Die Energiewende kann so nicht funktionieren – ein Strategiewechsel ist dringend erforderlich

Von Prof. Alwin Burgholte

Eine gesicherte Stromversorgung ist weltweit die Voraussetzung für Gesundheit, Wohlstand und Arbeit. Ein Alltag ohne Strom ist nicht vorstellbar, würde enorme Kosten verursachen, und es würde viele Tote geben. Das Wichtigste der Stromversorgung ist die in jeder Sekunde gesicherte Leistung (in kW), die durch konventionelle Kern-, Kohle- und Erdgaskraftwerke bisher garantiert wird. Aufsummierte Energieerträge (in kWh) über Wochen, Monate oder ein ganzes Jahr sagen darüber nichts aus.

Regenerative Energieerzeuger sind Wasser- und Biogaskraftwerke, die Geothermie und vor allen Wind- und Solaranlagen, die alle nach EEG für 20 Jahre mit einer festen Einspeisevergütung gefördert werden und deren Leistung vorrangig im Netz aufgenommen werden muss. Wind- und Solaranlagen können aber nur wetterabhängig Energie erzeugen. Ohne Wind und Sonne ist keine Leistung verfügbar. Geringe und schwankende Wind- und Sonnenangebote müssen entsprechend durch Speicher oder geregelte Kraftwerke aufgestockt werden. Auch können Wind- und Solaranlagen kein eigenes 50 Hz-Netz aufbauen. Ca. 25 % bis 35 % der benötigten Leistung müssen konventionelle Kraftwerke als Mindestleistung liefern, unabhängig davon, wie groß das Leistungsangebot der regenerativen Anlagen ist [1].

Am 5. Juli 2020 in der Zeit von 12:00 bis 16:00 Uhr konnte fast der gesamte Leistungsbedarf zwischen 57 GW bis 44 GW von regenerativen Erzeugern abgedeckt werden, es fehlten nur 5 GW. Die konventionellen Kraftwerke mussten 15 GW liefern, was etwa 20 % der benötigten Leistung entspricht. Nur so konnte mit dieser erforderlichen Mindestleistung die Netzstabilität gesichert werden (Lit.1, Bericht Seite 57; Mindestleistung 37%). Die zusätzlichen 10 GW wurden exportiert. Bild 1 zeigt die Leistungs- und Strompreisverhältnisse [2].  

Bild 1: Negative Strompreise durch Überschussleistung am 5. und 6. Juli 2020

Abnehmer fanden sich nur, wenn zusätzliches Geld für die Abnahme bezahlt wurde. Der Strompreis ging für 4 Stunden auf negative 65 €/MWh zurück. Damit entstanden Kosten für 40 GWh von 40 000 MWh* 65 €/MWh = 2,6 Mio. Euro, die dann der Stromkunde mit bezahlen musste. Billiger wäre es gewesen, Windparks einfach abzuschalten. Das ist aber nach dem EEG nicht zulässig, obwohl der Betreiber des Windparks auch dann die Vergütung erhalten würde, die theoretisch bei den bestehenden Windverhältnissen erzeugt wäre. Dafür hat sich der Begriff „Geisterstrom“ etabliert. Bei Abschaltung müssten die Stromverbraucher die „Entsorgungskosten“ von 2,86 Millionen Euro nicht bezahlen.

Jeder weitere Zubau von Wind- und Solaranlagen führt bei Beibehaltung der bestehenden Förderung nach dem EEG vermehrt zu Zeiten mit negativen Strompreisen. Mit der geplanten Novellierung des EEG wird sich die Situation noch verschärfen. Weil Wind- und Solaranlagen dann im öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen sollen, sind Verhinderungen durch Bürgerproteste kaum noch möglich. In 2020 gab es 298 Stunden mit negativen Strompreisen[3]. Jeder Zubau von Wind- und Solaranlagen reduziert auch die Betriebsstunden aller Kraftwerke, die keine EEG-Förderung erhalten und verschlechtert damit deren Wirtschaftlichkeit.

Eine Verdoppelung der Anlagenzahl wird auch kaum Wirkung haben, würde aber mehr Überschussleistung erzeugen, die dann z.T. mit noch mehr negativen Strompreisen entsorgt werden müsste. In Bild 2 wurden die Beiträge von Wind- und Solaranlagen vom März 2022 nach Bild 3 bei einer Verdopplung der installierten Leistung auf 400 GW (Osterpaket Habeck) hochgerechnet. An 23 Tagen würde dann Leistung importiert und an 9 Tagen bis zu maximal 130 GW zu negativen Preisen entsorgt werden müssen. Die erforderlichen Langzeitspeicher sind derzeit nicht verfügbar und technisch kaum wirtschaftlich zu entwickeln. Es müsste eine neue Kurzschlussschutztechnik entwickelt werden, Wind- und Solaranlagen liefern keinen hohen Strom!

Bild 3: Stromerzeugung und Verbrauch bei den installierten Leistungen Wind: 56 GW, Sonne: 58,7 GW[4]

Wie sollte man vorgehen?

  • Öffentliche Klarstellung und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die den wahren Sachverhalt beschreiben, sollten in den Parlamenten, den Medien und in Interviews gefordert und vorgestellt werden.
  • Auf kritische Zustände in den Stromnetzen ist öffentlich hinzuweisen.
  • Gutachter und Berater sollten nach ihrer fachlichen Qualifikation und nicht nach ihrer ideologischen Einstellung gewählt werden.
  • Der erzeugte „Überschussstrom“ darf nicht mehr abgenommen werden. Wind- und Solarparkbetreiber sollten aus ihrem Überschussstrom Wasserstoff erzeugen, um daraus die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen zu erreichen.
  • Der Ausbau von Wind- und Solaranlagen sollte nur in dem Maße erfolgen, wie auch Elektrolyseure und Speicher zugebaut werden.
  • Um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu reduzieren, dürfen keine weiteren Kern- und Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Die abgeschalteten Kern- und Kohlekraftwerke müssen teilweise wieder in Betrieb gehen.
  • Die Stromerzeugung mit Gaskraftwerken sollte zunächst massiv reduziert werden und dafür in Kohle- und Kernkraftwerken erfolgen, damit die Gasversorgung für die Chemische-, Glas-, Papier- und Autoindustrie sowie für Nahrungs- und Konsumgüter erhalten bleibt.
  • Diese Versorgung können nur langfristige Importe von Erdgas und Wasserstoff auf Dauer sichern. Die Politiker müssten auch ihre Entscheidungen verantworten und zur Rechenschaft gezogen werden können.

Prof. Alwin Burgholte, Wilhelmshaven im Juni 2022

Email: aburgholte@gmail.com, Tel.: 04421 998399


[1] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssicherheit/Erzeugungskapazitaeten/Mindesterzeugung/start.html

[2] https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/power_generation_price/05.07.2020/06.07.2020/today/

[3]  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/618751/umfrage/anzahl-der-stunden-mit-negativen-strompreisen-in-deutschland/

[4] https://www.agora-energiewende.de/service/agorameter/chart/power_generation/01.03.2022/31.03.2022/today/

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