Die Versicherungswirtschaft und die Klimakatastrophe: Eine unheimliche Liaison

In der hitzigen Klimadebatte gibt es eine Vielzahl von seltsamen Dingen zu beobachten. Eine dieser unerklärlichen Kuriositäten ist die enge Verbandelung zwischen der Versicherungsindustrie und Vertretern der Klimaforschung. Ist die „wissenschaftliche“ Kooperation zwischen diesen ungleichen Partnern wirklich so unschuldig wie sie vorgibt und nur der Mehrung des Wissens verschrieben? Oder könnte es Gründe außerhalb der Wissenschaft geben, die die Partner im Zweifelsfall eher zur Klimakatastrophe tendieren lassen? Rein hypothetisch: Wie würden sich Versicherungsabschlüsse gegen Extremwetter und Forschungsfördermittel entwickeln, falls sich herausstellen sollte, dass die Klimakatastrophe nicht stattfindet? Wie steht es mit Transparenz und wie können mögliche Interessenskonflikte ausgeschlossen werden?

Im Folgenden wollen wir diesen Fragen näher nachgehen. Das abschließende Urteil darüber wollen wir Ihnen jedoch gerne selber überlassen.

 

Extremwetterkongress 2012 in Hamburg

Im Frühjahr 2012 fand in Hamburg zum wiederholten Male der Extremwetterkongress statt. Die Zeit berichtete darüber damals:

„Die Zahl verheerender Stürme, Regenfälle und anderer wetterbedingter Naturkatastrophen hat sich in Deutschland seit den 1970er Jahren mehr als verdreifacht – und wird auch in Zukunft zunehmen. Die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Munich Re hat auf dem siebten Extremwetterkongress im März 2012 in Hamburg entsprechende Daten veröffentlicht. Peter Höppe, Leiter der Munich-Re-Georisikoforschung, sagte: ‚Für die nächsten 30 Jahre rechnen Klimamodelle in Deutschland vor allem mit einer Zunahme der Sturmintensität und mit mehr Starkniederschlägen, die zu Überschwemmungen führen‘.“

Die taz ergänzte:

„Den größten wirtschaftlichen Schaden richtete das Elbehochwasser im August 2002 mit rund 11,6 Milliarden Euro an, berichtete Peter Höppe, Leiter der Georisiko-Forschung bei dem Versicherungskonzern. Das für die Branche teuerste Ereignis war der Winterorkan „Kyrill“ im Januar 2007, für den die Versicherungen 2,4 Milliarden Euro Schadensersatz zahlen mussten. Und auch „die mit Abstand tödlichste Naturkatastrophe“ hat Munich Re ermittelt: Der Hitzewelle im Sommer 2003 seien allein in Deutschland bis zu 9.000 Menschen zum Opfer gefallen. Der Trend sei eindeutig, sagt Höppe: ‚Die Wettermaschine hat einen Gang höher geschaltet.‘ “ 

Da bekommt man schon ein bisschen Angst, wenn die „Experten“ so etwas sagen. Als Hausbesitzer versucht man sogleich Vorsorge zu betreiben, um sein kostbares Eigentum gegen die angeblich außer Rand und Band geratenen Natur zu schützen. Was könnte man nur tun? Richtig! Sich dagegen versichern. Sogleich bucht man einen Termin mit seinem lokalen Herrn Kaiser, der sich der Sache nur allzu gerne annimmt.

Achso, eines hatten wir noch vergessen zu erwähnen. Können Sie sich vorstellen, wer als Sponsor der Extremwetterkongresses auftritt? Sie kommen nicht drauf? Es ist der Arbeitgeber von Peter Höppe, die Munich Re. Hauptzugpferd der wissenschaftlichen Seite war 2012 kein geringerer als Mojib Latif.

Dabei gibt es allerdings ein kleines Problem mit der Munich Re Aussage. Denn wenn man sich die Daten einmal ganz genau anschaut, dann ist überhaupt keine noch niemals dagewesen Steigerung der Naturkatastrophen zu erkennen. Dabei sind wohl gleich zwei grundlegende Fehler passiert. Zum einen wurde die natürliche Schwankungsbreite zu wenig berücksichtigt, die sich in Zeiträumen von Jahrhunderten anhand geologischer Methoden gut nachvollziehen lässt. Wenn man diese natürlichen Schwankungen aus der vorindustriellen Phase zum Vergleich heranzieht, so wird schnell deutlich, dass der natürliche Variationsbereich auch heute noch keineswegs verlassen wurde. Hierzu haben wir in der Vergangenheit bereits zahlreiche Beispiele in unserem Buch „Die kalte Sonne“ (Kapitel 5) sowie in unserem Blog gebracht:

 

Zum gleichen Ergebnis gelangte auch eine großangelegte Studie, in der die Klimaextreme Chinas untersucht wurden. Die Ergebnisse wurden im Dezember 2011 in der Zeitschrift Climate Research veröffentlicht. Weder wurden lineare Trends für die letzten 100 Jahre gefunden, noch haben die Extremwetterereignisse der letzten Jahrzehnte den Bereich der historisch bekannten natürlichen Schwankungsbreite verlassen.

Der zweite Fehler hat wohl mit einer Fehlinterpretation der registrierten Schadenssummen zu tun. Ein Anstieg von Schadenssummen bedeutet nicht automatisch, dass es mehr und schlimmere Naturkatastrophen gegeben hätte. Hier spielt vielmehr eine Rolle, dass sich Werte mit steigendem Lebensstandard fortwährend erhöht haben und mehr Menschen z.B. in überflutungsgefährdeten Regionen gesiedelt haben. Bei entsprechender Normalisierung der Schadenssummen ist laut einer neuen Untersuchung der London School of Economics and Political Science statistisch kein globaler Anstieg im Schadenstrend zu erkennen. Die Schlussfolgerung der Autoren ist eindeutig: „Der Klimawandel ist und kann nicht die Hauptsorge der Versicherungsindustrie sein. Die Akkumulation von Werten in Naturkatastrophen-gefährdeten Gebieten ist und wird stets die Hauptursache für die zukünftige Schadenssummenentwicklung darstellen.“ Eine detaillierte Bewertung der Thematik fand kürzlich durch Roger Pielke, Jr. statt.

Ähnlich äußerte sich übrigens der Versicherer SWISS Re im Jahre 2010 auf dem Extremwetterkongress:

„… der Hauptgrund für die markant steigenden Schadensummen durch Naturkatastrophen (ist) in den sozio-ökonomischen Bedingungen (Wertekonzentration und Besiedlung exponierter Regionen, Bevölkerungszunahme, höhere Schadenanfälligkeit) zu suchen.“

Dazu muss man wissen, dass sich die meisten Extremwetter-Katastrophenwarnungen auf die übertriebenen Temperaturprognosen des IPCC beziehen, in denen jedoch die Wirkung des CO2 überschätzt und diejenige natürlicher Klimafaktoren unterschätzt wurde. Weiterhin treten in den Datenreihen Artefakte auf, da die Beobachtungsdichte früher viel dünner war, als heute, wo Satelliten jeden Winkel der Erde überwachen können.

Klaus-Eckart Puls hat sich vor einiger Zeit die Mühe gemacht, die klimaalarmistischen Aussagen aus der Versicherungsbranche ausführlich zu prüfen und zu kommentieren. Siehe sein Beitrag „Bei Medien und der Münchner Rück nehmen Naturkatastrophen deutlich zu. In der Wirklichkeit ist das anders!

 

Enge Verquickung der Versicherungswirtschaft mit der Klimaforschung

Bereits in unserem Buch „Die kalte Sonne“ berichteten wir auf den Seiten 274-275 über seltsame Joint Ventures zwischen staatlichen Forschungsinstituten und der Versicherungsbranche:

„Pikant wird es, wenn sich Institutionen mit ähnlicher Interessenlage zusammentun und gemeinschaftlich an die Öffentlichkeit treten. So veröffentlichte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Mai 2011 das Ergebnis einer Studie, in der auf Basis von Klimamodellen vor einer starken Zunahme von klimawandelbedingten Naturkatastrophenschäden bis 2100 gewarnt wird.4 An der Studie war neben dem GDV unter anderem auch das Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) beteiligt, das sich in der Klimadiskussion nicht gerade als unabhängiger Vermittler hervorgetan hat, sondern inhaltlich eher auf der Versicherungsseite beheimatet ist. Was ist von so einer Kooperation und den daraus resultierenden Warnungen für die Öffentlichkeit zu halten?“

Auf der Webseite klimaskeptiker.info werden die möglichen Hintergründe näher beleuchtet:

„Die Münchener Rück zieht ihren Profit aus der „Wertschöpfungskette der Assekuranz”. Dieses Zitat sagt nichts anderes als: Die Münchener Rück möchte wie jede Versicherung mehr Versicherungsprämien einnehmen als Schadensausgleichszahlungen leisten. In einem Markt, bei dem der Preis, also die Höhe der Versicherungsprämie, eine große Rolle spielt, braucht man gute Argumente, wenn man hohe bzw. höhere Prämien durchsetzen will. Vor diesem Hintergrund hat die Münchener Rück ihr Herz für die Klimatologen entdeckt. Die Klimatologen produzieren so wunderbare Horrorszenarien, scheinbar unumstößliche wissenschaftliche Beweise und Prognosen, daß die Menschheit sich in Zukunft viel mehr und viel schlimmeren Naturkatastrophen gegenübersehen wird. Mit diesem angeblich unausweichlich eintretenden Katastrophenszenario läßt sich nicht nur wunderbar Politik betreiben, man kann auch den Kunden glaubhaft machen, daß höhere Versicherungsprämien unausweichlich sind, weil ja angeblich die Schäden zukünftig viel höher ausfallen werden.“

Die enge Verquickung von Forschung und Versicherung wird auch durch die Kooperation namhafter deutscher Klimawissenschaftler mit der Munich Re ersichtlich. So verfasste der Potsdamer Stefan Rahmstorf in der Vergangenheit Texte und Broschüren für die Münchener Rück. Während Klimaskeptikern Lobbyismus für die Energiewirtschaft vorgeworfen wird, scheinen Rahmstorfs Kooperation mit der Versicherungsindustrie jedoch offenbar kaum jemanden zu interessieren.

Auch der Hamburger Klimaforscher Hartmut Graßl besitzt enge Beziehungen zu Munich Re. Er ist nämlich Mitglied des Stiftungsrates der Münchener Rück Stiftung. Selbst im gerade entstehenden neuen Klimazustandsbericht des Weltklimarats (AR5) sind Mitarbeiter von Munich Re als Leitautoren involviert. Eberhard Faust schreibt an Kapitel 10 in der Arbeitsgruppe II mit („Key economic sectors and services“), und Sandra Schuster am regionalen Australasien-Kapitel 25. Unklar ist, ob Schuster noch bei Munich Re arbeitet, da hinter ihrem Namen nun „Independent Consultant“ steht. Zumindest 2010 war sie bei Munich Re noch angestellt.

Dabei darf man nicht vergessen, dass die großzügig Autoren-ausleihende Munich Re ein Wirtschaftsunternehmen ist. Noch 2010 machte das Unternehmen einen Gewinn von € 2,43 Milliarden. Im Nachfolgejahr 2011 sackten die Gewinne jedoch auf € 0,7 Milliarden ab. Ist die Munich Re hier möglicherweise bereits erstes Opfer des Klimawandels geworden. Das kann man nicht gerade behaupten. Zwar war 2011 wohl das teuerste Naturkatastrophenjahr aller Zeiten. Die höchsten Kosten entstanden jedoch durch das Erdbeben und den Tsunami in Japan sowie das Beben in Neuseeland, welche die Munich RE jeweils 1,5 Milliarden Euro gekostet haben. Typische Schäden, die gerne dem Klimawandel angehängt werden, rangieren weit dahinter. Dazu kam noch die europäische Schuldenkrise. Hier musste der Konzern € 1,2 Milliarden auf griechische Staatsanleihen abschreiben. In Zukunft soll aber alles wieder besser werden, sagt die Munich Re. Man möchte wieder zurück zu alter Stärke und den Gewinn 2013 wieder auf € 2,5 Milliarden Euro verdreifachen.

Am 6. März 2012 erschien im Handelsblatt ein länger Beitrag zum Klimawandel, in dem Peter Höppe von Munich Re zu Wort kommt. Unter anderem sagt er in diesem Artikel:

„Wenn man die Erdbeben herausrechnet und nur die wetterbedingten Katastrophen nimmt, war 2011 immer noch das zweitteuerste Jahr nach 2005“. 

Im Jahr 2005 hatte der Hurrikan Katrina New Orleans zerstört. Was hat nun 2011 die Nicht-Erdbebenkosten eigentlich verursacht? Im Artikel führt Höppe die Überschwemmungen in Thailand und Australien genannt und bringt sie mit dem menschengemachten Klimawandel in Verbindung. Das ist schade. Denn bereits im darauffolgenden Monat, im April 2012, erschien in den Geophysical Research Letters eine Arbeit, in der genau diese australischen Überschwemmungen als Teil der natürlichen Klimavariabilität eingestuft wurden (siehe unser Blogbeitrag „Australische Überschwemmungen 2011 und 2012 haben natürliche Gründe: La Nina verstärkt durch die negative Phase der Pazifisch Dekadischen Oszillation (PDO)“).

Zum anderen nennt Höppe Wirbelstürme in den USA, die angeblich mit der Klimaerwärmung zu tun hätten. 2010 und 2011 gehörten zu den Jahren mit den meisten Hurrikans.

Das kann man zum Glück leicht nachprüfen – und entpuppt sich als Ente. Ryan Maue von der Florida State University ist ein Spezialist für tropische Wirbelstürme. Die Jahre 2010 und 2011 sind keineswegs außergewöhnlich. Die „akkumulierte Zyklon-Energie“ war zwar etwas höher als in anderen Jahren, lag aber immer noch weit unter den Werten anderer Jahre in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Wenn man sich die Wirbelsturmtätigkeit global anschaut, so waren die Jahre 2010 und 2011 sogar nur Durchschnitt (Abbildung 1).

Abbildung 1: Globale Wirbelsturmhäufigkeit der letzten drei Dekaden. Die Jahre 2010 und 2011 erreichen bei weitem nicht die Werte aus den 1990er Jahren. Abbildungsquelle: Ryan Maue.

 

Weiter heißt es im Artikel, dass 2011 laut der Munich Re-Tochter ERGO das sturmreichste Jahr der letzten 40 Jahre gewesen sein soll. Seit 40 Jahren? Das heißt im Umkehrschluss doch, dass es vor 50, 60, 70 Jahren mindestens genauso stürmisch gewesen ist, zu einer Zeit als die globalen Temperaturen etliche Zehntelgrade niedriger waren als heute. Wie passt dies zusammen, wenn doch angeblich die Klimakatastrophe den Sturm 2011 gemacht haben soll?

Wie bereits erwähnt kooperierte 2011 das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer Studie, die eine signifikante Zunahme von Sturm-, Hagel- und Überschwemmungsschäden suggerierte. Das Handelsblatt schreibt über die Studie:

„Die Sturmschäden werden bis zum Jahr 2100 voraussichtlich um mehr als 50 Prozent zunehmen. Hochwasser, wie sie Deutschland heute im Durchschnitt alle 50 Jahre erlebt, treten künftig alle 25 Jahre auf.“

Das ist die schlechte Nachricht. Aber der GDV hat laut Handelsblatt zum Glück auch noch eine „gute“ Nachricht:

„Der GDV geht aber davon aus, dass Wetterschäden in Deutschland – anders als in anderen Erdteilen – weiterhin versicherbar bleiben.“ 

Die Aufforderung ist klar und deutlich: Holt Euch endlich diese Extremwetter-Versicherungen, sonst könnte es Euch richtig dreckig ergehen ! Und für alle diejenigen, die bereits eine Versicherung haben gibt es auch Neuigkeiten, die der GDV via Handelsblatt verkündet:

„Die Policen werden aber teurer werden.“ 

Für die immer noch Unentschlossenen und Langsamdenker vereinfacht Höppe dann nochmal:

„Die Dringlichkeit, etwas zu tun, ist eher gestiegen“. 

Eine drängende Frage zum Verständnis muss gestattet sein: Was passiert eigentlich, falls sich der ganze Katastrophismus später als wissenschaftlicher Irrtum herausstellt? Bekommen die Kunden die zuviel bezahlten Prämien dann wieder zurückerstattet? Kann man sich gegen Wissenschaftsirrtum eigentlich irgendwo versichern?

Im gleichen Handelsblattartikel kann man dann noch etwas ganz und gar Überraschendes lesen. Auf „Die kalte Sonne“ angesprochen sagt Höppe: „Mit den Sonnenfleckenzyklen beschäftigen wir uns natürlich auch.“ Es gebe hier aber keinen langfristigen Trend, der den Anstieg der Temperaturen auf der Erde erklären könne.

Hier irrt Höppe gewaltig. Er sollte es eigentlich besser wissen. Selbstverständlich gibt es einen langfristigen Trend der Sonnenaktivität, der gut zur Erderwärmung passt. Die Sonnenaktivität ist die letzten dreihundert Jahre seit dem Höhepunkt der Kleinen Eiszeit signifikant angestiegen. Das Sonnenmagnetfeld hat sich in den letzten 100 Jahren mehr als verdoppelt. Die letzten Jahrzehnte gehören zu den solar aktivsten der vergangenen 10.000 Jahre. Höppe scheint hier offensichtlich die Trägheit des Klimasystems zu vergessen. Es kann einige Jahrzehnte dauern, bis sich das Klima an ein hohes Aktivitätsniveau der Sonne vollständig angepasst hat. Das hohe Solarplateau der letzten Jahrzehnte passt daher, anders als von Höppe behauptet, sehr gut in das Konzept, dass die Sonne eine signifikante Rolle bei der Erderwärmung der letzten 300 Jahre und auch der letzten 50 Jahre gespielt hat.

 

Extremwetter als Werbemasche für Versicherungen

Die großflächige mediale Verbreitung der angeblich in Deutschland steigenden Extremwettergefahr hat in der Bevölkerung eine Grundbesorgnis geschaffen, die einen guten Nährboden für den letztlich entscheidenden Vertragsabschluss bildet. An diesem Punkt schlägt nun die Stunde der vielen lokalen Versicherungsvertreter. In Anzeigenblättern schalten sie als Artikel getarnte Webeanzeigen, mit dem sie den Endverbraucher direkt zum Vertragsabschluss animieren wollen. Das folgende Beispiel erschien 2012 im Stadtmagazin Norderstedt (bei Hamburg):

„Unberechenbares Wetter – schützen Sie sich!

Norderstedt (em/mp) Der Sturm Kyrill oder das Sommerhochwasser an der Elbe: In den vergangenen Jahren hat die Anzahl extremer Unwetter zugenommen. 

Viele Wissenschaftler führen das auf den Klimawandel zurück. Die Folgen aus solchen Naturkatastrophen bedeuten für Hausbesitzer Milliardenschäden. „Wegen des Klimawandels müssen Sie sich auf die Zunahme extremer Unwetter und Naturkatastrophen vorbereiten“, weiß Versicherungsexperte Finn Herbert. „Starkregen, Hochwasser, Sturm, Hagel, langanhaltende Kälte oder intensiver Schneefall können zu großen Schäden an Ihrem Gebäude und Ihrem Hausrat führen. Jeden kann es treffen. Denn gerade Starkregen kann auch weit entfernt von Gewässern Überschwemmungen verursachen.“  

Eine normale Wohngebäude- und eine Hausratversicherung reichen nicht aus, um sich vor den Folgen der sogenannten Elementargefahren zu schützen. Diese bieten nur Versicherungsschutz gegen die Gefahren Feuer, Sturm, Hagel, Blitzschlag, Leitungswasser und in der Hausratversicherung auch noch gegen Einbruch und Diebstahl. „Für die Elementargefahren wie Überschwemmung, Rückstau, Starkregen, Schneedruck, Erdrutsch, Erdfall, Erdsenkung, Lawinen und Vulkanausbruch gibt es die Elementarschadenversicherung“, erklärt Finn Herbert. „Diese kann in Ihre Wohngebäude- und Hausratversicherung mit eingeschlossen werden. Rufen Sie uns an – wir informieren Sie gerne ausführlich.“

Kontakt:
xyz GmbH
Tel. xxxxxxx

Wie redlich ist diese Art der Werbung, wenn man sich vor Augen führt, dass die wissenschaftliche Basis der Werbeaussage hoch umstritten ist, um es einmal freundlich auszudrücken?

Da wundert es doch schon sehr, dass sich selbst Ministerien vor den Karren der Versicherungsindustrie spannen lassen. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat sogar im April 2012 eine regelrechte „Kampagne“ aufgelegt:

„Klimarisiko sehen – elementar versichern

Die Launen der Natur werden durch den Klimawandel immer spürbarer. Sturm und Hagel oder Starkregen und Überschwemmungen sind längst keine Seltenheit mehr. Milliardenschäden sind die Folge, auch in Niedersachsen. Sind Sie gegen Elementarschäden versichert? In Zukunft muss mit einer weiteren Zunahme von extremen Unwettern gerechnet werden. Deshalb hat die Niedersächsische Landesregierung eine Informationskampagne zur Elementarschadenversicherung gestartet. „Die Kampagne soll das Bewusstsein der Menschen für die möglichen Folgen von klimawandelbedingten Naturereignissen und die daraus resultierenden Schäden sensibilisieren. Gleichzeitig wird gezielt darüber informiert, wie Elementarschäden versichert werden können“, sagte Umweltminister Stefan Birkner zum Start der Kampagne „Klimarisiko sehen – elementar versichern“. „Dies soll in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und insbesondere zusammen mit der Versicherungswirtschaft geschehen.“ Nach Auskunft des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) können sich heute bereits mehr als 98 Prozent der Bürger in Deutschland mit Standardprodukten gegen Elementarschäden versichern. Allerdings nutzen derzeit weniger als 10 Prozent der Niedersachen diese zusätzliche Versicherungsmöglichkeit. Die Regierungskommission Klimaschutz hatte daher im Sommer 2010 dem Umweltministerium empfohlen, Niedersachsens Bürger über die Möglichkeit der Versicherung gegen Schäden durch Naturereignisse aufzuklären.“

Auch in Österreich hat die Versicherungsbranche das Thema übrigens schon lange entdeckt. Die Kleine Zeitung berichtete am 8.5.2012:

„Überaus warnende Worte fand Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung: ‚Durch die Klimaänderung wird die Sicherheit der nationalen Lebensmittelversorgung zu einem wachsenden Risiko.‘ Die Österreicher würden ‚auf viel Wohlstand verzichten müssen‘, wenn man nicht mehr in den Klimaschutz investiere.“

Das Handelsblatt scheint das Klimaversicherungsthema zu mögen. Am 20.6.2012 bot sie dem GDV erneut eine Plattform, in dem der Verband darauf hinwies, „dass es so gut wie keine Region mehr gibt, die vor solch gravierenden Unwettern sicher ist“:

„ ‚Energetisch sanierte Fassaden, die lediglich mit einer wenige Millimeter dicken Putzschicht geschützt sind, werden bei intensiverem Hagelschlag durchlöchert wie Schweizer Käse‘, sagt Oliver Hauner vom Branchenverband GDV. Typisch für Hagelstürme: Sie sind extrem tückisch. Schauer kommen urplötzlich und schlagen – kaum vorhersagbar – mal hier und mal da zu. In einem Dorf vernichten sie Häuser, Autos und die Saat der Landwirte. Wenige Kilometer weiter passiert dagegen nichts. […] ‚Das lokale Auftreten der Schäden führt uns wieder einmal vor Augen, dass es so gut wie keine Region mehr gibt, die vor solch gravierenden Unwettern sicher ist‘, sagen Versicherungs- und Klimaexperten.“

Der GDV macht sich durchaus Gedanken, ob die Bevölkerung ihnen die Apokalypse-Szenarien abnimmt. Dabei scheint es, dass ein großer Teil der Bevölkerung den Visionen durchaus kritisch gegenübersteht:

„In einer GDV-Umfrage sagten rund 40 Prozent der Befragten, dass Wissenschaftler, Politiker und Medien die negativen Folgen des Klimawandels übertreiben würden. Solche Lässigkeit könnte damit zusammen hängen, dass der Klimawandel im Detail schwer zu erkennen ist. Er bewirkt viele schleichende Veränderungen, die im Laufe der Zeit jedoch gewaltig wirken.“

Ob dies wohl die Skeptiker überzeugt? Derweil haben die Versicherungen bereits den nächsten Kundenkreis ins Visier genommen: Die Landwirte. Im Handelsblatt lesen wir dazu:

„Da durch die steigenden Temperaturen die Verdunstung zunimmt, muss die Landwirtschaft im Sommer mit gravierenden Folgen rechnen. ‚Gerade in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern könnte es vermehrt zu Dürreperioden kommen‘, warnt Olaf Burghoff vom GDV. Die Folgen seien Ernteausfälle, die deutlich über das hinausgingen, was bisher aufgetreten ist. Der Branchenverband habe dafür das Konzept der landwirtschaftlichen Mehrgefahrenversicherung entwickelt, die auch Starkregen und Dürre einschließe. Allerdings sei das Echo in der Bauernschaft verhalten. ‚Viele Landwirte glauben, die Folgen des Klimawandels mit der Rücklage eines Notgroschens aus eigener Kraft schultern zu können‘, sagt Oliver Hauner vom GDV, ‚aber der Notgroschen allein wird wohl nicht ausreichen.‘ Also bieten sich Versicherungen geradezu an.“

Interessant wird es nun, wenn in den kommenden Jahren die vorhergesagten Monster-Extremwetterschäden ausbleiben würden, es möglicherweise gar keinen langfristigen Anstieg gibt. Die erste Hälfte von 2012 könnte hier schon einen Vorgeschmack liefern. Dies könnte die Branche letztendlich in Erklärungsnöte stürzen. Die Allgemeine Zeitung schrieb hierzu am 20.6.2012:

„Die SparkassenVersicherung hat in diesem Jahr [2012] vergleichsweise geringe Schäden ausgleichen müssen. Bisher blieb es beim Orkantief ‚Andrea‘, welches im Januar an rund 6 300 Gebäuden einen Versicherungsschaden in Höhe von rund 7,6 Millionen Euro verursachte. Hinzu kamen für die größte deutsche Gebäudeversicherung Leitungsschäden in Höhe von 62 Millionen Euro nach der Frostperiode im Februar. ‚Bisher sind wir glimpflich davongekommen, das kann morgen aber schon wieder ganz anders sein‘, sagte der Vorstandsvorsitzende Ulrich-Bernd Wolff von der Sahl gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. […] Die gesamten Beitragseinnahmen der Sachversicherung kletterten um 2,6 Prozent auf 1,23 Milliarden Euro. Trotz des moderaten Schadenjahres 2011 bleibe der Klimawandel spürbar ein Thema, betonte von der Sahl. ‚Die Witterungsextreme in Deutschland zeigen, wie sich auch das regionale Wetter und das Klima verändern.‘ Das werde teuer.“

Das Schlusswort wollen wir Luise Röpke von der Süddeutschen Zeitung überlassen. Der interessante Untertitel ihres Artikels vom 25.5.2012 zum Thema lautet:

„Klimaforscher streiten über Existenz und Ursachen des Klimawandels. Der Versicherungswirtschaft ist das egal: Sie nimmt das Schlimmste an, um nicht überrascht zu werden.“

 

Mit Dank an Hanna Thiele, Klaus-Eckart Puls und Pierre Gosselin für Recherchebeiträge.
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