Gutachten der Deutsche Akademie der Technikwissenschaften hält Klimawandel für Deutschland beherrschbar

Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) ist die erste nationale Wissenschaftsakademie Deutschlands. Unter anderem berät die Akademie Politik und Gesellschaft in technikbezogenen Zukunftsfragen. Im vergangenen Jahr, 2011, beauftragte die Bundesregierung acatech damit, Anpassungsstrategien in der Klimapolitik zu untersuchen. Zu diesem Zweck rief die Akademie eine 31-köpfige Projektgruppe ein, zu der auch Fritz Vahrenholt gehört.

In der Projektbeschreibung auf der acatech-Webseite wird die Zielrichtung der Studie klar formuliert:

Die deutsche und europäische Klimapolitik setzt bislang primär auf eine Strategie der Emissionsvermeidung und gibt hohe Summen aus, um hier eine Vorreiterrolle einzunehmen. Bislang kaum im Fokus stehen hingegen politische Optionen der Anpassung an die aktuelle Klimadynamik. Mit einer solchen Politik der Anpassung gehen Risiken, aber auch Chancen einher. Angesichts der begrenzten Erfolge der Vermeidungsstrategie im globalen Kontext ist es wichtig, auf einen künftigen Policy-Mix aus Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen hinzuwirken. Bislang wird der Sektor Anpassung weitgehend zu wenig beachtet, obwohl er technische, wirtschaftliche und ökologische Potenziale birgt.

Mittlerweile ist der Projektabschlussbericht fertiggestellt, über den Der Spiegel am 9.9.2012 vorab berichtete:

Der Klimawandel wird für Deutschland „grundsätzlich beherrschbar“ sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) im Auftrag der Bundesregierung, die dem SPIEGEL vorliegt. Von einer drohenden Klimakatastrophe ist in dem 38-seitigen Report nirgendwo die Rede: „Es werden hierzulande keine klimatischen Randbedingungen auftreten, die nicht bereits in anderen Regionen der Erde existieren und in der Regel bewältigt werden“, urteilen die Experten um Acatech-Präsident Reinhard Hüttl. Die Gutachter betonen sogar „Chancen“, die sich aus dem Klimawandel ergäben – etwa für die Landwirtschaft durch die Verlängerung der Wachstumsperioden. 

Und die Stuttgarter Zeitung ergänzte zum acatech-Bericht am gleichen Tag:

In Südwestdeutschland werde das Klima mediterran, in den Niederungen trockener, in den Mittelgebirgen feuchter, zitiert [Der Siegel] aus dem […] Papier. Zu erwarten sei eine „steigende Wahrscheinlichkeit extremer Trockenheit in einzelnen Jahren“. Dem gegenüber stünden mehr Niederschläge im Winter. Neue Bewässerungssysteme könnten Abhilfe schaffen, auch klimaangepasste Baumarten. In den Städten sei zwar mit erhöhten Kosten für Klimatisierung im Sommer zu rechnen, in der kalten Jahreszeit gebe es aber auch Vorteile: „Höhere Temperaturen im Winterhalbjahr bedeuten auch zum Teil sinkende Heizkosten.“ Auch mit Klimaflüchtlingen rechnen die Forscher nicht – zumindest nicht in Deutschland: „Eine lediglich klima- oder umweltbedingte Massenmigration nach Deutschland erscheint als unwahrscheinlich.“  

Das klingt sehr nach einer ausgewogenen Betrachtungsweise, in der Risiken und Chancen differenziert und nüchtern herausgearbeitet worden sind. Diese Common Sense-Herangehensweise lag offensichtich nicht allen Projektmitgliedern wie die Stuttgarter Zeitung am 11.9.2012 nachschob:

Vier Mitglieder der 43-köpfigen Arbeitsgruppe möchten das Papier nicht mittragen. Acatech hat ihnen angeboten, ein Sondervotum in den Bericht aufzunehmen, doch das haben die vier abgelehnt. […] Aus dem Gremium ausgetreten sind der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Paul Becker, der Meteorologe Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung sowie zwei weitere Klimaforscher [Wolfgang Cramer, Jürgen Schmid]. […] In einer eigenen Stellungnahme beschreiben die vier Forscher einen „fundamentalen Dissens“: Ihrer Ansicht nach hat die Klimaforschung die physikalischen Grundlagen von Treibhausgasen und Temperaturanstieg hinreichend geklärt. Acatech hält hingegen fest, dass man nicht abschätzen könne, wie sehr die Sonnenaktivität und Vulkanausbrüche das Klima der vergangenen 150 Jahre beeinflusst haben.

In einem Leserkommentar in von Storchs Klimazwiebel-Blog bewertete ein Leser den Rückzug der vier Arbeitsgruppenmitglieder wie folgt:

Herr von Storch zeigt auf diese Weise, was von seinen Bemühungen um Vermittlung zwischen den Positionen in der Klimadebatte wirklich zu halten ist. Der Reflex der Ausgrenzung abweichender Ansichten ist den Vertretern der herrschenden Meinung der Klimawissenschaft offenbar angeboren oder durch Kaderdenken anerzogen worden. Zur Frage des Beweises für die Treibhausgasthese hat Herr von Storch bisher immer die Aussage angeboten, eine Erwärmung sei „anders nicht zu erklären“. Wem eine solche Aussage als wissenschaftlicher Beweis ausreicht, der möge sich damit zufrieden geben, aber er könnte sich zumindest um Verständnis dafür bemühen, dass Andere dies nicht als ausreichend ansehen.

Und auch Ulli Kulke kommentierte den Vorfall in seinem Blog Donner + Doria in seinem Artikel „Die Berührungsangst der Klimaalarmisten“:

Schon im Vorfeld bestätigte sich allerdings wieder einmal, dass diejenigen, die an den Horrorszenarien hängen, an einer wirklichen Diskussion offenbar gar nicht interessiert sind. Vier Forscher, die eigentlich an der Studie mitwirken wollten, zogen es vor, von dieser Aufgabe zurückzutreten, weil ihnen ein anderer, der auch gebeten worden war, mitzuwirken, nicht passte: Fritz Vahrenholt, ehemaliger Hamburger Umweltsenator, der für den Energiekonzern RWE die Abteilung Windenergie aufbaute und betrieb, der inzwischen in die Deutsche-Wildtier-Stiftung übergewechselt ist. […] Es ist nicht das erste Mal, dass diese Berührungsängste zum Tragen kommen. Reihenweise lehnen immer dann, wenn kritische Klimaforscher zu Podiumsdiskussionen oder anderen Veranstaltungen, auch im Fernsehen, geladen werden, die “Hardliner”, die die Berichte des Weltklimarates als heilige Schrift ansehen, ihre Einladungen ab. Sie meiden die offene Diskussion. Sie leiden unter einer akuten Berührungsphobie. […] Gerade Vahrenholt ist in solchen Kreisen eine äußerst wichtige Ergänzung, sein Buch eine erfreuliche Abwechslung. Man muss dem Acatech gratulieren, dass es ihn nicht aus der Runde herauskomplimentierte, nur um die Katastrophisten zufriedenzustellen. 

 

Siehe auch Bericht in der Welt vom 17.9.2012 und Radiobericht von BR 2 (für Podcast Sendung vom 14.9.2012 auswählen)

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