Die Sonne im April 2017 und antarktische Blütenträume

Von Frank Bosse und Fritz Vahrenholt

Unser Zentralgestirn war im vergangenen April wiederum unterdurchschnittlich aktiv, so begannen wohl sämtliche Sonnenreports hier. Für diese Stereotype bitten wir um Verständnis, die Sonne tut uns leider nicht den Gefallen einer Abwechslung. Die festgestellte SSN (SunSpotNumber) betrug 32,6. Dies sind immerhin ca. 75% des in diesem Zyklusmonat (Nr. 101 seit Dezember 2008) üblichen. Der Mittelwert wird gebildet aus den bisher systematisch beobachteten Zyklen 1…23 seit März 1755. Im April sahen wir 4 Tage ohne jeden Fleck, besonders in den ersten 5 Tagen des Monats dagegen recht aktive Tage mit täglichen SSN bis zu 100, vgl. hier. Für das Monatsmittel ergibt sich diese Graphik:

Abb.1: Die monatlichen SSN-Werte des aktuellen solaren Zyklus (SC)24 (rot) im Vergleich zu einem mittleren Zyklus ( blau) und dem im absteigenden Teil des Zyklus meist etwas ähnlichen SC5 (schwarz).

 

Die Zyklen untereinander:

Abb.2: Die aufsummierten Anomalien ( dies ist die monatliche Differenz zwischen den festgestellten monatlichen Werten und dem Mittelwert, in Abb.1 blau dargestellt) der Zyklen 1…24 bis zum aktuellen Zyklusmonat.

 

Im Mittel lag die Fleckenaktivität  des SC24 bisher nur bei 56% des Mittelwertes und wird seit Beginn der systematischen Beobachtungen nur von den Zyklen 5 und 6 ( Dalton Minimum zu Beginn des 19. Jahrhunderts) unterboten. Sehr wahrscheinlich werden wir auch einen sehr schwachen nächsten Zyklus sehen, die Vorzeichen (wir hatten erst im Januar ausführlicher berichtet) stehen auf: „noch etwas schwächerer Zyklus als der aktuelle“.  Sehr wahrscheinlich wird SC25 noch einmal 25% schwächer als dieser. Die polaren solaren Felder schwächeln und der Mittelwert für Nord-und Südpol beträgt gegenwärtig 41 centi Gauss. Zum Vergleich: der SC23 in dieser Phase brachte es auf ca. 53 cG. Die Daten sind hier auszuwerten. Es gilt also für weitere mindestens 14 Jahre: Sehr niedrige Sonnenaktivität. Die möglichen Einflüsse einer so langen aktivitätsarmen  Phase auf die Erde werden bestimmt Gegenstand von vielen Studien sein. Wir werden die Ergebnisse abwarten müssen denn so etwas ist eine Premiere,  seitdem wir die „globale Mitteltemperatur“ feststellen können-also seit etwa 150 Jahren.

 

Es grünt so grün wenn die Antarktis ergrünt!(?)

Zu Beginn des Mai 2017 ging diese Meldung um die Welt. Es wurde ausführlich berichtet in den Medien ( auf deutsch z.B. hier , hier , hier , hierhier ). Aussage meist: der Klimawandel  mit den sehr hohen Erwärmungsraten in der Antarktis ergrünt sie durch das gesteigerte Wachstum von Moosen. Aus dem weißen Eis werden grüne Flächen! Das klingt ja wirklich dramatisch und Grund genug der Sache auf den Grund zu gehen. Alle diese Meldungen beziehen sich auf diese Arbeit. Ein Team um Matthew Amesbury von der Universität von Exeter  hat sich die Moose nahe der antarktischen Halbinsel angeschaut. Sie wachsen an wenigen Orten dort, wo genau, zeigt diese Abbildung:

Abb.3: Die Karte des Untersuchungsfeldes mit den Fundorten von Moosen ( schwarze/graue Punkte) und den meteorologischen Stationen ( weiße Punkte) mit den zugehörigen Temperaturverläufen ergänzt durch die jeweiligen Trends bis 2000. Quelle: Bild 1 aus Amesbury et. al (2017).

 

Die Aussage „Die Antarktis ergrünt“ ist also sehr abenteuerlich. Es handelt sich vielmehr um das Wachstum von Moosen auf vorgelagerten kleinen Inseln. Das war dort schon immer üblich, denn die Wissenschaftler haben einen Stellvertreter (einen Proxy) für die biologisch wirksamen Komponenten Temperatur,  Feuchtigkeit, Sonnenscheindauer, Wildverbiss… seit 1850 ausgewertet. Kernaussage: Seit etwa 1950 wächst das Moos schneller auf den Inseln. Ein naheliegender Grund: die Erwärmung dort. Das zeigen die Trends der Beobachtungen. Nun wurde die Arbeit im Jahre 2017 veröffentlicht, im Dezember 2016 eingereicht. Es mag verwundern, warum nur die Trends bis 2000 gezeigt sind. Wir begeben uns also auf Spurensuche. Die Temperaturdaten der Stationen können wir leicht finden, eine Website von GISS ermöglicht Zugriff auf die monatlichen Zahlen. Das Nachrechnen ergibt: Die aufgeführten Trends bis 2000 für die Stationen sind identisch mit denen, die unsere Quelle liefert. Wir jedoch ermitteln die linearen Trends jeweils vom konstanten Startjahr bis zu jedem Jahr ab 2000:


Abb.4: Die Trends der jährlichen Mitteltemperaturen der in Abb.3 betrachteten Stationen.

 

Die Trends haben um 2000 den höchsten Wert, im Mittel einen Anstieg von 0,66 K/Dekade. In 2016 hat sich dieser auf 0,35 K/ Dekade reduziert. Nur noch 53% Erwärmung?? Dabei hält vor allem die Station „Faraday“ den Trend noch hoch. Die Validität dieser Reihe wird inzwischen angezweifelt, wir berichteten unlängst darüber. Wir versuchen es anders. In der Arbeit ist die Vegetationsperiode erwähnt, die geht dort von November bis April. Nur diese Monate können Einflüsse ausüben auf das Wachstum von Moosen.

Abb. 5: Die Temperatur-Mittelwerte der 3 Stationen in der Vegetationsperiode zwischen 1978 ( dem Beginn der kürzesten Reihe “Rothera“) und 2016 sowie eine 20-jährige Glättung mit einem Loess- Filter.

 

Tatsächlich erreichte die Temperatur in diesen Monaten auf der antarktischen Halbinsel um 2000 ein Maximum, mit etwa der gleichen Geschwindigkeit fällt die Kurve seitdem wieder.  Wäre eine solche Darstellung in der Arbeit nicht aussagekräftiger als die Bildchen mit den Jahresmitteltemperatur-Trends  nur bis 2000 gerechnet? Oder wollte man diese Aussagekräftigkeit gerade vermeiden?

Zu ähnlichen Schlüssen kommt übrigens eine aktuelle Studie in „Nature“: sowohl die Erwärmung von 1950 bis 1998 als auch die Abkühlung danach ist schlicht und ergreifend natürliche Variabilität und nicht durch den „Klimawandel“ erzeugt. „Therefore all these studies suggest that the rapid warming on the AP ( gemeint ist die antarktische Halbinsel, d. A.) since the 1950s and subsequent cooling since the late-1990s are both within the bounds of the large natural decadal scale climate variability of the region.

Was feststeht: die Untersuchungen des historischen Mooswachstums ergibt, dass sich seit etwa 1950 das Wachstum der Moose verstärkt hat gegenüber den Vorjahren. Das ist auch der wissenschaftliche Kern.  Es werden Ursachen diskutiert, die Temperaturentwicklung ist wohl mitbestimmend. Aber auch die Feuchte und lokale Bedingungen gehen ein. Falls die Temperatur alles bestimmen sollte, muss das Wachstum wieder zurückgehen  wie wir nachweisen konnten. Es ist wie bei allen Proxys: es ist auch sehr viel „Rauschen“ dabei, das dann aufgebauscht wird zu einem Trend der eigenen Wahl. Sehen wir uns ein solches Beispiel aus der Studie an:

Abb.6: Der Gehalt am Kohlenstoffisotop 13C bei den Moosen von der Insel Green Island über die Zeit zwischen 1850 und 2010. Quelle: Bild 2 aus Amesbury et. al (2017).

 

In Abb.6 finden wir divergierende Feststellungen beim Gehalt an 13C ab etwa 1950, der die allgemeinen Wachstumsbedingungen anzeigen könnte. Die Pointe: beide Fundorte liegen nur wenige hundert Meter auseinander, das Klima kann also nicht schuld sein. Der Fall wird natürlich in der Arbeit erwähnt und dazu ausgeführt, dass Feuchte und lokale Bedingungen eine große Rolle spielen können. Wenn man  Aussagen aus Proxys herleiten will, sollte man auch immer die Grenzen der Validität beachten. Und wenn man das tut, kann man nicht ernsthaft texten: „Die Antarktis ergrünt durch den Klimawandel“. Das wäre so als wenn man eine Zunahme von Bränden auf der Kanalinsel Guernsey beobachtet und medial die Headline entsteht: „Europa verbrennt!“.

Auch die Schlüsse auf die Zukunft sind nicht zu begründen. Zukunft können Klimatologen nämlich nur aus Modellen ableiten. Und da sieht es mit der Reproduktion der jüngeren Gegenwart (1978…2016) ganz düster aus: die Halbinsel folgt nur punktuell  mit einer Korrelation von 0,5 den Modellaussagen, diese Korrelation wird durch die eine einzige Temperaturreihe der Station Faraday erzeugt. Eine Korrelation von 0,5 sagt: nur 25% der Streuung der Beobachtungen ist durch die Modelle erklärt. Das ist schon ärmlich, jedoch DAS Highlight auf dem südlichen Kontinent. Das Bild (nahezu weiß) dazu ersparen wir Ihnen: die gesamte restliche Antarktis, auch große Teile der Halbinsel,  wird durch die Modelle temperaturtechnisch  nicht valide abgebildet, die Korrelation liegt unter 0,3, also Rauschen!

Wir haben uns in diesem Blogbeitrag für Sie eine viel zitierte Arbeit angesehen und ihre Kernaussagen sind mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Das was bestimmte Medien daraus gemacht haben, verdient nur einen Begriff: Fake News!

 

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