Wie werden eigentlich mittlere Daten, repräsentativ für die gesamte Erdoberfläche, ermittelt?

Von Reinhard Storz

Die Ermittlung einer Temperatur erscheint einem zunächst mal als etwas triviales. Jeder von uns hat ja schon häufiger ein Thermometer abgelesen. Im Zusammenhang mit der globalen mittleren Temperatur der Erdoberfläche und deren Vergleich über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte, erwachsen Probleme, die man so nicht erwartet. Das beginnt mit der Anbringung der Thermometer. Bezüglich der Höhe ist man in den Normen der Staaten variabel zwischen 1,25 m und 2 m über dem Boden.

Früher hat man die Thermometer einfach irgendwo an der Nordwand eines Hauses angebracht, wo die Sonne keinen Einfluss hatte. Unter Umständen aber die Wand von innen beheizt wurde.  Später wurden Thermometer in offenen Holzkästen angebracht, noch später in geschlossenen Kästen, wodurch der Einfluss der Luftzirkulation durch Wind unterschiedlich war.

Auch ein Einfluss der Umgebung ist gegeben. In Innenstädten ist es häufig um 2 oder 3 Grad wärmer als im Umland. Viele meteorologische Messeinrichtungen stehen an der Universität oder Wetterwarte in der Innenstadt, die im Verlauf von 100 oder mehr Jahren gewachsen ist, so dass der Einfluss durch den Wärmespeichereffekt der Stadt sich verändert hat.

In Shanghai hat man die Temperaturen einer meteorologischen Station in der Innenstadt mit denen einer Station im Umland verglichen. Bei windigem Wetter glichen sich die Temperaturen. Bei Windstille und vollem Sonnenschein wurden in der Stadt mehr als 6°C höhere Temperatur als im Umland gemessen. Damit nicht genug haben manche meteorologische Stationen ihren Ort in der Stadt gewechselt.

Auch die Bildung eines täglichen Mittelwertes der Temperatur ist nicht international genormt. Ich kann also täglich um 12 Uhr und um Mitternacht ablesen, die Summe bilden und durch 2 teilen um die mittlere Temperatur zu erhalten. Eine andere Möglichkeit wäre stündlich abzulesen, zu summieren und durch 24 zu teilen, um nur 2 Varianten aufzuzeigen.

Solange das einmal gewählte Verfahren beibehalten wird, ist es in Ordnung, da ja nur die Veränderungen zählen. Es wird aber berichtet, dass die Verfahren im Verlauf der Jahre mit dem Wechsel der mit den Messungen und Auswertungen betrauten Personen zwischen den unterschiedlichen Vorgehensweisen hin und  her gewechselt wurden.

In meiner Seefahrtszeit in den 1960er Jahren haben wir im Auftrag der Reederei auch am internationalen meteorologischen Programm mitgewirkt. Die Nautiker haben mehrfach am Tag Fragebögen ausgefüllt mit der Lufttemperatur, der Luftfeuchte (psychrometrische Temp) der Meerwassertemperatur, der Wolkenart, der Windrichtung und der Windgeschwindigkeit. Dabei musste natürlich Fahrtrichtung und Geschwindigkeit des Schiffes berücksichtigt werden. Die Daten wurden über Funk an die zuständigen Stellen weitergegeben.

Die Meerwassertemperatur wurde beim Maschinenpersonal abgefragt und dort am Eintritt des Meerwassers durch die Bordwand zur Kühlung der Maschinen abgelesen, d.h. in einer Wassertiefe von, je nach Beladungszustand,  zwischen 2 und 8 Metern. In früheren Jahrzehnten, (Segelschiffszeit), wurde das Wasser mit einem Eimer aus der Oberfläche des Meeres geholt und an Deck von Hand mit dem Thermometer gemessen. Die Eimer waren aus Holz, Metall oder Segeltuch und hatten damit eine unterschiedliche Wärmekapazität wodurch die Temperatur mehr oder weniger verfälscht wurde. Mit den immer größer werdenden Schiffen werden die Lufttemperaturen in immer größerer Höhe und die Wassertemperatur in größerer Tiefe gemessen. Auch das hat einen Einfluss.

Seit wann gibt es überhaupt eine Temperaturmessung? Erste Thermometer und Temperaturskalen wurden ab dem Jahre 1650 entwickelt. Es dauerte aber noch einige Zeit bis man halbwegs zuverlässig Temperaturen messen konnte. Von präzisen Temperaturmessungen gehen die Meteorologen ab etwa dem Jahre 1950 aus. Seit 1965 gibt es Quartzthermometer, mit denen reproduzierbar eine Genauigkeit von bis zu 0,0001°C, also einem Zehntausendstel Grad, gemessen werden kann.

Man versucht für Klimavergleiche alle diese Unterschiede durch Korrekturen auszugleichen. In welchem Maße das gelingt darf bezweifelt werden. Wenn wir nun zu den Flächen kommen, für die diese Temperatur repräsentativ sein soll usw. bis zur mittleren globalen Temperatur gibt es noch zahlreiche weitere potentielle Fehlerquellen.

Auch die ermittelte Menge der Niederschläge hängt von zahlreichen Faktoren ab. Es werden unterschiedliche Geräte zum Auffangen und Messen des Niederschlags benutzt. Auch der jeweilige Aufstellungsort hat einen Einfluss, ebenso wie die Windgeschwindigkeit. Ein internationaler Standard fehlte 1990. Ob das heute besser ist kann ich noch nicht sagen. Bei der Messung von Schneefall wurden im Jahre 1990 bei Langzeitmessungen mögliche Fehler von mehr als 40% unterstellt. Die Fehlerrate ist vermutlich am höchsten in nördlichen Breiten mit hohen Windgeschwindigkeiten und gering in den tropischen Regionen. Durch die Verbreitung der Kenntnis über Fehler bei der Ermittlung der Niederschläge hat man diese dann zunehmend vermieden, wodurch viele frühere Messungen nicht mit gegenwärtigen vergleichbar sind. Man hat diese Fehler in ihrer Größe abgeschätzt und für die Voraussage von Klimaänderungen entsprechende Korrekturen vorgenommen.

Meerestemperaturen

In der Zeit bis zum Jahr 1957 sind nur wenige Temperaturen der Meeresoberfläche systematisch erfasst worden. Das änderte sich mit dem geophysikalischen Jahr und wurde in den folgenden Jahren noch ausgeweitet. Schließlich sind fast 70% der Erdoberfläche vom Meer bedeckt, dessen oberste, nur 3m dicke Schicht, mehr Wärme enthält als die gesamte Atmosphäre.

Die Ermittlung der Meeresoberflächentemperaturen war also ein großer Schritt vorwärts. Aber was nach wie vor fehlte war ein umfassender Überblick über die Temperaturen und deren Veränderung in tieferen Stockwerken des Meeres und in größeren Höhen der Atmosphäre. Inzwischen, das heißt ab etwa 1990  messen zunehmend weltweit Forschungsschiffe in den Ozeanen die Temperaturen, den Salzgehalt und die Strömungsrichtung an vielen Orten und in unterschiedlichen Tiefen. Man lässt sogar automatisierte Bojen in der Tiefsee treiben, die regelmäßig Daten aus ihrer Umgebung übermitteln und nach langer Zeit  nur auftauchen um gewartet und neu mit Energie versorgt zu werden.

Die veränderlichen Daten der Schichten der Atmosphäre werden örtlich mit Wetterballons und weltweit durch Fernerkundung mittels Satelliten untersucht. So werden die für Wetter- und Klimaprognosen verfügbaren Daten immer zahlreicher und zuverlässiger.

Teilen: