Klimakatastrophe in der Antarktis abgesagt: Eisschild ist weitgehend stabil und Modellierungen prognostizieren Zunahme der antarktischen Eismasse

Am 17. März 2015 räumte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein, dass das antarktische Inlandeis im Zuge der zukünftigen Erderwärmung anwachsen und wohl doch nicht schrumpfen wird. Eine hochinteressante Prognose. Unter diesem Hintergrund lesen sich einige Meldungen der Vormonate ziemlich seltsam. So hatte die Augsburger Allgemeine noch am 3. Dezember 2014 die Antarktis kurz vor dem Zusammenbruch gesehen:

KLIMAWANDEL: Gletscher in der Antarktis schmelzen immer schneller
Das Tempo der Gletscherschmelze in einer besonders sensiblen Antarktis-Region hat sich im vergangenen Jahrzehnt fast verdreifacht.
Das geht aus einer vergleichenden Studie hervor, die Forscher der kalifornischen Universität Irvin (UCI) und des Nasa-Labors JPL am Dienstag veröffentlichten. Demnach schmolzen seit 1992 zunächst jährlich 6,1 Milliarden Tonnen Eis an den Küsten der Amundsen-See; von 2003 bis 2009 erhöhte sich der jährliche Eisverlust jedoch auf 16,3 Milliarden Tonnen. Das Schmelzen der Polkappen lässt den Meeresspiegel anschwellen und bedroht damit die Küstenregionen weltweit. Schon im vergangenen Mai kamen Studien zu dem Schluss, dass die großen Gletscher der westlichen Antarktis wegen der Klimaerwärmung immer schneller schmelzen.

Vielleicht erklärt sich der Klimaalarm, wenn man dazu weiß, dass vom 1. bis 13. Dezember 2014 in Lima eine wichtige UN-Klimakonferenz abgehalten wurde, die traditionell von der Presse mit mehr oder weniger kreativen Meldungen begleitet wird. Aber auch knapp zwei Wochen vor der PIK-Meldung gab es noch Versuche, die Antarktis als todkrank darzustellen. Euronews schrieb am 4. März 2015:

Eisschmelze in der Antarktis – Eine Bedrohung für Küstengebiete weltweit
Ewig ist das Eis der Antarktis schon längst nicht mehr. Es schmilzt, verflüssigt sich und bringt den globalen Meeresspiegel zum Steigen, eine Bedrohung für Küstengebiete weltweit. Laut Messungen von Nasa-Satelliten gingen im vergangenen Jahrzehnt 118 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr verloren. Besonders deutlich wird der Rückgang auf Robert Island, vor der antarktischen Halbinsel. Dort wacht seit Jahren der Brite Peter Convey über das schwindende Eis.

Die Sintflut ist nahe, rette sich wer kann. Während sich die Presse jedoch bewusst auf die attraktiven Klimahorrorstücke geworfen hat, geht die seriöse Forschung im Stillen unbeirrt weiter. In die trockene Welt der Fachliteratur verirrt sich jedoch nur selten ein auf Publikumseffekt spezialisierter Journalist. Wir wollen an dieser Stelle aushelfen und die wahre Sachlage anhand ausgewählter jüngerer Literatur darstellen. Es soll später niemand sagen können, er hätte davon nichts gewusst.

Bereits 2009 hatten Genthon et al. in den Annals of Glaciology berechnet, dass die Zunahme des Schneefalls in der Antarktis bis zum Ende des 21. Jahrhunderts einen Absenkungsbeitrag von 1 mm pro Jahr zur globalen Meeresspiegelentwicklung beisteuert.

Neuere Untersuchungen bestätigen die Grundidee einer wachsenden antarktischen Eismasse. So veröffentlichte im Juni 2014 ein Team um Gong et al. von der University of Bristol ihre Berechnungen im Fachblatt The Cryosphere. Die Forscher modellierten den Lambert-Gletscher in der Ostantarktis, der in den Amery-Eisschelf mündet. Auch Gong und Kollegen fanden, dass das Eisssystem im Zuge der Klimaerwärmung im 21. und 22. Jahrhundert anwachsen und nicht etwa schrumpfen wird. Ursache sind der stark zunehmende Schneefall, der auch durch die beschleunigte Gletscherbewegung nicht ausgeglichen werden kann. Die Eisvorgänge in der Ostantarktis werden daher laut Gong und Kollegen in den kommenden ein bis zwei Jahrhunderten einen Absenkungsbeitrag zur globalen Meeresspiegelentwicklung beisteuern. In der Kurzfassung der Arbeit heißt es:

Modelling the response of the Lambert Glacier–Amery Ice Shelf system, East Antarctica, to uncertain climate forcing over the 21st and 22nd centuries
[…] Overall, the increased accumulation computed by the atmosphere models outweighs ice stream acceleration so that the net contribution to sea level rise is negative.

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Universität Gießen: Natürliche Temperaturschwankungen in der Antarktis unterschätzt

Gemeinsame Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Hamburg vom 16. April 2015:

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Klimawandel in der Antarktis: Natürliche Temperaturschwankungen unterschätzt

Für die Entwicklung der globalen Umwelt unter wachsendem menschlichem Einfluss ist die Antarktis von größter Bedeutung, gilt sie doch wegen ihrer riesigen Eismassen als mögliches Kipp-Element im Weltklimasystem. Das teilweise Abschmelzen ihrer Eismassen würde den Meeresspiegel deutlich steigen lassen. Daher ist es besonders wichtig, fundierte Kenntnisse über das Ausmaß der bisherigen anthropogenen – also vom Menschen hervorgerufenen – Erwärmung  der Antarktis zu gewinnen. Wie neue Berechnungen Gießener Physiker zeigen, ist die kausale Unsicherheit über Ursachen der Erwärmung der antarktischen Luft größer als bislang angenommen. In Kooperation mit Wissenschaftlern aus Hamburg und Potsdam konnte nachgewiesen werden, dass die bisherigen Annahmen zur Abschätzung der anthropogenen Erwärmung der Antarktis unzureichend sind.

„Man ist bisher davon ausgegangen, dass es im letzten Jahrhundert in der Antarktis kaum größere natürliche Temperaturschwankungen gab, und hat deshalb fast jede Temperaturerhöhung dem Menschen zugeschrieben“, sagt Prof. Dr. Armin Bunde vom Institut für Theoretische Physik der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Die globale Erwärmung als Ergebnis unseres Ausstoßes von Treibhausgasen aus fossilen Brennstoffen ist ein Fakt. In der Westantarktis jedoch ist der menschliche Einfluss um ein Vielfaches kleiner als bisher angenommen. Und in der Ostantarktis lässt sich die Erwärmung sogar ganz ohne menschlichen Einfluss erklären, also nur durch natürliche Schwankungen.“ Eine entsprechende Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift „Climate Dynamics“ veröffentlicht.

Für die Schmelze der antarktischen Eisschelfe spielt neben der Erwärmung der Luft auch die Erwärmung der Ozeane eine große Rolle. Im Gegensatz zur Lufttemperatur liegen hier jedoch noch keine aussagekräftigen Langzeitdaten vor, die Studie konzentriert sich deshalb auf die Temperaturtrends des Eiskontinents.  Gemeinsam mit Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Dr. Christian Franzke vom Exzellenzcluster für integrierte Klimaforschung (CliSAP) der Universität Hamburg konnten die JLU-Physiker Armin Bunde und Dr. Josef Ludescher zeigen, dass es in der Antarktis große natürliche und sehr beharrliche Temperaturschwankungen gibt.

„Das Klima in der Antarktis, wie auch weltweit, hat eine ausgeprägte natürliche Erhaltungsneigung – es verharrt lange in bestimmten Temperaturbereichen. Dies führt zu einer Berg- und Talstruktur der Temperaturen“, betont Christian Franzke. „Auf ein Tal, also auf eine längere Kälteperiode, folgt stets auch eine längere Wärmephase, und diese  natürliche Erwärmung  muss von der überlagerten anthropogenen Erwärmung unterschieden werden“, ergänzt Armin Bunde. Die Wissenschaftler haben sich dazu nicht nur die Messdaten der einzelnen Stationen angesehen, sondern auch regionale Mittelwerte gebildet. Die Ergebnisse zeigen, dass der Mensch in der Westantarktis einen Anteil an der Erwärmung haben muss – wenn auch einen schwächeren als bislang gedacht. Die Erwärmung der Antarktis insgesamt wird jedoch aller Voraussicht nach bald wieder stärker ansteigen.

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Überraschende Entdeckung am westantarktischen Thwaites-Gletscher: Vulkanismus heizt das Eis von unten

Ein großer Gletscher in der Westantarktis schrumpft. Ohne lange nachzudenken wurde der Rückzug sogleich reflexhaft dem Klimawandel angelastet. Alternative Erklärungsmöglichkeiten suchte man zunächst nicht. Mit dem Klimawandel liegt man eigentlich immer richtig, dachte man sich wohl. So zum Beispiel der Deutschlandfunk am 10. Juni 2010:

Beunruhigende Vorboten: Westantarktischer Gletscherriese hat Fahrt aufgenommen
[…] Sridhar Anandakrishnan ist Eisforscher an der Pennsylvania State University. Er redet von der Amundsenbucht im Norden der Westantarktis, einem Gebiet, das etwa doppelt so groß ist wie Deutschland. Ähnlich wie ein Sandhaufen wird der Eispanzer der Antarktis ständig von seinem eigenen Gewicht in die Breite gedrückt und schiebt sich in Eisströmen wie dem Thwaites Gletscher gen Ozean. Aber seit einigen Jahren bewegen sich dieser Gletscher und einige weitere in der Amundsenbucht immer schneller und entlassen immer mehr Eis ins Meer. Anandakrishnan: „Die meisten Gletscher in der Antarktis schieben sich als Schelfeisplatten auf den Ozean hinaus. Wenn sie dabei auf Untiefen stoßen, werden sie abgebremst. Das Schelfeis wirkt also wie ein Korken im Flaschenhals. Wenn Sie es aber wegnehmen, kann der Gletscher ungehindert in den Ozean strömen. Wir vermuten dass genau das in den 90ern am Thwaites Gletscher passiert ist: durch wärmeres Ozeanwasser ist das Schelfeis geschmolzen und der Gletscher konnte sich beschleunigen.“

Vier Jahre später, am 13. Mai 2014, steigerte die Wissenschaftssendung Nano auf 3SAT den Klimaalarm am Thwaites-Gletscher sogar noch:

Kein Halten mehr: Eisschmelze in der Antarktis nicht mehr zu stoppen
Der Zusammenbruch des Eisschildes im Westen der Antarktis ist wahrscheinlich nicht mehr zu stoppen. Zu diesem Ergebnis kommen Analysen zweier Forscherteams.
Der für die Westantarktis entscheidende Thwaites-Gletscher könnte schon in 200 Jahren verschwunden sein. Spätestens in gut 1000 Jahren ist er den Berechnungen zufolge weg. Der Gletscher, der in die Amundsen-See mündet, dient als Stütze der benachbarten Eismassen. Kollabiert er, könnten weitere Gletscher rasch folgen.
Die schnelle Schmelze des Thwaites-Gletschers ergibt sich aus Computersimulationen. Der globale Meeresspiegel steige in der Folge um 60 Zentimeter, so Forscher um Ian Joughin von der Universität von Washington in Seattle. Ein komplettes Abschmelzen des westantarktischen Eisschilds als Folge des Klimawandels würde demnach zu einem Anstieg um drei bis vier Meter führen.

Was Nano damals noch nicht wusste war, dass Ian Joughin und sein Team einen wichtigen Faktor außer acht gelassen hatten: Der Untergrund unter dem Thwaites-Gletscher ist nämlich vulkanisch geprägt und an einigen Stellen ungewöhnlich heiß. Ein Teil der vormals dem Klimawandel zugerechneten Hitze stammte also aus dem aufgeheizten Erdinneren. Mit der Auslassung dieses wichtigen Umstandes war die Modellierung hinfällig.

Die geothermale Hitzeanomalie gefunden hatte eine Forschergruppe von der University of Texas at Austin um Dustin Schroeder, die ihre Ergebnisse im Juni 2014 im Fachblatt PNAS publizierten. Sven Titz berichtete am 18. Juni 2014 in der Neuen Zürcher Zeitung über die neue Studie:

Eisschmelze in der Antarktis: Vulkanismus heizt den Thwaites-Gletscher von unten
Nicht nur Eis und Kälte prägen die Antarktis, sondern auch Vulkane und ihre Hitze. Daran erinnert jetzt eine neue Studie zum Thwaites-Gletscher in der Westantarktis, einem Eisstrom, der halb so gross wie Deutschland ist. In den letzten Jahren rutschte der Gletscher, ebenso wie seine Nachbarn, immer schneller Richtung Küste. Das trug etwa zehn Prozent zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Glaziologen sehen die Ursache der Beschleunigung darin, dass warmes Meerwasser unter die Eiszunge vordringt und das Eis schmelzen lässt. Eine neue Studie in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» liefert jetzt genauere Zahlen zu einer Randbedingung des Schmelzens: dem Wärmestrom aus dem Erdinneren. Gemäss der Studie ist diese Wärmequelle stärker als bisher gedacht. Das Eis wird von unten mit mindestens 114 Milliwatt pro Quadratmeter geheizt, an einzelnen Stellen sogar mit 200 Milliwatt pro Quadratmeter. Der durchschnittliche Wärmefluss beträgt bei Kontinenten 65 Milliwatt pro Quadratmeter, ist also deutlich kleiner.

Weiterlesen in der NZZ.

Berichte gab es auch auf antarktis.net und wetter-center.de. Ansonsten vermied man das unbequeme Thema in der deutschsprachigen Presse. Dabei hatte sich die Wissenschaftlergruppe der University of Texas at Austin am 10. Juni 2014 durchaus Mühe gegeben, die Publikation per Pressemitteilung bekannt zu machen:

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Alfred-Wegener-Institut: Ostantarktischer Eisschild ist stabil und wächst sogar leicht an

Die Geschichte passte gut ins Sommerloch des letzten Jahres. Am 20. August 2014 meldete das Alfred-Wegener-Institut (AWI) per Pressemitteilung, dass es den polaren Eiskappen gar nicht gut ginge: Rekordrückgang der Eisschilde: Wissenschaftler kartieren erstmals die Höhenveränderungen der Gletscher auf Grönland und in der Antarktis Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), haben mit Hilfe des ESA-Satelliten CryoSat-2 erstmals flächendeckende Karten der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis erstellt und dabei nachweisen können, dass die Eispanzer beider Regionen derzeit in einem Rekordtempo schrumpfen. Insgesamt verlieren die Eisschilde pro Jahr rund 500 Kubikkilometer Eis. Diese Menge entspricht einer Eisschicht, …

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Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Antarktisches Inlandeis wird im Zuge der Erderwärmung anwachsen

Im Dezember 2012 überraschte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit einer schrägen Logik. In einer Pressemitteilung titelte das PIK: Mehr Eisverlust durch Schneefall in der Antarktis Das machte nun wirklich überhaupt keinen Sinn. Der Presse wars egal, sie übernahm die Geschichte trotzdem unreflektiert und verbreitete die bizarre Nachricht im ganzen Land. Wir hingegen machten uns hier im Blog große Sorgen: Denkt hier denn überhaupt niemand mehr mit? Siehe unseren damaligen Beitrag „Neue PIK-Logik aus Potsdam: Viel Schnee lässt Gletscher schmelzen (und wenn man viel isst, wird man dünn)„. Irgendwer muss den Potdamern dann schließlich doch erklärt haben, dass dies ganz …

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Energiewende – einmal bekloppt, immer bekloppt?

Von Andrea Andromidas

Vor genau einem Jahr hatte Minister Gabriel seinen hellen Moment, als er beim Besuch des Solarkomponenten-Herstellers SMA am 17. April 2014 in Kassel folgendes sagte:

„Die Wahrheit ist, daß die Energiewende kurz vor dem Scheitern steht… Die Wahrheit ist, daß wir auf allen Feldern die Komplexität der Energiewende unterschätzt haben… Für die meisten anderen Länder in Europa sind wir sowieso Bekloppte.“

Sieben Monate später sprach der Direktor der „Denk“-Fabrik „Agora Energiewende“ Dr. Patrick Graichen ganz offen von einer „kollektiven Fehleinschätzung der Gutachterbranche“ und wurde am 4. Dezember 2014 mit folgenden Worten in Die Zeit zitiert: „Wir haben uns geirrt bei der Energiewende. Nicht nur bei ein paar Details, sondern in einem zentralen Punkt. Die vielen neuen Windräder und Solaranlagen, die Deutschland baut, leisten nicht, was wir uns von ihnen versprochen haben. Wir hatten gehofft, daß sie die schmutzigen Kohlekraftwerke ersetzen würden, die schlimmste Quelle von Treibhausgasen. Aber das tun sie nicht.“

Seither ist die Rede vom sogenannten Energiewende-Paradox, von dem angeblich unvorhergesehenen Unglück, daß der nun seit vier Jahren auf Hochtouren laufende Energieumbau Deutschlands das Gegenteil von dem produzierte, was man eigentlich wollte: Der Markt bevorzugte die preiswerteren Kohlekraftwerke und beförderte die besseren, aber auch teureren Gaskraftwerke in die Pleite. Das Klimaziel ist verfehlt, der Anspruch Klimarettung im Eimer, die CO2-Emissionen steigen, die Blamage ist perfekt. Aber nicht nur der Umweltschutz ist im Eimer. Erst recht sind die beiden anderen Pfeiler einstmals kompetenter Energiewirtschaft in gefährlicher Schieflage: Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.

Was die Versorgungssicherheit angeht, erzeugt jede extreme Wetterlage die Gefahr eines Blackouts und damit die Notwendigkeit von Kriseninterventionen, deren Zahl von etwa 10 im Jahr 2000 jetzt auf mehr als 3000 im Jahr 2014 angestiegen ist. Von Wirtschaftlichkeit kann keine Rede mehr sein. Im Jahr 2000 betrug der durchschnittliche Strompreis für deutsche Haushalte etwa 14 Cent pro Kilowattstunde, heute liegt dieser Preis bei 29 Cent. Die Gesamtbelastung einschließlich Steuern und Abgaben lag im Jahr 2000 bei knapp sieben Milliarden Euro, heute dagegen bei 35 Milliarden.

Wenn man schon öffentlich zugeben muß, daß man sich so gründlich geirrt hat, dann wäre es doch ganz normal, daraus die Konsequenzen zur sofortigen Umkehr zu ziehen. Das Problem ist aber, daß hier so gut wie nichts normal ist. Warum nicht? Weil wir es mit ideologischen Geisterfahrern zu tun haben, mit Leuten, denen Wissenschaft ein Fremdwort ist. Ginge es wirklich um die Reduktion von CO2-Emissionen, dann wären ja gerade Kernkraftwerke das allerbeste. Hier geht es aber um die irrationale Erfindung eines menschengemachten Klimawandels und andere erfundene Behauptungen. Ideologen geht es überhaupt nur darum, daß die Glaubensformeln überleben – möglichst länger als die Wirtschaft und selbst dann, wenn der Irrtum schon sichtbar ist.

Für diese Haltung ganz typisch ist die jüngste Kurzschlußreaktion von Minister Gabriel auf die Schlappe mit dem verfehlten Klimaziel: Um der Blamage zu entgehen, verordnete er kurzerhand eine Klima-Strafabgabe für ältere Braunkohlekraftwerke, wohl wissend, daß damit mehrere Zehntausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen, dazu ein wirtschaftlicher Teil des Kraftwerkparks und vielleicht insgesamt der letzte heimische Energieträger. Solche Entscheidungen sind mittlerweile notorisch. Gerade mal vier Monate nach Gabriels Kasseler Geständnis veröffentlichte sein Ministerium im August 2014 ein Papier, in welchem er forsch verkündet, sie hätten jetzt die Nachteile der Energiewende – einfach gestrichen.

Einfach war es schon deshalb, weil nur Nebensächliches auf den Prüfstand kam. Daß die kollektive Fehleinschätzung in der von vornherein irrigen Annahme liegt, daß Wind- und Sonnenenergie im Gegensatz zu Kernkraftwerken beherrschbar seien, kam natürlich keinem der ministerialen Experten überhaupt in den Sinn. Also machte das Ministerium lediglich ein paar Abstriche bei den ohnehin üppigen Subventionen für Neuanlagen und beim Zubau von Biomasse und erklärte: Nun sei alles planbar, berechenbar und sicher, der Siegeszug des „weltweit beachteten Projekts“ sei nun möglich.

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Kleinere Vulkanausbrüche fallen beim Faktencheck als Grund der Erwärmungspause glatt durch

Alle Jahre wieder wird von interessierten Kreisen der Versuch unternommen, „unsichtbare“ Vulkanausbrüche als Bremser der verspäteten Klimaerwärmung darzustellen. Man sei gar nicht auf Riesenausbrüche angewiesen, die ihre kühlende Schwefeldioxid-Fracht hoch in die Stratosphäre schleudern und dort mit den Höhenwinden quer über den Globus verteilen. Nein, man könnte auch ganz viele kleine Ausbrüche nehmen. Über bislang schlecht bekannte Wege würde auch deren Aerosol in die Stratosphäre gelangen. So jedenfalls die Behauptung.

Nehmen wir zum Einstieg eine Pressemitteilung der University of Saskatchewan vom 5. Juli 2012. Hier wird der Monsun als Höhenkatapult angenommen:

A University of Saskatchewan-led international research team has discovered that aerosols from relatively small volcanic eruptions can be boosted into the high atmosphere by weather systems such as monsoons, where they can affect global temperatures. The research appears in the July 6 issue of the journal Science. Adam Bourassa, from the U of S Institute of Space and Atmospheric Studies, led the research.

Ein Jahr später, am 6. März 2013, griff Scinexx das Thema auf:

Klima: Kleine Vulkane bremsen Erwärmung
In den letzten zwölf Jahren erwärmt sich die Erde langsamer als erwartet, weil Schwebstoffe in der Atmosphäre die Sonne reflektieren und so ihren Wärmeeffekt verringern. Bisher dachte man, dass vor allem Ruß und Abgase der asiatischen Schwellenländer für diesen Effekt verantwortlich sind. Jetzt aber haben US-Forscher einen ganz anderen Schuldigen ausgemacht: mittlere und kleine Vulkanausbrüche. Die dabei abgegebenen Schwefelaerosole sind vermutlich sogar die Hauptbremser des Klimawandels, wie die Forscher im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten.

Weiterlesen auf Scinexx

Tja, eine unter 30 anderen konkurrierenden Theorien zur Erwärmungspause. Da hat Scinexx wohl etwas übertrieben („Jetzt aber…“). Ein Durchbruch im Erkenntnisstreben war dies jedenfalls nicht. Schnell versackte das Modell wieder in der Versenkung. Jedenfalls bis zum 19. November 2014 als Scinexx die Idee wieder auferstehen ließ:

Auch kleine Vulkane verändern das Klima
Ausgestoßenes Schwefeldioxid reflektiert mehr Sonnenlicht als gedacht.
Kleiner Ausbruch, große Wirkung: Kleinere vulkanische Eruptionen könnten mehr zur Abkühlung des Klimas beitragen als bisher gedacht. Möglicherweise sind sie sogar schuld an der rätselhaften Klimawandel-Pause ab 2001. Das jedenfalls postuliert ein internationales Forscherteam anhand neuer Messdaten. Demnach reflektieren die vulkanischen Schwefelgase solcher Ausbrüche doppelt soviel Sonnenlicht wie angenommen.

Ridley et al. 2014, Geophysical Research Letters, November 2014

Auch Spektrum der Wissenschaft liebt offenbar den Erklärungsversuch, formulierte am 12. Januar 2015 aber etwas vorsichtiger:

Wie stark dämpfen Vulkane die Erderwärmung?
Seit 1998 stiegen die mittleren Erdtemperaturen verglichen mit den Jahrzehnten zuvor nur noch schwach an. Vulkane könnten einen Teil der „Pause“ verursacht haben. […] Ein Teil dieser so genannten „Pause der Erderwärmung“ (die eigentlich keine war) könnte auf die kühlende Wirkung zahlreicher kleiner Vulkanausbrüche zurückgehen, schlagen nun Forscher um Benjamin Santer vom Lawrence Livermore National Laboratory vor: Etwa ein Drittel der Auszeit gehe auf gesteigerten Vulkanismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts zurück, so die Autoren.

Santer et al. 2015, Geophysical Research Letters, Januar 2015

Ben Santer ist ehemaliger IPCC-Berichtsautor von 1995. Im damaligen Bericht konnte man sich noch überhaupt nicht vorstellen, dass es ab 1998 zu einer lang andauernden Erwärmungspause kommen würde. Es wundert daher kaum, dass Wissenschaftler wie Santer nun unvorhersagbare Vulkanausbrüche ins Feld führen, um ihre Glaubwürdigkeit zu reparieren. Dabei hätte beim Blick auf den Verlauf der Ozeanzyklen PDO und AMO eigentlich klar sein sollen, dass die wilde Erwärmungsepisode 1977-1998 keineswegs einen Langzeittrend darstellt.

Allen IPCC-Wünschen zum Trotz, werden die kleineren Vulkanausbrüche nicht die Lösung des Problems sein können. Im November 2013 hatte nämlich ein Forscherteam um Jim Haywood bereits festgestellt, dass kleinere Vulkanausbrüche gar nicht genügend Abkühlung produziert haben können, um die Erwärmungspause der letzten anderthalb Jahrzehnte zu erklären. Im Folgenden die Kurzfassung des in den Atmospheric Science Letters erschienenen Papers:

The impact of volcanic eruptions in the period 2000–2013 on global mean temperature trends evaluated in the HadGEM2-ES climate model
The slow-down in global warming over the last decade has lead to significant debate about whether the causes are of natural or anthropogenic origin. Using an ensemble of HadGEM2-ES coupled climate model simulations we investigate the impact of overlooked modest volcanic eruptions. We deduce a global mean cooling of around −0.02 to −0.03 K over the period 2008–2012. Thus while these eruptions do cause a cooling of the Earth and may therefore contribute to the slow-down in global warming, they do not appear to be the sole or primary cause.

Aber spielen wir für einen Moment einfach mal mit. Sind kleinere Vulkanausbrüche seit Beginn der Erwärmungspause wirklich häufiger geworden? Willis Eschenbach hat sich auf WUWT einmal die Mühe gemacht und hat in den Daten des Smithsonian Volcanism Project nachgeforscht. Hier zunächst einmal die Anzahl aller Vulkanausbrüche auf der Welt, unabhängig von ihrer Stärke:

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Französische Forschergruppe postuliert Beeinflussung der atlantischen Ozeanzyklen durch Vulkanausbrüche – vergisst dabei aber Sonnenaktivitätsschwankungen zu berücksichtigen

Eigentlich hatten sich schon alle darauf geeinigt, dass Vulkane das Klima maximal drei bis fünf Jahre abkühlen können. Eine Forschergruppe um Didier Swingedouw wollte dies jedoch nicht wahrhaben und dachte sich eine windige Konstruktion aus, die sie in der Fachzeitschrift Nature Communications auch tatsächlich unterbringen konnten. Die Idee: Vulkanausbrüche verändern Ozeanzyklen und wirken so über etliche Jahrzehnte nach. Speziell dachten die Wissenschaftler da an die nordatlantische Ozeanzirkulation (AMOC), die 15 Jahre nach dem Vulkanausbruch schneller werden würde. Nach zehn weiteren Jahren würde sich die Zirkulation dann wieder verlangsamen und nach weiteren 5 Jahren wieder beschleunigen. Alles nachzulesen in einer Pressemitteilung der französischen Forschungsorganisation CNRS vom 30. März 2015:

Volcanic eruptions durably impact North Atlantic climate

Particles emitted during major volcanic eruptions cool the atmosphere due to a ‚parasol‘ effect that reflects sunlight. The direct impact of these particles in the atmosphere is fairly short, lasting two to three years. However, they alter for more than 20 years the North Atlantic Ocean circulation, which connects surface and deep currents and influences the climate in Europe. This is the conclusion of a study by researchers from the CNRS, IRD, CEA and MétéoFrance1 who combined, for the first time, climate simulations, recent oceanographic data, and information from natural climate records. Their findings2 are published in Nature Communications on March 30th [2015; Swingedouw et al.]. […]

The cooling, which only lasts two or three years, then triggers a rearrangement of ocean circulation in the North Atlantic Ocean. Around fifteen years after the beginning of the eruption, the circulation speeds up. It then slows down after twenty-five years, before accelerating again thirty-five years after the phenomenon. Volcanic eruptions thus appear to act on the ocean circulation in the North Atlantic rather like a pacemaker, causing variability over a twenty-year period. The scientists confirmed these results by comparing them with observations of ocean salinity, a key factor for the sinking of water and therefore for ocean circulation. In numerical simulations and modern oceanographic data they detected similar variations in the early 1970s and 1990s connected to the eruption of the Agung volcano.

Using data from Greenland ice cores and observations carried out on bivalve molluscs collected to the north of Iceland and dating back more than 500 years, as well as a simulation of the climate over the last thousand years, the researchers systematically identified acceleration of ocean circulation fifteen years after five volcanic eruptions that took place several hundred years ago. Lastly, the researchers revealed the interference produced by the latest three main eruptions, Agung in 1963, El Chichón in Mexico in 1982, and Pinatubo in 1991, explaining for the first time the recent variability of currents in the North Atlantic ocean. They conclude that a major eruption in the near future could have an impact on the currents in the North Atlantic Ocean — and hence on our ability to predict the variability of the climate in Europe — over several decades. They now hope to consolidate these findings by collecting data from additional sources, especially in paleoclimatology.

Ein neuer Versuch, die Kleine Eiszeit den Vulkanen anzuhängen, obwohl sich der Zusammenhang mit der verringerten Sonnenaktivität überdeutlich anbietet?

Eine Kleinigkeit hatten die Franzosen dann doch übersehen. Es ist nämlich schon seit längerem bekannt, dass die atlantischen Ozeanzyklen, speziell die NAO, von der Sonnenaktivität beeinflusst werden. Wir haben hier im Blog mehrfach über entsprechende Studien berichtet:

Weshalb will der Begriff „Sonne“ in der Studie von Swingedouw und Kollegen einfach nicht fallen? Da hatten es Kollegen aus Dänemark ein Jahr zuvor deutlich besser gemacht. Eine Team um Mads Faurschou Knudsen hatte ebenfalls in Nature Communications ein Paper veröffentlicht, in dem Einflussfaktoren auf die atlantische Ozeanzirkulation beschrieben werden, in diesem Fall die Atlantische Multidekadenoszillation (AMO). Wir hatten seinerzeit über die Studie hier im Blog berichtet. Die Dänen sehen neben vulkanischen Einflüssen auf die AMO auch einen bedeutenden Einfluss von Sonnenaktivitätsschwankungen. Der Prozess könnte mithilfe des UV-Anteils der Sonnenstrahlung ablaufen, der zu Ozonveränderungen in der Stratosphäre führt, was wiederum Windsysteme und Ozeanzyklen beeinflusst. In einer Pressemitteilung der Aarhus University vom April 2014 beschreiben die Autoren ihre Ergebnisse:

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