertes Vorhersagemodell, das die NAO mit der Mitteltemperatur auf der Nordhalbkugel in Beziehung setzt. Die Forscher eichten das Modell an Klimadaten der letzten rund hundert Jahre. Mit dem Modell lasse sich die in jüngster Zeit zu beobachtende Stagnation der Temperatur auf der Nordhalbkugel erklären, so die Autoren. […] Seit einem Höhepunkt Anfang der 1990er Jahre ist die NAO auf dem absteigenden Ast; zeitversetzt könnte das in den letzten Jahren die Erwärmung der Atmosphäre neutralisiert haben. Die Autoren spekulieren anhand ihrer Studie sogar, dass die Erwärmungspause auf der Nordhalbkugel bis zum Jahr 2027 andauern könnte. Die Klimamodelle für Supercomputer haben solche Aussichten bisher nicht produziert.

Vollständigen Artikel auf nzz.ch lesen.

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Der Hamburger Klimamodellierer Jochem Marotzke hat es nicht leicht. Keines seiner Modelle hat den Erwärmungsstopp der letzten anderthalb Jahrzehnte kommen sehen, und auch die Ozeanzyklen bekommen die Rechner einfach nicht in den Griff. Im Deutschlandfunk wurde Marotzke am 30. Oktober 2013 von Georg Ehring zu seinen Klimamodellierungen befragt:

Georg Ehring: Die Erderwärmung geht weiter und der Meeresspiegel steigt sogar noch schneller als früher vermutet. Zu diesem Ergebnis kam der Weltklimarat IPCC im ersten Teil seines fünften Sachstandsberichts zum Klimawandel, veröffentlicht vor einem Monat in Stockholm. Eine Erkenntnis, die ihre Folgen haben sollte für die Klimapolitik. Mitte November tagen die Diplomaten in Warschau, um über ein weltweites Klimaschutzabkommen für das nächste Jahrzehnt zu beraten. Am Rande einer Veranstaltung zur Vorbereitung des Klimagipfels habe ich Jochen Marotzke, den Chef des Deutschen Klimakonsortiums, gefragt, welche Vorlage die Wissenschaft für die Politik geliefert hat.

Jochen Marotzke: Vielleicht sind es zwei zentrale Botschaften. Zum einen haben wir noch einmal bekräftigt, dass der größte Teil des beobachteten Klimawandels tatsächlich vom Menschen verursacht wurde, und zum anderen haben wir, glaube ich, den Verhandlungen ein Instrument an die Hand gegeben, indem wir gezeigt haben, dass die Gesamterwärmung, die wir langfristig erwarten können, einfach davon abhängt, wie viel wir emittieren an Treibhausgasen, und zwar egal wann. Es kommt also nur auf das Budget an.

Bereits die Frage des DLF-Moderators steckt voller Fehler. Die Erderwärmung pausiert seit 15 Jahren und trotzdem behauptet Ehring „Die Erderwärmung geht weiter“. Kurios. Der Meeresspiegel steige schneller als je zuvor, sagt er dann. Auch dies ist absoluter Käse. Eine Beschleunigung konnte in den letzten Jahrzehnten nicht festgestellt werden (siehe „Fragwürdige Finte: Neuer IPCC-Bericht behauptet Verschärfung des Meeresspiegelanstiegs, während neue Studien das genaue Gegenteil fanden„). Marotzke behauptet daraufhin nach überholtem Muster, dass der Mensch den größten Teil der Klimaschuld trage. Dabei ignoriert er, dass viele seiner Fachkollegen da ganz anderer Meinung sind. Eine Lawine neuerer Studien fand eine deutlich geringere CO2-Klimasensitivität als in Marotzkes Modellen angenommen. Und auch die von Marotzke ignorierten, systematisch oszillierenden Ozeanzyklen spielen eine viel größere Rolle als vom Hamburger angenommen („Chinesische Studie: Etwa die Hälfte der Erwärmung der letzten 30 Jahre geht auf das Konto von natürlichen Ozeanzyklen„).

Im Folgenden diskutiert Marotzke das 2-Grad-Ziel. Angesichts der viel geringeren CO2-Klimawirkung eine wenig ergiebige Thematik. Ganz am Schluss aber noch eine ganz interessante Passage:

Ehring: In den letzten 15 Jahren hat sich die Temperaturkurve ja sehr abgeflacht und das erweckt bei manchen die Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommt. Was ist da Ihre Ansicht?

Marotzke: Ich fürchte, dass diese letzten 15 Jahre in der Oberflächentemperatur, so faszinierend sie für einen Wissenschaftler sind, für den langfristigen Klimawandel im Großen und Ganzen irrelevant sind, denn die Erwärmung ist im Kern weitergegangen. Die Ozeane haben weiter Wärme aufgenommen, der Meeresspiegel ist weiter gestiegen, das Eis ist weiterhin geschmolzen. Insofern ist diese Abflachung der Erwärmung in der Oberflächentemperatur ein ungewöhnliches, überraschendes und auch noch nicht verstandenes Phänomen. Es hat aber wenig Relevanz für den langfristigen Klimawandel.

Der arme Mann. Ein Ewiggestriger. Offenbar bekommt Marotzke gar nicht mit, was um ihn herum passiert. Die 60-Jahres-Ozeanzyklen werden von immer mehr Forschern als wichtige, systematische Klimasteuerungsgröße anerkannt (siehe z.B. „Faz-Artikel “Warum macht der Klimawandel Pause?”: Plötzlich waren die Ozeanzyklen salonfähig„) und Marotzke tut so, als wenn er dies alles nicht bemerkt. Ist natürlich auch peinlich. Da hat der Mann Jahre seines Lebens modelliert, Millionen an Forschungsgeldern verantwortet und einen der wichtigsten Faktoren schlichtweg übersehen. Kann passieren, sollte aber nicht. Zumindest sollte Marotzke nun endlich die Größe zeigen und seinen Fehler offen zugeben. Aber auch dies kann er offensichtlich nicht. So wird es mit diesem Max-Planck-Mann keinen Neuanfang in eine klimarealistische Epoche geben. Schade. Lieber hängt Marotzke den neuesten Verschwörungstheorien an: Die fehlende Wärme sei an geheimer Stelle im Ozean versunken. Noch haben wir sie nicht gefunden, aber Null-Null-Marotzke und Sherlock Rahmstorf sind kur vor dem Durchbruch – glauben sie.  Plötzlich beginnt der Begriff „Klimaleugner“ doch noch Sinn zu machen, aber ganz anders als zuvor erwartet.

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Ende Oktober 2013 erschien in Nature ein neuer Artikel von Chris Thomas. Das Ergebnis seiner Studie ist Dynamit: Die Klimaerwärmung wird zu einer Steigerung der Artenvielfalt führen, fand er heraus. Eine Besprechung der Arbeit gibt es auf nature.com.

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Zwei Forscher wollten den IPCC studieren. Sie fragten höflich beim Weltklimarat an, ob sie die Strukturen und Abläufe untersuchen dürften. Die Antwort kam prompt: Nein, man möchte nicht untersucht werden. Man könnte fast denken, die UN-Behörde hätte etwas zu verbergen. Selbst die unter Dauerverdacht schwebende FIFA gibt sich transparenter als der IPCC…

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Die Sonnenaktivität ist in den letzten Jahren so stark gefallen wie kaum zuvor in den letzten 10.000 Jahren. Dies wird vermutlich zu besonders kalten Wintern in Europa führen wie der britische Solarphysiker Mike Lockwood herausfand. Lockwood hält sogar ein besonders ausgeprägtes solares Minimum des Maunder-Typs für möglich.

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Im Herbst 2013 kam der 5. Klimazustandsbericht der IPCC heraus. Tenor: Die Klimakatastrophe steht vor der Tür. Warum sich die Forscher die zeitaufwendige Mühe gemacht haben, jahrelang für den neuen Bericht zu rechnen, bleibt unklar. Denn bereits vor Beginn der Arbeiten, im Jahr 2010 war dem UN-Untersekretär Robert Orr klar, dass im neuen Bericht die Gefahr des Klimawandels als noch viel bedrohlicher angesehen werden wird, als in der 2007er Ausgabe.


(mit Dank an Steven Goddard von Real Science)

 

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