Mai Thi Nguyen-Kim: Nicht auf dem Stand der Wissenschaft?

Die populäre Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim präsentiert mittlerweile im öffentlich-rechtlichen Rundfunk regelmäßig wissenschaftliche Themen. Wir haben in diesem Blog schon einmal über Mai Thi Nguyen-Kim berichtet, damals erteilte sie dem YouTuber Rezo die wissenschaftliche Absolution. Dieser wollte die CDU “zerstören” und heftete ihr kurzerhand sämtliche Probleme dieser Welt an, Umwelt und Klima ganz vorn dabei. Sie machte das seinerzeit nicht nur in Rekordzeit, sondern schien auch die zahlreichen Quellen, mit der Rezo seinerzeit die Zuschauer regelrecht zuschüttete, nicht wirklich gelesen zu haben. Einige der Quellen belegten die Thesen von Rezo nicht, nein, noch schlimmer in anderen stand das komplette Gegenteil von dem, was der YouTuber seinen Zuschauern präsentierte.

Wir hatten damals schon den Verdacht, dass Mai Thi Nguyen-Kim hier eher dem menschlichen Wahrnehmungsgesetz gehorchte und nur sah, was sie sehen wollte. Vielleicht fand sie das sogenannte CDU-Zerstörungsvideo von Rezo ja auch einfach nur sympathisch und wollte ihre Bekanntheit nutzen, damit das Rezo-Video ja nicht kritisiert wird. Auch in Sachen Klima scheint Mai Thi Nguyen-Kim dieser Wahrnehmung zu gehorchen, wie dieses Video belegt. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Am 06.10.2022 wurde auf der Seite GWUP eine Analyse einer Sendung von Mai Thi Nguyen-Kim zum Thema Kernenergie veröffentlicht. Die beiden Autoren Anna Veronika Wendland und Armadeo Sarma haben mit einer gewissen Grundschwierigkeit zu kämpfen. Eigentlich, so kann den Eindruck gewinnen, finden Sie Mai Thi Nguyen-Kim ja toll. Aber nun schreiben sie eine Kritik an ihrer Sendung. Da werden eher die Samthandschuhe übergestreift als die Boxhandschuhe, obwohl die eigentlich angebrachter wären. Man will ihr offenbar nicht wehtun. Trotz der dezenten Kritik finden die beiden zahlreiche Punkte, wo die Wissenschaftsjournalistin schlicht falsch liegt. Beispiel Frankreich:

“Die Situation in Frankreich

Zu der aktuellen Krise in unserem Nachbarland hieß es:

Die ausgefallenen französischen AKW kommen dazu. Mitschuld sind Klimakrise, Hitze und Trockenheit, da fällt auch einmal eine AKW-Kühlung aus.

Die Fakten:

Es ist in keiner französischen Anlage „die Kühlung ausgefallen“. In sozialen Netzwerken und der Presse wurden zwar Fotografien ausgetrockneter Flussarme großer französischer Flüsse gezeigt, aber kein Fluss im Entnahmebereich eines französischen KKW ist ausgetrocknet.

Vielmehr wurden mehrere Anlagen wegen Temperatur-Auflagen, die in den Wärmelastplänen der Flüsse und in den Emissionsauflagen für Kernkraftwerke festgelegt sind, gedrosselt. Dies dient dem Schutz der Fluss-Ökosysteme. Allerdings erhielten mehrere Anlagen im Laufe des Sommers eine Lockerung der Temperaturauflagen, um nicht abfahren zu müssen.”

Die beiden Autoren kreiden Mai Thi im Laufe des Textes ganz besonders an, einen Text von Scientist 4 Future komplett unkritisch übernommen zu haben. Wendland hatte das Papier bereits vorher scharf kritisiert und zahlreiche Schwachpunkte darin aufgezeigt.

“Zur Renaissance der Kernenergie übernimmt Nguyen-Kim unhinterfragt die Erzählung von Scientists for Future:

Zu teuer, zu langsam, zu gefährlich, zu blockierend, gehen wir es mal durch.

GWUP-Mitglied Anna Veronika Wendland hat dazu ein ausführliches Gutachten verfasst. Darin heißt es zum S4F-Papier, es sei durch Verstöße gegen Wissenschaftsstandards erzeugt worden:

Dazu gehören eine selektive Kenntnisnahme der Fachliteratur und des Forschungsstandes zu Problemen der Reaktorsicherheit und des Kernkraftwerksbetriebs, voreingenommene Interpretation vorliegender Daten, Doppelstandards im Vergleich von (abgelehnter) Kernenergie und (erwünschten) Erneuerbaren Energien sowie Strohmann-Argumente.”

Insgesamt aber dennoch ein lesenswerter Text, auch wenn die Kritik wie gesagt mit angezogener Handbremse erfolgt. Auch Wissenschaftsjournalisten sollten wissenschaftlich arbeiten und nicht die Ergebnisse ihrem Weltbild anpassen. Das fängt bereits beim Namen der Sendung an. Die Sendung “Atomkraft ohne Plan” ist noch bis zum 25.09.2022 in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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Dänemark gilt als Windenergie-Vorzeigeland. Dennoch müssen dort jetzt Kohle- und Ölkraftwerke wieder an Netz bzw. dürfen noch nicht vom Netz. Das berichtet Rechargenews.com.

“The short-term disruption to the energy transition caused by Europe’s post-Ukraine crisis was placed in stark relief as global green champion Orsted was told by Denmark to resume some oil- and coal-fuelled power operations. The Danish authorities told Orsted to continue coal-fired operations at a unit of its Esbjerg Power Station that was due to close in March 2023. […] Orsted has become a global symbol of the green energy transition since it changed its name from Dong Energy in 2017 as part of a pivot away from oil and gas and enthusiastic embrace of first offshore wind – where it became an international pacesetter – and later onshore renewables and green hydrogen.”

Weiterlesen bei Rechargenews.com.

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Strompreisentwicklung Deutschland 2022: Warum steigen die Stromkosten? Tech For Future klärt auf und zeigt die Entwicklung. Der längere Artikel ist eine absolute Leseempfehlung.

“Wir sind Weltmeister beim Strompreis. In keinem anderen Land der Welt kostet der Strom so viel wie in Deutschland. Im Jahr 2019 haben wir bei Stromkosten in Privathaushalten 30 Cents pro Kilowattstunde geknackt und 2022 überschreiten wir schon die 50 Cents pro kWh. Im Schnitt kostete 2021 der Strom in der EU rund 20 Cents pro kWh. In den USA sind es nur noch 12 Cents, in China und Indien sogar unter 7 Cents. Warum ist der deutsche Strom teurer als in jedem anderen Land der Welt?

Die EEG-Umlage war der Preistreiber des Jahrzehnts von 2010 bis 2020. Die Energiekrise ist seit Ende 2021 Preistreiber bei Strom und Gas. Die EEG-Kosten werden seit Mitte 2022 nicht mehr über die Stromrechnung, sondern über Steuern finanziert. Dieser Nachlass wurde aber von der Preiseskalation aufgefressen. Wegen der aktuellen Energiekrise mit Knappheit von Gas und Kohle werden die Verbraucherpreise auch im Jahr 2023 vermutlich bei über 50 Cents pro kWh bleiben.”

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Noch ein Beitrag, wie Politik an der Realität zu scheitern droht: Die Gaspreisbremse. Die Welt berichtet über BDI-Chef Russwurm, der den Co-Vorsitz in der Kommission führt, die Vorschläge machen soll, wie die Ausgestaltung der Bremse aussehen soll.

“Eigentlich waren für die Sonntag die Schlussberatungen der Gaspreisbremsen-Kommission angesetzt. Voraussichtlich werden sie aber länger dauern. „Die Arbeit der Kommission wird auch nach Montag weitergehen“, sagte die Ökonomin Karen Pittel, die Mitglied des von der Bundesregierung eingerichteten Gremiums ist, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Bei der Klausur an diesem Wochenende gehe es vor allem darum, was kurzfristig umsetzbar sei, sagte Pittel. Sie gehe davon aus, dass dieser „längere und persönliche Austausch“ sehr hilfreich sein werde. Am Montag sollen dann erste Empfehlungen vorgestellt werden. Um „gezieltere“ und „komplexer umsetzbare Lösungen für das kommende Jahr zu entwickeln“, werde es aber wohl weiteren Austausch brauchen.”

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Sinnerfassendes Lesen, das ist nicht jedem gegeben. Ganz besonders nicht der Lobbyistin Simone Peter bei Twitter.

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Sie bezog sich dabei auf einen Tweet von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm und scheint nicht im Ansatz begriffen zu haben, was Frau Grimm schrieb.

(Abbildung: Screenshot Twitter)

Peter könnte die Ergebnisse einer Studie von Grimm auch im Handelsblatt nachlesen. Dort steht es dann auch noch etwas ausführlicher. Ob sie es da versteht?

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