Österreichischer Gletscherexperte hält zukünftige Eiszunahme auf dem Kilimandscharo für möglich

Der Kilimandscharo (von 1902 bis 1964 auch Kaiser-Wilhelm-Spitze oder Wilhelmskuppe genannt) ist mit 5895 m Höhe über dem Meeresspiegel das höchste Bergmassiv Afrikas. Auf der Spitze befindet sich ein Gletscher, dessen unmittelbar bevorstehender Untergang von Freunden der Klimakatastrophe regelmäßig in der Presse verkündet wird. So hieß es am 2. November 2009 im Standard:

Kein Schnee mehr auf dem Kilimandscharo
Bereits in 20 Jahren könnte er seine Gletscherkrone endgültig verloren haben – doch über die konkreten Gründe herrscht unter Klimatologen Uneinigkeit […] Nach neuen Schätzungen von Klimatologen könnte der Kilimandscharo schon in 20 Jahren durch den Klimawandel seine charakteristische, fast 12.000 Jahre alte Gletscherkrone verlieren. Davor warnen jedenfalls Forscher um Lonnie Thompson von der Ohio State University, die seit vielen Jahren den Rückgang des Gletschers auf dem Berg in Tansania verfolgen. Die Wissenschafter untersuchten Größe und Dichte des Gletschers sowohl mit direkten Messungen als auch mithilfe von Luftaufnahmen. Ihren Schätzungen zufolge ist die Eismasse zwischen 1912 und 2007 um etwa 85 Prozent geschrumpft. In der jüngeren Zeit sei der Schwund dabei besonders stark gewesen, nämlich um mehr als ein Viertel (26 Prozent), so die Forscher im Fachblatt PNAS (online vorab). Die Klimatologen prophezeien entsprechend eine dramatische Beschleunigung des Gletscherrückgangs. Sollte sich an den Klimabedingungen nichts ändern, könnte der Gletscher schon zwischen 2022 bis 2033 verschwunden sein. Als Gründe nennen die Forscher um Thompson den Klimawandel, konkret: gestiegene Temperaturen und gesunkene Niederschläge.

Ein eisfreier Kilimandscharo zwischen 2022-2033, hieß es 2009. Noch 2002 hatte man fest mit dem Ableben der Gletscherkappe zwischen 2015 und 2020 gerechnet. In den VDI Nachrichten hieß es hierzu am 25. Oktober 2002:

Afrika bald Eisfrei
Kaum mehr als 12 Jahre wird sich die Eiskappe auf dem höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo, noch halten, fürchten Forscher. Zwischen 2015 und 2020 werde der Gletscher auf dem 5895 m hohen Gipfel komplett abgeschmolzen sein. Momentan schwindet er um bis zu einem Meter pro Jahr (Science, Bd. 298, S. 589). Die Wissenschaftler bemerk­ten die Schmelze, als sie mit Eisbohrungen im Krater des Vulkans die Klimageschichte des tropischen Afrikas untersuchten. Vor vier- bis elftausend Jahren, so fanden sie heraus, war die Region wärmer als heute und es regnete mehr. Wie Europa erlebte auch Afrika zwischen 1270 und 1850 eine kühle Epoche, die hierzulande als kleine Eiszeit bekannt ist.

Die typische Strategie: Wenn der vorhergesagte Weltuntergang nicht eintritt, verlegt man ihn einfach weiter in die Zukunft und hofft auf das Beste.

Am 6. April 2014 vermeldete nun der offizielle Ökologe des Mount Kilimanjaro National Park (KINAPA), Imani Kikoti, auf eturbonews.com, dass es dem Gletscher auf dem Kilimandscharo unerwartet gut gehe, da es in den letzten Jahren verstärkt Niederschläge gegeben habe, die den Gletscher nährten. Kikoto sieht in der nahen Zukunft keine Gefahr für die Gletscherkappe. Hier ein Auszug aus dem Artikel:

Mount Kilimanjaro glaciers nowhere near extinction
The legendary glaciers, one of key tourists ecstasy, on Tanzania’s majestic Kilimanjaro mountain, will not melt anytime soon after all, as it was earlier predicted. America’s renowned climatologist, professor Lonnie Thompson in 2002 projected that the snow on the summit of Africa’s highest mountain would completely disappear between 2015 and 2020, thanks to global warming. But 12 years down the lane now, local ecologists who have been monitoring the trend say the ice, in fact, remains steady and it is nowhere near extinction. “There are ongoing several studies, but preliminary findings show that the ice is nowhere near melting,” said Mount Kilimanjaro National Park (KINAPA)’s Ecologist, Imani Kikoti. Mr Kikoti hints that sustainable rainfalls supply on Mount Kilimanjaro in recent years could be a factor behind the snow resilient. “Much as we agree that the snow has declined over centuries, but we are comfortable that its total melt will not happen in the near future,” he stressed.

Wie konnte es zu dieser peinlichen Vorhersagepanne kommen? Offenbar hatte man die wissenschaftlichen Zusammenhänge nicht richtig verstanden und einfach einen Kurzzeittrend ohne groß zu überlegen in die Zukunft fortgeschrieben. Einen ersten Hinweis auf mögliche Fehlerquellen bekommen wir aus dem in den VDI Nachrichten zitierten Paper (siehe oben). Es heißt darin, dass die Region vor vier- bis elftausend Jahren wärmer als heute war und sich die Gletscherkappe wegen verstärkter Niederschläge damals bildete. Auch die Leipziger Volkszeitung berichtete am 1. Oktober 2002 über die Studie und ergänzte hierzu:

Den Analysen zufolge bildeten sich die Gletscher auf dem Kilimandscharo vor 11.700 Jahren. 2000 Jahre später war der Berg „von einer weitaus feuchteren Landschaft als heute umgeben“, berichten die Experten im Fachblatt „Science“. So habe der Tschad-See damals den Umfang des Kaspischen Meeres gehabt, etwa das 20fache seiner gegenwärtigen Ausmaße. Vor 8300 Jahren setzte dann eine erste große Dürre ein. Aus einem abrupten Rückgang von Sauerstoff-18-Isotopen vor rund 5200 Jahren schlossen die Gelehrten auf die nächste Dürreperiode.

Ganz offensichtlich hängt das Wohlbefinden des Kilimandscharo-Gletschers nicht so sehr von der Temperatur, sondern vielmehr mit den Niederschlägen zusammen. Und diese unterliegen in Ostafrika einer bedeutenden natürlichen Variabilität, die zum Teil offenbar auf Änderungen der Sonnenaktivität zurückgeht (siehe unsere Beiträge hier, hier, hier und hier).

Experten gehen mittlerweile davon aus, dass das Schrumpfen der Kilimandscharo-Gletscherkappe eher mit der zunehmenden Rodung der Waldgebiete am Fuße des Kilimandscharos zu tun hat. Durch die verringerte Evapotranspiration gerät weniger Feuchtigkeit in die Luft. Unter diesen trockenen Bedingungen beginnt das Eis auf dem Gipfel zu sublimieren. Der Daily Maverick fasste am 28. Oktober 2010 den neuen Wissensstand zusammen:

Nicholas Pepin and his colleagues from the University of Portsmouth in the UK feel deforestation is the crucial answer to the puzzle. The team has studied the area extensively; between September 2004 and July 2008, they recorded temperature and humidity readings at ten different sites and heights on the mountain, every hour. They published their findings in the journal Global and Planetary Change, and reveal that heating that occurs in the day leads to a flow of moist, warm air that flows up the side of the mountain. Trees are instrumental at this stage, as they give moisture to the air through transpiration. Pepin and his team contend that the excessive and aggressive felling of trees in the last few decades has led to a decrease in the moisture flow. Since the peak does not get replenished by the water and moisture that the winds generally bring, the snow level starts decreasing. The ice starts evaporating through a process called sublimation – the direct conversion of ice into water vapour without going through the intervening step of being converted into water.

Bereits 2007 erhoben Wissenschaftler Einspruch gegen Al Gores Darstellung in seinem Film „Eine unbequeme Wahrheit“, in dem das Schmelzen der Kilimandscharo-Eiskuppe als Folge einer menschengemachten Klimaerwärmung behauptet wird. Vielmehr sollte man Ozeanzyklen im Indischen Ozean in Betracht ziehen, die Veränderungen in den Niederschlägen verursachen. Am 12. Juni 2007 berichtete Science Daily:

Two scientists writing in a new magazine article say that global warming has nothing to do with the decline of ice atop Mount Kilimanjaro, and using the mountain in northern Tanzania as a „poster child“ for climate change is simply inaccurate. […] Mote and Georg Kaser, a glaciologist at the University of Innsbruck in Austria, write in American Scientist that the decline in Kilimanjaro’s ice has been going on for more than a century and that most of it occurred before 1953, while evidence of atmospheric warming there before 1970 is inconclusive. They attribute the ice decline primarily to complex interacting factors, including the vertical shape of the ice’s edge, which allows it to shrink but not expand. They also cite decreased snowfall, which reduces ice buildup and determines how much energy the ice absorbs — because the whiteness of new snow reflects more sunlight, the lack of new snow allows the ice to absorb more of the sun’s energy. Unlike midlatitude glaciers, which are warmed and melted by surrounding air in the summer, the ice loss on Kilimanjaro is driven strictly by solar radiation. Since air near the mountain’s ice almost always is well below freezing, there typically is no melting. Instead ice loss is mainly through a process called sublimation, which requires more than eight times as much energy as melting. Sublimation occurs at below-freezing temperatures and converts ice directly to water vapor without going through the liquid phase. Mote likens it to moisture-sapping conditions that cause food to suffer freezer burn. Fluctuating weather patterns related to the Indian Ocean also could affect the shifting balance between the ice’s increase, which might have occurred for decades before the first explorers reached Kilimanjaro’s summit in 1889, and the shrinking that has been going on since.

Mittlerweile schließt Georg Kaser von der Universität Innsbruck sogar eine zukünftige Trendwende am Kilimandscharo nicht mehr aus. Auf dem Hamburger Bildungsserver wird er wie folgt zitiert:

Allerdings hält Kaser auch das Gegenteil [also ein Wachstum des Kilimandscharo-Gletschers] für möglich, wenn eine Serie von mehreren feuchten Jahreszeiten mit hohen Niederschlägen aufeinanderfolgen. Anhaltend feuchtere Bedingungen würden dazu führen, dass das Plateaueis um mehrere Zehner von Metern wachsen würde. Höhere Niederschläge über Ostafrika könnten paradoxerweise sogar eine Folge des Klimawandels sein. Die Zunahme der Niederschläge in Ostafrika hängt mit Änderungen der Wassertemperatur im Indischen Ozean zusammen, durch die der absteigende Ast der Walker-Zirkulation über dem westlichen Indischen Ozean geschwächt wird.


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