Die Arktis erwärmt sich schneller als der weltweite Durchschnitt, liest man regelmäßig in der Presse. In der Fachwelt wird das Phänomen als „Polare Verstärkung“ bezeichnet, auf englisch „Polar Amplification“. Das publizistische Alarmschema ist dabei einfach gestrickt: Hilfe, die Erwärmung gerät in den arktischen Regionen außer Kontrolle! Würde die gesamte grönländische Eiskappe abschmelzen, so stiege der globale Meeresspiegel um satte 7 Meter an. Hamburg, New York und Amsterdam stehen dann unter Wasser.
In der Folge wollen wir das arktische Erwärmungsphänomen näher unter die Lupe nehmen. Stimmt es wirklich, dass hier die Temperaturen schneller steigen als anderswo? Wie robust ist die Datengrundlage dieser Annahme? War die Arktis in den letzten 10.000 Jahren noch nie wärmer als heute? Wir begeben uns auf Spurensuche.
Erwärmung der letzten 50 Jahre
Es gibt eine ganze Reihe von Temperaturdatensätzen, wobei aber aufgrund der dünnen Informationslage nicht alle die Arktis beinhalten. So sparen die globalen HadCRUT Daten des britischen Met Office diese Region aus, man spricht hier vom sogenannten „Arktisloch“. Die GISS-Temperaturdaten der NASA hingegen umfassen auch die Arktis. In einer Kartendarstellung der Erwärmung für die letzten 50 Jahre sieht man hier ein knallrotes Band in der Arktis hervorleuchten, das eine deutlich höhere Erwärmung anzeigen, als im Rest der Welt (Abbildung 1).
Abbildung 1: Erwärmung der Erde während der vergangenen 50 Jahre (1960-2011). In der Arktis erscheinen rote Farben, die eine deutlich höhere Erwärmung anzeigen als im Rest der Welt (GISS). Quelle: NSIDC.
Die Daten bestätigen offenbar die behauptete arktische Überhitzung. Ende der Diskussion, hört man es aus dem klimaalarmistischen Lager herüberrufen. Aber halt, nicht ganz so schnell. Es gibt leider doch noch ein paar Ungereimtheiten, die wir diskutieren müssten. Schauen Sie noch einmal genau auf die obige Abbildung. Fällt Ihnen etwas auf? Genau, der allergrößte Teil des herausstechenden roten Bandes liegt über dem Arktischen Ozean, in dem es nur eine äußerst geringe Anzahl von Wetterstationen gibt. Der Arktische Ozean nimmt fast 3 Prozent der globalen Erdoberfläche ein, regelmäßige Temperaturmessungen aus dieser Region gibt es aber fast keine. Der allergrößte Teil des arktischen Festlands, also der nordamerikanischen und sibirischen Arktis, ist auf der Karte mit orangen Erwärmungsraten markiert, die im Vergleich mit dem Rest der Welt nichts Außergewöhnliches darstellen. Hier gibt es deutlich mehr Messstationen, die aber offenbar keine übersteigerte Erwärmung feststellen. Hierzu gehören übrigens auch zwei Drittel Grönlands.
Können wir uns auf die GISS-Daten und -Karten verlassen? Skepsis ist auch angebracht, weil das GISS-Institut bis vor kurzem vom bekennenden Klimaaktivisten James Hansen geleitet wurde, der erst kürzlich in Rente ging und die Leitung an einen nicht weniger klimaalarmistisch veranlagten Kollegen, Gavin Schmidt, weiterreichte. Immer wieder wurde Hansen vorgeworfen, in der Arktis überhitzte Datenpunkte zu ergänzen, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Chung et al. (2013) konnten zeigen, dass der GISS-Datensatz enorme Extrapolationen vornimmt und weitreichende Datenglättungen über riesige Distanzen von 1200 km getätigt werden. In einem realistischeren Ansatz reduzieren die Autoren die Glättung auf 250 km und erhalten ein sehr viel reelleres Erwärmungsbild der Arktis, wobei sie bewusst Datenlücken zulassen (weiße Flächen in Abbildung 2).
Abbildung 2: Entwicklung der Sommertemperaturen in der Arktis (Juni-August) für den Zeitraum 1998-2011. Bearbeitete GISS-Daten. Weiße Flächen stellen Datenlücken dar. Abbildung aus Chung et al. (2013).
In der Arbeit schreiben Chung et al.: