GeoForschungsZentrum Potsdam mit neuer wegweisender Sonderpublikation zur Klimadebatte

Das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) ist das nationale Forschungszentrum für Geowissenschaften in Deutschland. Es befindet sich im Wissenschaftspark Albert Einstein auf dem Potsdamer Telegrafenberg. Das GFZ umfasst alle Disziplinen der Geowissenschaften von der Geodäsie bis zum Geoingenieurwesen und betreibt sie in einem engen interdisziplinären Verbund mit den benachbarten Naturwissenschaften Physik, Mathematik und Chemie sowie den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen Felsmechanik, Ingenieurhydrologie und Ingenieurseismologie. Damit ist das Institut bestens aufgestellt, um sich fundiert und ausgewogen an der aktuellen Klimadebatte zu beteiligen.

In den vergangenen Monaten haben wir bereits zwei wichtige Forschungsarbeiten mit GFZ-Beteiligung hier im Blog vorgestellt. So berichteten wir im April 2012 über eine Studie zur Klimageschichte des Aralsees, die ergab, dass sich im Laufe der letzten zwei Jahrtausende trockene, staubige Phasen stets mit feuchteren, weniger staubigen Phasen im Takte der Temperatur- und Sonnenaktivitätsentwicklung abwechselten (siehe unser Blogartikel „Starke Sonne drängt den Staub am Aralsee zurück: Feuchtere Zeiten während Wärmeperioden“). Im Mai 2012 stellten wir dann GFZ-Forschungsergebnisse zu einer Kältephase vor 2800 Jahren vor, die durch geringe Sonnenaktivität ausgelöst wurde (siehe unser Blogartikel „Geoforschungszentrum Potsdam: Solarflaute vor 2800 Jahren löste Kälteperiode in Mitteleuropa aus“).

Im Juli 2012 erschien nun eine bemerkenswerte Sonderpublikation des GFZ in Zusammenarbeit mit Bild der Wissenschaft, die den Titel „Klimawandel: Was wissen wir wirklich?“ trägt. Im Folgenden wollen wir einige ausgewählte Passagen aus dieser Schrift zitieren. Das gesamte Heft kann über den Leserservice von Bild der Wissenschaft (leserservice@wissenschaft.de) bezogen werden.

 

Auszüge aus dem Vorwort von Prof. Reinhard Hüttl, Wissenschaftlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ: 

Wer die Welt in die Kategorien Schwarz und Weiß aufteilt, liegt zwangsläufig falsch. Denn zwischen diesen beiden Extremen gibt es nicht nur einige, sondern beliebig viele Graustufen. Diese uralte Erkenntnis trifft auch auf die Klimaforschung zu. […] Da gibt es auf der einen Seite die sogenannten Klimaskeptiker […]. Das andere Extrem sind diejenigen, die in lebhaften Farben Katastrophen zeichnen […]. Wie so oft liegt die Realität zwischen den Extremen. […] 

Das Klima ist auch eng verknüpft mit den verschiedenen Teilsystemen der Erde, von den Strömungen in den Weltmeeren über die Vegetation an der Erdoberfläche bis hin zu den Vorgängen im Erdinneren. Zudem ist unsere Erde ein Planet und unterliegt wichtigen extraterrestrischen Einflüssen, und dies gilt in besonderem Maße für das Klima. […] 

Das [Klima] ändert sich auch, wenn der Mensch nicht mitwirkt. Klimamodelle können dieses komplizierte System daher nicht beschreiben – an sich benötigen wir modellhafte Abbildungen des gesamten Erdsystems. Aber auch damit ließe sich das Klima nicht planen, sondern allenfalls könnten wir seine Dynamik besser abschätzen. So wissen wir auch nicht exakt, welchen Anteil der Mensch am aktuellen Klimawandel hat und welcher Anteil den natürlichen Klimafaktoren zukommt. 

 

Auszüge aus dem Beitrag „Erde im Klimawandel“

Konstant ist nur die Veränderung

Das Klima ist nicht nur so komplex, dass selbst modernste Großcomputer seine Entwicklung allenfalls mit vielen Näherungen in Szenarien darstellen können. Vor allem aber ist das Klima mit so vielen Komponenten des Systems Erde eng verknüpft, dass bei Änderungen die klimatischen Folgen praktisch gar nicht exakt vorhergesagt werden können. Das Klima ist viel zu kompliziert, um es zu planen. Und es unterliegt einem steten Wandel. Stabilität gibt es in der Natur nur über bestimmte, eher kurze Zeiträume, nie aber auf Dauer. Ein langfristig stabiles System können Naturwissenschaftler der Gesellschaft und der Politik daher nicht versprechen, denn es wäre ein Versprechen, das einer wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Wer sich in einem solchen äußerst variablen System nicht anpasst, hat daher bereits verloren. Zur Anpassung an den Klimawandel bleibt den Menschen also keine Alternative. […] 

Auch wenn Astrophysiker die Sonne eher als stabil charakterisieren, so ist sie doch ein aktives System. […] So tauchen in manchen Jahren viele Flecken mit geringer Temperatur auf ihrer Oberfläche auf. Sonnenstürme und eine erhöhte energetische Strahlung sind die Folge. Anschließend setzt eine Ruhephase ein, bei der auch die Energieabgabe sinkt. Danach beginnt wieder ein neuer Zyklus von durchschnittlich elf Jahren Dauer […]. Selbst die über Jahrmilliarden so stabil scheinende Sonne verändert sich so laufend. Diese Veränderungen beeinflussen auch das Klima auf der Erde. […] 

Die Temperaturerhöhung von rund 0,8 Grad, für die es sichere naturwissenschaftliche Belege gibt, ist – jedenfalls im Vergleich zu den Klimaänderungen, die es in der erdgeschichtlichen Vergangenheit gab – als eher gering einzustufen. […]  

Soweit wir heute wissen, kam es bei relevanten Phasen der Erderwärmung immer zuerst zu einer Temperaturerhöhung und erst in Folge davon, mit entsprechender Verzögerung, zum Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. […]

 

Auszüge aus dem Beitrag „Wechselhaftes Klima“ 

Viele Menschen halten ein konstantes Klima für den Normalzustand. […] Geowissenschaftler wissen jedoch, dass die vermeintliche Stabilität täuscht. […] Auch in den letzten 11.000 Jahren änderte sich das Klima immer wieder. Allerdings waren die Temperaturausschläge deutlich geringer als während der letzten Eiszeit. Vor 8.200 Jahren zum Beispiel sackten die Temperaturen in Mitteleuropa innerhalb weniger Jahrzehnte um durchschnittlich ein bis zwei Grad nach unten. […] Der nächste Klimaschock ereignete sich vor rund 5300 Jahren. Damals sank im Pirotal im Schweizer Kanton Tessin die Baumgrenze abrupt um 100 Meter nach unten. Pollenanalysen deuten auf eine rasche Abkühlung um gut zwei Grad hin. In dieser Zeit begannen die Gletscher der Alpen rasch zu wachsen. […] Als die Römer vor 2100 bis vor 1600 Jahren ihr Weltreich entfalteten, half ihnen dabei ein Ausschlag des Klimapendels in die andere Richtung. […]

Vor rund 1600 Jahren begannen die Gletscher dann wieder zu wachsen, in weiten Teilen Europas fielen die Temperaturen und die Niederschläge nahmen zu. […] Die Zeit der Völkerwanderung hatte begonnen. Bis vor rund 1300 Jahren lagen die Temperaturen ein bis eineinhalb Grad niedriger als heute. Danach wurde es wieder wärmer. Im mittelalterlichen Klimaoptimum war es in der Zeit zwischen 800 und 1300 rund ein bis zwei Grad wärmer als vorher. Die Temperaturen erreichten so ein ähnliches Niveau wie am Ende des 20. Jahrhunderts. In manchen Regionen wie im Süden Grönlands war es sogar wärmer als heute. Auch in den Mittelgebirgen Deutschlands lag die Ackerbaugrenze damals 200 Meter über dem heutigen Niveau. […] Vom Anfang des 15. bis ungefähr in die Mitte des 19. Jahrhunderts folgte eine erneute Abkühlung. Auf der nördlichen Halbkugel brachte diese Kleine Eiszeit zwar nur einen Temperaturrückgang von nicht einmal einem Grad. Die Abkühlung aber hatte drastische Folgen: Auf Grönland verschwanden die Siedlungen der Wikinger, in Europa verursachten lange Winter und nasskalte Sommer Missernten, Hungersnöte folgten. 

 

Auszüge aus dem Beitrag „Viele Größen im Spiel“

Der mit Abstand wichtigste Treiber des Weltklimas außerhalb der Erde und ihrer Atmosphäre ist die Sonne. […] Dieser Energiefluss von der Sonne ist die wichtigste Kraft, die das Klima der Erde antreibt. Allerdings ist die Strahlung nicht völlig konstant, sondern schwankt in verschiedenen Rhythmen, von den 11-jährigen Sonnenfleckenzyklen über den 88- bis 90-jährigen Gleisbergzyklus bis hin zu den auch heute noch nicht vollständig verstandenen Grand Solar Maxima und Minima. Moderne Klimamodelle berücksichtigen zwar die Variation in der Sonnenstrahlung, offenbar aber nicht detailliert genug. Neuere Untersuchungen, auch am GFZ, zeigen, dass der Energieeintrag in das System Erde einer nach Wellenlängen differenzierten Betrachtung bedarf. […] Eine komplexe Wirkungskette führt zu Variationen in Wolkenbildung und Niederschlagsverteilung. Sie kann – im Falle größerer Schwankungen der Solarstrahlung – sogar Veränderungen im Windsystem mit sich bringen. […] Als dagegen zwischen 1645 und 1715 die Sonnenflecken weitgehend ausblieben, fielen die Temperaturen auf der Erde deutlich und die Kleine Eiszeit erreichte ihren Höhepunkt.

Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau und seine Kollegen habe mithilfe von Radiokohlenstoff- und dendrochronologisch datierten Baumringen die Sonnenfleckenzyklen der letzten acht Jahrtausende ermittelt und mit der Klimaentwicklung verglichen. Seit den 1940er Jahren gibt es demnach auffallend viele Sonnenflecken. Damit ist auch die Strahlung relativ hoch, die bis etwa 1970 einen guten Teil des gemessenen Temperaturanstiegs auf die Erde erklären kann. […] Danach sorgte ganz offensichtlich ein zusätzlicher Faktor für einen weiteren Wärmeschub: Die Nutzung fossiler Brennstoffe und die damit verbundenen CO2-Emissionen tragen zur Erhöhung der Temperatur bei, auch wenn etwa seit dem Jahr 2000 die globale Durchschnittstemperatur auf hohem Niveau stagniert oder sogar leicht sinkt. 

 

Auszüge aus dem Beitrag „Das Fazit“ 

Entscheidungsträger stehen damit einmal mehr vor dem Problem, auf der Basis eher unsicheren Wissens handeln zu müssen. Diese diffizile Handlungsbasis erfordert ein Höchstmaß an Flexibilität und – neben allgemein akzeptierten No-regret Maßnahmen – die Bereitschaft, Entscheidungen möglichst nur dann und in dem Umfang zu treffen, wie es die jeweils vorherrschenden Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten verlangen. Um die Effekte der jeweils eingeleiteten Regelungen und Maßnahmen zu kontrollieren, sind möglichst zielgenaue Monitoringverfahren angezeigt. Daraus leitet sich ein iterativer Prozess ab mit der Maßgabe, auf der Grundlage neuen Wissens bereits getroffene Entscheidungen zu revidieren. […]

Selbstverständlich sind die noch bestehenden, zum Teil gravierenden Wissenslücken in unserem Verständnis des Systems Erde Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten. Dies aber bedeutet, dass die damit befassten Wissenschaftler immer wieder neue und ganz sicher auch überraschende Ergebnisse erzielen werden, welche die jetzigen Annahmen und Vorstellungen – unsere Erde, ihr Klima und deren Interaktionen betreffend – an der einen oder anderen Stelle infrage stellen oder sogar falsifizieren werden. In der Tat ist es die zentrale Aufgabe wissenschaftlicher Arbeit, neues Wissen zu generieren sowie sogenanntes sicheres Wissen immer wieder zu hinterfragen, um dieses – wo immer möglich – durch neues und damit besseres Wissen zu ersetzen.

In diesem Sinne ist eine Einteilung der Forscher in diejenigen, die angeblich über hinreichendes Wissen verfügen, und in eine andere Gruppe, die diesem aktuellen Wissensstand skeptisch gegenübersteht, ein dem grundlegenden Konzept der Wissenschaft zuwiderlaufender Vorgang, insbesondere wenn die in Rede stehende Thematik noch Gegenstand intensiver Forschung ist. Was aber sehr wohl existiert, ist gute und schlechte Forschung.

Die Unterscheidung in gute und schlechte Wissenschaft lässt sich gerade im Bereich der Natur- und Technikwissenschaften durch geeignete Parameter adäquat überprüfen und damit belegen. Wenn mithilfe guter Forschung neues Wissen generiert wird, dieses aber gleichwohl nicht in das vom Mainstream gezeichnete Bild passt, dann können solche Ergebnisse nicht einfach in die Rubrik Skepsis eingeordnet werden. Vielmehr belegen derartige Erkenntnisse, dass jeder Wissenschaftler letztendlich bereit sein muss, seine auch noch so lieb gewonnene Arbeitshypothese oder Theorie zu relativieren oder sogar ganz zu verwerfen, wenn neue, wissensbasierte Fakten dieses erfordern. Wissenschaft muss frei, muss unabhängig sein, sonst kann sie ihren Auftrag nicht erfüllen.

 

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