Mojib Latif kann wenig mit den Aktivisten der letzten Generation anfangen

Der Gletschersturz in Norditalien, bei dem auch mehrere Menschen ums Leben kamen, ist der Mittelpunkt eines Interviews in der Welt mit dem Wissenschaftler Jan Beutel.

“WELT: Wie dramatisch ist die Situation, muss man Teile der Alpen sperren?

Beutel: Wir werden keine generellen Sperrungen sehen, aber man orientiert sich um. Bereiche und Bergtouren, die man früher im Juli und August begangen hat, wird man besser nur im Juni und September begehen. Wenn weniger Schnee auf dem Gletscher ist und man nur schlecht über die Spalten rüberkommt, muss man sich überlegen, nicht an den Tagen zu gehen, an denen der Schnee auch noch ganz durchgeweicht ist. Man kann als Alpinist die Bergtour nicht wie einen Kinobesuch buchen. „Am 17. August machen wir eine Tour“ – das geht nicht. Es gibt genügend Beispiele, wo etwa Wege, Zugänge, Aufstiegshilfen verändert werden mussten, weil es nicht mehr sicher war. Vonseiten der Betreiber von Infrastruktur werden heute bereits Steinschlagdämme für die Skipisten gebaut.

WELT: Hilft das wirklich?

Beutel: Meine Haltung dazu: Technisch kann man vieles machen. Längerfristig werden wir uns andere Lösungen suchen müssen. Man kann nur kurzfristig gegen die Natur arbeiten. Die Kräfte von Wind, Wetter und dem Klima geben uns den Takt vor.”

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Es ist gut Experten hin und wieder an den eigenen Prognosen zu messen.

“Neue Gaspipelines und Flüssiggas-Terminals sind in Europa überflüssig.”

Diese Prognose hat das DIW im Jahre 2020 gewagt. Alles nicht so dramatisch, so lässt sich das gut zusammenfassen. Selbst wenn die Russen ausfallen, dann importieren wir halt ein wenig mehr LNG, wobei wir die Terminals dazu eigentlich aber gar nicht brauchen.

“Die Hoffnung der US-Regierung, US-Flüssiggas – das gelegentlich schon als „Freedom Gas“ beworben wurde – könnte zum Ersatz für russisches Erdgas werden, wird sich also nicht erfüllen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen, die vom DIW Berlin mit hypothetischen und drastisch formulierten Szenarien, untersucht wurden, fallen die US-LNG-Exporte nach Europa höher aus. Zum einen wäre das der Fall, falls der LNG-Transport von den USA nach Europa subventioniert werden würde (Szenarien „LNG-Subsidy“)info. Eine Subventionierung von 25 Prozent der Transportkosten könnte zu einer Verdopplung der US-LNG-Exporte nach Europa führen. Bei einer kompletten Subventionierung der Transportkosten könnten sich die US-LNG-Lieferungen gar bis zu verfünffachen.

Zum anderen würden US-LNG-Exporte nach Europa deutlich höher ausfallen, wenn große Mengen Erdgas auf dem europäischen Markt fehlen würden. Wir haben dies beispielhaft für einen hypothetischen Komplettausfall der russischen Lieferungen modelliert (Szenario „RUS-Boycott“). In diesem Fall würde drei bis vier Mal so viel US-LNG wie im Standardszenario dabei helfen, einen großen Teil des Ausfalls zu kompensieren.

Zusammen mit anderen Anbietern, auch diese zumeist von Flüssiggas, würden die USA somit dazu beitragen, die Wirkung des Ausfalls auf höchstens zehn Prozent Konsumrückgang und entsprechend geringe Preiserhöhungen zu reduzieren. US-LNG führt also nicht nur zu einer höheren Diversifizierung des Erdgasangebots in Europa, sondern kann mit seinem flexiblen und preissensitiven Angebot auch als „Ausfallversicherung“ dienen.

Allerdings würden auch im drastischen Ausfallszenario die bestehenden LNG-Importkapazitäten in Europa ausreichen. Die Pläne einiger europäischer Länder, darunter auch Deutschland, zusätzliche LNG-Terminals zu bauen, wären also genauso überflüssig, wie neue Pipelines zu bauen.”

Auch der Rest der Prognose liest sich spannend. Das Einzige, was in der 2020er Prognose fehlt sind die Wärmepumpen und noch mehr Windräder. Das kam erst 2022 dazu, als sich weite Teile der Prognose als unzutreffend erwiesen haben.

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Die Eisschmelze auf Grönland findet dieses Jahr sehr spät statt. Laut Polarportal 17 Tage später als im langjährigen Mittel. Seit dem Beginn der Beobachtungen entspricht das Platz 39 von 42 Jahren. Die Forscher sagen auch, dass Warmluftvorstöße wie dieses Jahr bis in den Norden Skandinaviens sehr oft bedeuten, dass über Grönland kalte Luft weit nach Süden dringt. In diesem Fall verbunden mit viel Schneefall im Süden der Insel.

(Abbildung: Screenshot Polarportal.dk)

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Es ist schon schräg, wenn eine Webseite, die vor Verschwörungstheorien warnt, fleißig welche in die Welt setzt. So geschehen bei Mitwelt.org. So wird Tech for Future eine “gut getarnte Atomlobby” unterstellt. Da ist der Autor des Artikels offenbar etwas ganz Großem auf der Spur, um herauszufinden, dass die Seite überaus atomfreundlich ist. Das ist so offensichtlich, dass diese Enthüllung extrem peinlich ist. Was könnte noch kommen: Schnaps enthält Alkohol? Tabak enthält Nikotin? Offenbar geht Axel Mayer, der den Artikel verfasst hat, fest davon aus, dass die gerupfte deutsche Atomindustrie tatsächlich noch Geld für Lobbying übrighat. Wie schön, dass weiter unten folgendes zu lesen ist:

“Wenn Sie hier „Die Wahrheit“ suchen, werden Sie sie nicht finden. Es gibt sie nicht, „Die Wahrheit“, sondern immer nur Annäherungen daran, Wahrheitsfragmente. Es wird Ihnen nichts übrigbleiben, als sich mit den „anderen Wahrheiten“ auseinander zu setzen, um zu einer eigenen Meinung zu kommen. Verlassen Sie auch einmal den engen „Echoraum“ der eigenen Meinung im Internet. Misstrauen Sie Wahrheitsverkündern, Ideologen, vom Krieg bestärkten Ewiggestrigen und Verschwörungstheoretikern. Haben Sie Mut Ihren eigenen Verstand zu gebrauchen.”

Warum geht der Autor nicht genau nach diesen Leitsätzen vor?

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Der Klimaforscher Mojib Latif kann offenbar wenig mit den Aktivisten der letzten Generation anfangen. Die Welt berichtete:

“Latif kritisierte Aktionen von radikalen Klimaaktivisten wie der Gruppe „Letzte Generation“, die sich auf Straßen festkleben. „Diese sehr radikalen Gruppen – und damit meine ich nicht Fridays for Future, das viel bewirkt – meinen, dass sie aus hehren Zielen heraus so agieren dürfen, aber das stimmt nicht“, sagte Latif. Sie beförderten vielmehr eine Spaltung der Gesellschaft. „Der Zweck heiligt auch hier nicht die Mittel, gerade weil das angestrebte Ziel so viel schwerer zu erreichen ist.“”

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Ein Ereignis, zwei unterschiedliche Wahrnehmungen. Die FAZ ordnet das Urteil des US Supreme Court in Sachen Befugnisse der Bundesbehörde EPA ganz anders ein als der Spiegel.

FAZ:

“Der Supreme Court hat jetzt in einem Urteil die Kompetenzen der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA beschnitten. Sie darf ohne Segen des Kongresses keine weitreichenden Reduktionsziele für die Stromproduktion vorgeben. Das Umweltamt ist Teil der Regierung, an deren Spitze Präsident Joe Biden steht. So könnte man die Entscheidung als weitere Niederlage eines Präsi­denten werten, dem ohnehin jegliche Fortune verloren zu gehen scheint.

Die Entscheidung zielt jedoch vor allem darauf, das Prinzip der Gewaltenteilung zu stärken. In dessen reiner Form sind Behörden auf die Rolle der Vollstreckung des Mehrheitswillens des gewählten Parlaments beschränkt. Große politische Entscheidungen müssen den Segen des Kongresses haben, sie dürfen auf keinen Fall gegen seinen politischen Mehrheitswillen gefällt werden, sagen die Richter. Der durch die behördlichen Reduktionsziele er­zwungene Abschied von Kohlekraftwerken gehört in diese Kategorie. Die Entscheidung ist nachvollziehbar, was allerdings nicht tröstet.”

Spiegel:

“Die Aussichten, dass sich die Blockade im Kongress auflöst und Joe Biden seine ambitionierten Pläne dort durchbringen kann, sind düster. In wenigen Monaten sind Zwischenwahlen, und dass die Mehrheitsverhältnisse für Biden nach dem Wahlgang noch ungünstiger werden, ist wahrscheinlich. Eigentlich will die Regierung bis 2035 den Energiesektor dekarbonisieren, und die landesweiten Emissionen sollen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 50 Prozent sinken .

Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf die internationale Klimapolitik haben

Beide Vorhaben wären ohnehin schon nicht ganz einfach zu erreichen gewesen, durch die doppelte Klimablockade sind sie nun beinahe außer Reichweite. Eventuell wird die Regierung dennoch versuchen, die verbleibenden Kompetenzen der EPA über Umwege zu nutzen: Neue Vorschriften zum Ausstoß von Quecksilber, Smog und Ruß könnten den Betrieb etwa von Kohlekraftwerken einschränken oder so teuer machen, dass sich deren Betrieb wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Ob das klappt, ist noch unklar.”

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