Einige Meeresbewohner profitieren sogar von der Ozeanversauerung

Etwa die Hälfte der anthropogenen CO2-Emissionen wird von den Ozeanen aufgenommen, so dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nur halb so schnell steigt wie ohne die Ozeanpufferung. Durch die Aufnahme des CO2 im Ozeanwasser erniedrigt sich der pH-Wert, ein Effekt der als „Ozeanversauerung“ bekannt ist. Noch vor 15 Jahren dachte man, dass sich hierdurch viele Kalkschalen von Meeresorganismen auflösen würden. Man befürchtete eine Katastrophe. Daraufhin machten sich Hunderte von Forschern ans Werk und sahen genauer nach. Und zum Glück fanden sie, dass die meisten Meeresorganismen mit der Versauerung gut klar kommen, von einigen Ausnahmen abgesehen. Im heutigen Blogartikel fassen wir kurz einige neuere Forschungsresultate zum Thema für Sie zusammen.

Untersuchungen an einem Korallenbohrkern aus dem Pazifik zeigen, dass der pH-Wert zwar langfristig fällt, aber auch vom El Nino mitgeprägt ist. Pressemitteilung (PM) des Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) aus dem Juni 2018:

Ein Korallenbohrkern beweist: Im Pazifik sinkt der pH-Wert

Ozeane nehmen mehr als 40% des vom Menschen verursachten Treibhausgases CO2 aus der Atmosphäre auf. Dadurch sinkt der pH-Wert des Meerwassers. Bisher fehlten zuverlässige Langzeitmessungen und historische Datensätze, die den Einfluss der CO2-Aufnahme auf den pH-Wert des Meeres verdeutlichen. Ein Wissenschaftlerteam hat nun anhand eines Korallenbohrkerns aufgezeigt, wie sich der pH-Wert im südlichen Pazifik seit vorindustrieller Zeit verändert hat. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen.

Nutzung fossiler Brennstoffe, Abholzung von Regen- und Mangrovenwäldern – der Mensch verursacht einen steten Anstieg von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Erdatmosphäre. Ozeane gelten als Senken für CO2. Sie nehmen mehr als 40% des vom Menschen verursachten Treibhausgases auf. Wenn CO2 aus der Atmosphäre mit dem Meerwasser zu Kohlensäure reagiert, sinkt der pH-Wert und es kommt zur sogenannten Ozeanversauerung. Dieser Prozess hat Auswirkungen auf kalkbildende Organismen wie Korallen, Muscheln oder einige Planktonarten und kann ihre Fähigkeit beeinflussen, ein voll funktionsfähiges Kalkskelett aufzubauen. Bisher fehlten zuverlässige Langzeitmessungen und historische Datensätze, die den Einfluss der CO2-Aufnahme auf den pH-Wert des Meeres verdeutlichen.

Ein französisches Wissenschaftlerteam und der Klimaforscher Dr. Henry Wu, der am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) arbeitet, haben nun anhand eines Korallenbohrkerns aufgezeigt, wie sich der pH-Wert im südlichen Pazifik seit vorindustrieller Zeit verändert hat. Die Studie ist kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen.

Steinkorallen können mehrere Hundert Jahre alt werden. Sie wachsen zwischen einigen Millimetern und mehreren Zentimetern pro Jahr und bilden wie Bäume Wachstumsringe aus. Ihr Kalkskelett gilt als natürliches Archiv, in dem Informationen über die Chemie des Meerwassers in sehr hoher Auflösung gespeichert sind. Je nach Umweltbedingungen bauen Korallen unterschiedliche Mengen an Spurenelementen in ihr Kalkskelett ein.

Den Bohrkern entnahm das Forscherteam einer kompakten Steinkoralle der Gattung Diploastrea im Südpazifik. „Wie Bohrkerne aus dem Eis der Polkappen bieten uns auch Korallenbohrkerne einen Blick in die Klimageschichte der Meeresregion, in der sie entnommen wurden, und erlauben es uns, Aussagen für die Zukunft zu machen“, so Henry Wu.

Proben aus den Wachstumsringen des Korallenkerns untersuchte Henry Wu auf Bor und andere Elemente wie Sauerstoff. Bor ist ein natürlicher Bestandteil von Meerwasser und seine Isotope sind empfindlich gegenüber Veränderungen des pH-Wertes im Ozean. Zusätzlich liefern Sauerstoffisotope Informationen über die Temperatur des Wassers.

Die Messungen ergaben ein sehr differenziertes Bild der natürlichen Schwankungen und der Entwicklung des pH-Wertes sowie der Temperatur des Oberflächenwassers im Südpazifik seit 1689 bis zum heutigen Zeitpunkt. Gemeinsam mit Dr. Delphine Dissard und weiteren Projektpartnern des Institut de Recherche pour le Développement und des Centre National de la Recherche Scientifique in Frankreich konnte Henry Wu nachweisen, dass unter dem Einfluss der industriellen Revolution gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine deutliche Abnahme des pH-Wertes um 0,12 begann.

Auch zeigte sich eine Korrelation mit Klimaanomalien wie El Niño, die in dieser Meeresregion regelmäßig auftreten. Während dieses Phänomens ändern die Passatwinde und Meeresströmungen im Pazifik ihre Richtung und verursachen dort erhebliche Temperaturänderungen. Das Ereignis hat ebenfalls Einfluss auf den pH-Wert, da wärmeres Wasser weniger CO2 aufnimmt als kaltes. „Diese Variabilität zu erfassen ist wichtig“, erklärt Henry Wu. „Denn nur so können wir natürliche Schwankungen des pH-Wertes von denen unterscheiden, die der Mensch durch CO2-Emissionen verursacht.“

Henry Wu konnte sich mit seinen Ideen für eine Ausweitung des Projektes im Rahmen der Forschungsinitiative „Make Our Planet Great Again“ durchsetzen, die vom DAAD und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Die Initiative wurde ins Leben gerufen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Während des fünfjährigen Projektes, das mit einer Million Euro gefördert wird, soll die Entwicklung von pH- und Temperaturwerten sowie der Karbonatchemie seit der industriellen Revolution in verschiedenen Regionen des Atlantiks, Pazifiks und Indischen Ozeans untersucht werden.

Publikation: Wu, H. C., D. Dissard, E. Douville, D. Blamart, L. Bordier, A. Tribollet, F. Le Cornec, E. Pons-Branchu, A. Dapoigny, and C. Lazareth (2018), Surface ocean pH variations since 1689 CE and recent ocean acidification in the tropical South Pacific. Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-018-04922-1. Open access.

Der Standard berichtete über die Studie.

Fowell et al. 2018 untersuchten einen Korallenbohrkern in Belize und fanden, dass es keinen stabilen Zusammenhang zwischen pH-Wert und Korallenwachstum gab. Den Korallen war der pH wohl ziemlich egal.

Die University of Delaware berichtete 2018, dass sich die Ozeanversauerung im Südlichen Ozean intensiviert, wenn im Sommer die Westwinde stärker werden.

Ahmed et al. 2019 hat die pH-Änderungen im Meerwasser der kanadischen Arktis von 2010.2016 gemessen. Die Forscher fanden komplexe räumliche und saisonale Veränderungen, die z.T. mit dem jährlichen arktischen Meereiszyklus zu tun haben. Insgesamt stellt das Gebiet eine CO2-Senke dar.

Im Mai 2018 stellte Notrickszone drei Studien zur Ozeanversauerung vor. Lesenswert ist auch ein Artikel zum Thema aus geologischer Perspektive von David Middleton auf WUWT.

Zwei Arbeiten über Korallen von 2018 (Sanchez-Nogueira et al. 2018, Liew et al. 2018) zeigen dass Korallen bei weitem widerstandsfähiger gegen geringere ph-Werte sind. Die erste Arbeit untersucht Korallen in einer upwelling Zone und ergab, dass es über größere Episoden einen starken Fall des ph- Wertes und erhöhten CO2- Gehalt im Wasser gibt, und zwar natürlich. Das Wunder: Die Korallen wachsen bei solchen Ereignissen schneller! In weiten tropischen Regionen der Erde werden die Riffe also nicht in dem Maße bedroht durch Bleiche wie es uns suggeriert wird. Der thermische Stress im „Great Barrier Reef“ während El Ninos ist aussergewöhnlich und im weiten Maße natürlich durch ENSO, die „Versauerung“ trägt vermutlich viel weniger zur Korallenbedrohung bei wie gedacht. 

PM der University of California – Santa Cruz von 2019:

Some corals can survive in acidified ocean conditions, but have lower density skeletons

Coral reefs face many challenges to their survival, including the global acidification of seawater as a result of rising carbon dioxide levels in the atmosphere. A new study led by scientists at UC Santa Cruz shows that at least three Caribbean coral species can survive and grow under conditions of ocean acidification more severe than those expected to occur during this century, although the density of their skeletons was lower than normal. The study took advantage of the unusual seawater chemistry found naturally at sites along the Caribbean coastline of Mexico’s Yucatan Peninsula, where water discharging from submarine springs has lower pH than the surrounding seawater, with reduced availability of the carbonate ions corals need to build their calcium carbonate skeletons.

In a two-year field experiment, the international team of researchers transplanted genetically identical fragments of three species of corals to a site affected by the springs and to a nearby control site not influenced by the springs, and then monitored the survival, growth rates, and other physiological traits of the transplants. They reported their findings in a paper published June 26 in Proceedings of the Royal Society B. „The good news is the corals can survive and deposit calcium carbonate, but the density of their skeletons is reduced, which means the framework of the reef would be less robust and might be more susceptible to storm damage and bioerosion,“ said Adina Paytan, a research professor at UCSC’s Institute of Marine Sciences and corresponding author of the paper.

Of the three species tested, the one that performed best in the low-pH conditions was Siderastrea siderea, commonly known as massive starlet coral, a slow-growing species that forms large dome-shaped structures. Another slow-growing dome-shaped species, Porites astreoides (mustard hill coral), did almost as well, although its survival rate was 20 percent lower. Both of these species outperformed the fast-growing branching coral Porites porites (finger coral). Coauthor Donald Potts, professor of ecology and evolutionary biology at UC Santa Cruz, said the transplanted species are all widespread throughout the Caribbean. „The slow-growing, dome-shaped corals tend to be more tolerant of extreme conditions, and they are important in building up the permanent structure of the reef,“ he said. „We found that they have the potential for persistence in acidified conditions.“

Corals will have to cope with more than ocean acidification, however. The increasing carbon dioxide level in the atmosphere is also driving climate change, resulting in warmer ocean temperatures and rising sea levels. Unusually warm temperatures can disrupt the symbiosis between coral polyps and the algae that live in them, leading to coral bleaching. And rapidly rising sea levels could leave slow-growing corals at depths where they would die from insufficient sunlight.

Nevertheless, Potts noted that several species of Caribbean corals have long fossil records showing that they have persisted through major changes in Earth’s history. „These are species with a history of survival and tolerance,“ he said. He added that both S. siderea and P. astreoides had higher chlorophyll concentrations at the low-pH site, indicating that their algal symbionts were responding positively and potentially increasing the energy resources available to the corals for resisting stress.

Both of the slow-growing species that did well under acidified conditions have internal fertilization and brood their larvae, so that their offspring have the potential to settle immediately in the same area, Potts said. „This means there is potential for local genetic adaptation over successive generations to changing environmental conditions,“ he said. The authors also noted that the differences among coral species in survival and calcification under acidified conditions could be useful information for reef restoration efforts and perhaps even for efforts to genetically modify corals to give them greater stress tolerance.

Paytan said she remains „cautiously optimistic,“ despite the many threats facing coral reefs worldwide. „These corals are more robust than we thought,“ she said. „They have the potential to persist with ocean acidification, but it costs them energy to cope with it, so we have to do all we can to reduce other stressors, such as nutrient pollution and sedimentation.“ Paytan and Potts said the collaboration with Mexican researchers was essential to the success of the project, enabling frequent monitoring of the transplanted corals throughout the two-year experiment.

Paper: Ana Martinez, Elizabeth D. Crook, Daniel J. Barshis, Donald C. Potts, Mario Rebolledo-Vieyra, Laura Hernandez, Adina Paytan. Species-specific calcification response of Caribbean corals after 2-year transplantation to a low aragonite saturation submarine spring. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2019; 286 (1905): 20190572 DOI: 10.1098/rspb.2019.0572

Zwei weitere Arbeiten zum Thema Korallen:

McCulloch, M.T., D’Olivo, J.P., Falter, J., Holcomb, M. and Trotter, J.A. 2017. Coral calcification in a changing world and the interactive dynamics of pH and DIC upregulation. Nature Communications8: 15686, DOI:10.1038/ncomms15686.

Donald, H.K., Ries, J.B., Stewart, J.A., Fowell, S.E. and Foster, G.L. 2017. Boron isotope sensitivity to seawater pH change in a species of Neogoniolithon coralline red alga. Geochimica et Cosmochimica Acta217: 240-253.

Die jeweilige Besprechung auf CO2Science ist verlinkt.

Weitere Papers zum Thema für alle besonders Interessierten im Schnelldurchlauf:

Käferschnecken: Sigwart, J.D. and Carey, N. 2014. Grazing under experimental hypercapnia and elevated temperature does not affect the radula of a chiton (Mollusca, Polyplacophora, Lepidopleurida). Marine Environmental Research102: 73-77.

Diatomeen: Scheinin, M., Riebesell, U., Rynearson, T.A., Lohbeck, K.T. and Collins S. 2015. Experimental evolution gone wild. Journal of the Royal Society Interface12: 10.1098/rsif.2015.0056.

Makroalgen: Fernández, P.A., Roleda, M.Y. and Hurd, C.L. 2015. Effects of ocean acidification on the photosynthetic performance, carbonic anhydrase activity and growth of the giant kelp Macrocystis pyrifera. Photosynthesis Research124: 293-304

Marines Benthos: Sciencedaily

Schalentiere: Unexpected result: Ocean acidification can also promote shell formation (WUWT)

Foraminiferen: Nature.com

Rifffische: Sciencedaily

Heringe: WUWT

Seegras: Cox, T.E., Nash, M., Gazeau, F., Déniel, M., Legrand, E., Alliouane, S., Mahacek, P., Le Fur, A., Gattuso, J.-P. and Martin, S. 2017. Effects of in situ CO2 enrichment on Posidonia oceanica epiphytic community composition and mineralogy. Marine Biology164: 103, DOI 10.1007/s00227-017-3136-7. Außerdem: Pressemitteilung auf Sciencedaily.

Austern: WUWT

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