Von Frank Bosse
Glaubt man Stefan Rahmstorf und Grant Foster (Foster & Rahmstorf 2011, im Folgenden „F/R 11“) ist es ganz einfach mit der Berechnung des menschgemachten Klimawandels: Man nehme die beobachteten Temperaturdaten 1979-2010, subtrahiere das, was durch El Nino und La Nina (ENSO) beigetragen wird, außerdem die Änderungen, die durch die Variation der Sonnengesamtstrahlung (TSI) eingetragen werden und schließlich berücksichtige man noch die vulkanischen Aerosole – und simsalabim – das, was da übrig bleibt, ist die menschgemachte Erwärmung. Abbildung 5 aus F/R 11 zeigt das Ergebnis:
Was wir sehen, ist ein linearer Trend mit einer Erwärmung von ca. 0,15 Grad Celsius pro 10 Jahre und daran ist „am wahrscheinlichsten ausschließlich der Mensch“ schuld! Aus der Zusammenfassung von F/R 11 (Fettsetzung ergänzt):
„The resultant adjusted data show clearly,…, that the rate of global warming due to other factors (most likely these are exclusively anthropogenic) has been remarkably steady during the 32 years from 1979 through 2010.”
Das sind in der Tat alarmierende Nachrichten: Bis 2100 wären wir dann auf der Ordinate ihres Bildes bei 2 Grad Erwärmung, hinzu kommen noch 0,8 Grad seit Beginn der Industrialisierung, die schon aufgelaufen sind.
Sind wir einer sehr kritischen globalen Situation nahe oder ist es wie bei bisher allen diesen Ankündigungen in der Geschichte – prophezeite Katastrophen traten noch nie wirklich ein? Ist der Alarm also stichhaltig? Oder gibt es da noch eine größere interne Variabilität, die beim Alarm nicht berücksichtigt wurde? Hätten die Autoren vielleicht von möglichen Argumenten gegen ihren Schluss wissen können? Ihr Kollege Latif (ja, der mit den Prognosen über den ausbleibenden Winterschnee und die Sommertemperaturen von bis zu 50 Grad Celsius in Mitteleuropa – beides nicht eingetroffen) hatte bereits 2006 (Latif et al. 2006) eine dekadische Variabilität in Modellen simuliert, und es gab auch aktuelle Hinweise zum Zeitpunkt des Verfassens der F/R 11-Arbeit: So hatten u.a. DelSole et al. 2011 gewarnt: es könnte eine Variabilität ohne jedes Forcing (ohne treibende Kräfte von außen wie etwa Treibhausgase, Sonne oder Vulkane) geben, die auf Zeitspannen von etwa 30 Jahren einen Trend von 0,08°C pro 10 Jahre erzeugen kann, ohne dass der Mensch dazu beiträgt.
Dass es eine „Fluktuation“ geben muss, die F/R (2011) in ihrer Betrachtung nicht berücksichtigten, liegt auf der Hand: Benutzt man ihren Algorithmus (er ist nicht sehr kompliziert, ein geübter Benutzer eines Kalkulationsprogrammes braucht kaum eine Stunde, um die linearen Rechnungen nachzuvollziehen – erstaunlich wenig Zeit für so etwas komplexes wie unser Klima) für die Jahre 1915-1945 ist man verblüfft:
Auch im frühen 20. Jahrhundert verbleibt ein Anstieg von 0,12 Grad/10 Jahre, und der kann in dieser Höhe damals schwerlich menschengemacht sein. Die atlantische multidekadische Oszillation (AMO) war schon seit 2000 und davor bekannt, aber die Erklärung hierfür lange strittig: Ist es ein Auf-und-Ab der Temperaturen des nördlichen extratropischen Atlantiks, das selbst durch ein Forcing entsteht, oder ist es eine Schwankung der thermohalinen Zirkulation, also völlig natürlich?
Das IPCC setzte bisher auf das Forcing als Ursache der Schwankungen in der Temperaturreihe seit 1880 und erklärte es so: Die Erwärmung nach 1910 entstand durch ein Nachlassen der kühlenden Wirkung von vorangegangenen Vulkanausbrüchen. Die Abkühlung 1945-1975 wurde dagegen durch troposphärische, vornehmlich anthropogene Aerosole verursacht, die zunächst ein Absinken der Sonnenstrahlung am Boden („Global Dimming“) und nach 1975 mit dem Greifen von Umweltschutzmaßnahmen zu ihrer Reduzierung ein Aufhellen („Global Brightening“) bewirkten.
Immer wieder erschienen Arbeiten hierzu. Darunter solche, die die AMO auch in Modellen nachvollzogen, ohne dass immer wieder Aerosole die Variabilität zum richtigen Zeitpunkt etwa alle 60 Jahre „von oben her“ steuern mussten, genannt seien Wei & Lohmann (2012) und Wouters et al. (2012). Aktuell ist auch eine Publikation, die die These des aerosolen Forcings stützt: Booth et al. 2012 meinten in Simulationen zeigen zu können, dass man das Verhalten der nordatlantischen Variabilität der Oberflächentemperaturen des Ozeans durch Aerosolforcing im 20. Jahrhundert vollständig erklären könne. Dem widersprachen erst unlängst Zhang et al. (2013). Sie fanden, dass bei Einbeziehung des Wärmeinhalts der oberen 700m (Ocean Heat Content – OHC) des nördlichen Atlantiks die Erklärung durch Aerosolforcing allein sehr zweifelhaft ist.