Fritz Vahrenholt: Die Energiewende und die ausbleibende Erwärmung

Fritz Vahrenholts monatliche Kolumne, 5.5.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

während der seit einigen Monaten in Deutschland und Europa sichtbar gewordenen Energiekrise ist es leiser geworden um den angeblich bevorstehenden Klimanotstand. Einerseits haben Energiepreise und Versorgungssicherheit  das Klimathema in den Hintergrund gerückt. Andererseits zeigt sich eine Abschwächung der Erwärmungstendenz der letzten 40 Jahre.


Die Temperaturkurve der satellitengestützten Messungen der University of Alabama UAH pendelt seit 20 Jahren zwischen -0,2 und 0,4 Grad und scheint seit 2015 stabil zu bleiben, wie die nächste Grafik in der Vergrößerung zeigt. (Quelle : woodfortrees). Der Mittelwert ist in grün gezeichnet- er zeigt eine leicht sinkende Tendenz seit 2015.
Warum wird darüber nicht berichtet ?

Was sind die Gründe für diese Seitwärtsbewegung ?

Die CO2-Konzentrationen in der Luft sind ungebrochen angestiegen. Zwar sind die weltweiten CO2-Emissionen seit einigen Jahren mit 40 Milliarden Tonnen CO2 einigermassen konstant. Etwas mehr als die Hälfte wird von den Meeren und den Pflanzen aufgenommen, so dass zur Zeit jedes Jahr umgerechnet etwa 2,5 ppm CO2 in der Luftkonzentration hinzukommen. 2015 waren 401 ppm CO2 in der Luft, 2021 416 ppm. Bei diesem Tempo würden wir übrigens niemals im Jahre 2100 die furchterregenden Szenarien des IPCC von 800 bis 1000 ppm erreichen.
Nein, die fehlende Erwärmung muss andere Gründe haben…

Wie groß ist der Anteil der natürlichen Erwärmung in den letzten 30 Jahren ?
Und wie groß ist die natürliche Abkühlung in den nächsten 30 Jahren ?

Eine Veränderung der globalenTemperatur kann auch auf natürliche Weise passieren. Wir wissen, dass die Wolken nach der Jahrtausendwende um etwa 2 % abgenommen haben, und dass seit zehn Jahren die Wolkenbedeckung stabil auf niedrigem Niveau ist. Zum anderen gibt es ozeanische Temperaturzyklen wie die Atlantische Multidekadische Oszillation AMO, die von 1980 bis Anfang dieses Jahrtausends stark zugenommen hat (immerhin  um 0,5 Grad), seitdem im Maximum verharrt und nun sich wieder leicht abschwächt (siehe nächste Grafik).
Die Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staate, NOAA, schreibt , dass die AMO in der Warmphase die anthropogene Erwärmung verstärken kann und in der kalten Phase verschwinden lassen kann. Nach NOAA ist die AMO ein natürlich  auftretender Wechsel der Temperaturen des Nordatlantiks, der seit mindestens 1000 Jahren mit abwechselnden Warm- und Kaltphasen von 20-40 Jahren stattfindet.
Nimmt man noch die sich seit 2008 abschwächende Solarstrahlung hinzu, so ist eine weitere deutliche Erwärmung über 1,5 Grad hinaus in den nächsten 30 Jahren kaum zu erwarten.

Die seit einigen Jahren zu verzeichnende Seitwärtsbewegung der Temperaturen erkennt man auch in dem gestoppten Rückgang der arktischen Ausdehnung des Seeeises, über den das europäische Copernicus-Programm im März berichtete.(siehe nächste Grafik)

Das sind eigentlich gute Nachrichten.

Wäre es nicht an der Zeit, dass Klimaforscher diese Trends der Politik und der Öffentlichkeit nahebringen? Denn die Politik justiert gerade die Prioritäten  der Energieversorgung neu. War es bis zur Preisexplosion des letzten Jahres und den Folgen des Ukraine -Krieges offenbar selbstverständlich, die Klimaauswirkungen als den allein bestimmenden Faktor für Energiepolitik heranzuziehen, so wird uns allen die Bedeutung von Versorgungssicherheit und Preisentwicklung nun vor Augen geführt.

Die Politik reagiert aber immer noch unzureichend. Sie glaubt , in dem lediglich  mehr Windkraftwerke und Solaranlagen gebaut werden, das Problem der selbsterzeugten Energieknappheit auf Grund des Doppelausstiegs aus Kohle und Kernenergie zu bewältigen. Es muss immer wieder daran erinnert werden, dass in 2021 der Anteil von Wind- und Solarenergie knapp über 5 % der Primärenergie ( Öl, Gas, Kohle, Kernergie, Erneuerbare Energien) betrug. Selbst in einem guten Windjahr wären es nicht viel mehr als 6 %.

Den erforderlichen Mut, das Kohleausstieggesetz außer Kraft zu setzen, den Kernenergieausstieg zu stoppen, das Erdgas-Fracking-Verbot sowie das Verbot der CO2- Abscheidung bei Kohlekraftwerken aufzuheben, hat die Politik nicht. Noch nicht.
Noch werden munter Gasheizkraftwerke wie in Leipzig gebaut, die Kohleheizkraftwerke mit heimischer Braunkohle ersetzen sollen. Die Industrie ist da schon weiter. Volkswagen hat die Konversion von zwei eigenen Kohlekraftwerken in Gaskraftwerke auf unbestimmte Zeit verschoben. Über diese Erklärung des Vorstandschefs Diess wurde hierzulande nicht breit berichtet, im Ausland schon.

Auch die US-Regierung stellt sich neu auf. John Kerry, der Klimabeauftragte der amerikanischen Regierung, für den bislang das 1,5 Grad – Ziel die alleinseligmachende politische Vorgabe war, relativiert nun und verbreitet  in Anbetracht explodierender Energiepreise, dass 1,8 Grad als Ziel durchaus ausreichen sollten. Die in ihrem Wachstumspfad durch die Preisexplosion gefährdeten Länder China, Indien und Südostasien praktizieren eine Renaissance der Kohleförderung. Da sollte man hinhören, wenn Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg sagt : „Es ist unrealistisch, die Emissionen bis 2050 weltweit auf Null zu bringen… eine 2,5 Grad Welt ist immer noch besser als eine 3,5 Grad Welt.“

Da wollen wir Herrn Marotzke beruhigen:  eine 2,5 Grad-Welt wird  in diesem Jahrhundert nicht erreicht, weil  die natürlichen Schwankungen des Klimas die anthropogene Erwärmung dämpfen. Hätte man dies ausreichend in den Klimamodellen berücksichtigt, wäre uns allen viel Panik in der Öffentlichkeit und fehlerhafte Entscheidungen in der Politik erspart geblieben.

Mit den besten Wünschen
Ihr
Fritz Vahrenholt

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