Mehr Regen als Schnee in der Arktis?

Beitrag von Frank Bosse:

Eine Studie macht derzeit Furor in vielen Medien, so auch im Spiegel. Es ist die Rede von weitreichenden Konsequenzen für die Arktis:

„Die Veränderung werde sich je nach Gegend der Arktis und Jahreszeit unterschiedlich bemerkbar machen, prophezeien die Wissenschaftler auf Basis verschiedener Klimadatenmodelle. Es könne beispielsweise zwischen 2050 und 2080 dazu kommen, dass es im Herbst mehr regnet als schneit.“

Im Artikel wird dann wieder der „Kipppunkt Arktis“ referiert und das Übliche Szenario:

„Die Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem seien riesig.“

Die Arbeit in Frage ist hier zu finden, leider im auf DPA zurückgehenden Artikel nicht verlinkt. Dort finden sich am Ende auch einige solche Aussagen, namentlich im Herbst:

„CMIP6 also shows a more rapid reduction of the snowfall ratio, from around 0.7 at the start of the century for both CMIPs to around 0.3 … by the end of the century“

Es soll also nach den Modellen nach CMIP6 am Ende des Jahrhunderts in den Monaten September, Oktober und November nur noch zu 30% Schnee fallen, es sind jetzt 70%. Wie verlässlich sind Modelle beim Niederschlag in der Arktis? Das versuchen die Autoren, unter ihnen auch Julienne Stroeve und Mark Serreze vom NSIDC, im Kapitel „Historical Change“ zu beleuchten. Sie vergleichen Beobachtungen im Referenzzeitraum 1979-2005 nach einer Reanalyse (ERA5), reinen Messdaten (GPCP) und den Modellwerten in Abbildung 1 der Arbeit:

Bei genauem Hinsehen zeigt sich oben links, dass nach der Reanalyse (blau) ein recht gering positiver Trend der jährlichen Niederschläge zu sehen ist, in CMIP6 (gelb ist das Modellmittel) ist er deutlicher. Die räumlich aufgelösten Darstellungen sehen, auch durch die verwendete grafische Auflösung, ähnlich aus. Da man sich laut Studie auf den Raum innerhalb des dick eingezeichneten Kreises fokussiert, hätte man den Rest ausblenden können und eine feinere Auflösung für diesen Teil wählen können. So sieht man leider nur „grün-blaue Suppe“ wo es interessant ist. Unten links ist das Schneefallverhältnis nach ERA5 gezeigt, das vor allem durch das gewählte Endjahr 2005 einen negativ-Trend bekommt.

Seit 2005 ist viel passiert in der Arktis. Das „große Minimum“ der Eisbedeckung begab sich erst 2012. Die zwar für Modellvergleiche vereinbarte „historische Periode“ endet viel früher, was besonders wenn es um die Arktis geht, recht unglücklich ist. Der Vergleich zwischen der Reanalyse, die auch in der Arbeit als „das beste Produkt das für die Arktis verfügbar ist“ bezeichnet wird, und den Modellresultaten ist bis 2021 verfügbar und man kann sehr leicht die Korrelation in der Fläche mit mehr als 40 Jahren Vergleichszeitraum berechnen: 

Hier wurde das für den laut Arbeit besonders interessanten Zeitraum Herbst mithilfe des KNMI Climate Explorers unternommen. Nun wird deutlich, dass für weite Teile der Arktis die Korrelation des Modellmittels der CMIP6-Modelle nur eine Korrelation zu den „besten verfügbaren Daten“ von unter 0,3 aufweist. Das ist praktisch keine brauchbare Übereinstimmung. In nur kleinen Gebieten (Zufall?) erreicht die Korrelation Werte nahe 0,5, auch das ist unbefriedigend. Mit diesen harten Realitäten hätten die Autoren nach dem ersten Kapitel die Arbeit beenden sollen mit dem Ergebnis:

„Leider spiegeln die Modellergebnisse nicht auch nur im Ansatz die Verhältnisse der letzten über 40 Jahre wieder. Eine Aussage zu den Niederschlägen in der Arktis zum Ende das Jahrhunderts ist weder mit den CMIP5 noch mit den CMIP6 Modellen möglich. Sie fielen beim Vergleich mit der Realität durch.“

Das taten sie unglücklicherweise nicht und produzierten beeindruckende Bilder und steile Thesen, nur mit bei Licht besehen ungeeigneten Modell-Szenarien.

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Neuer Service bei den Tagesthemen. Claudia Kleinert präsentierte beim Wetterbericht die Erzeugung von Strom durch Wind.

(Abbildung: ARD Mediathek)

Fast 48 GW kamen am 30.11.2021 zusammen. Die gelernte Bankkauffrau Kleinert kam zwar etwas ins Schleudern bei der Moderation und der Unterscheidung zwischen Leistung und Arbeit, aber insgesamt sah das zweifelsohne beeindruckend aus. Steil steigende Kurven sind ja gerade allgegenwärtig. Schade, dass die Tagesthemen nur einen Snapshot von einem Tag zeigten. Zuschauer könnten doch bei der Betrachtung eines ganzen Monats sehen, wie unstet der Wind bei uns ist – bis hin zu Leistungen nahe Null. Da nützen auch die Buckel am Monatsende wenig.

(Abbildung: Screenshot Agora Energiewende)

Wir warten noch auf ein Statement von Simone Peter. Die schafft es ja gleichzeitig bei viel Wind zu jubeln, weil die Stromproduktion nach oben geht, gleichzeitig die Stürme aber dem Klimawandel anzulasten, gegen den man dringend etwas mittels vieler Windkraftanlagen unternehmen muss. In der Mathematik wäre das ein schöner Zirkelschluss.

Apropos Peter: Die scheint laut Twitter noch ein Ass im Ärmel zu haben. Möglicherweise kann ihr das eine Nominierung beim nächsten Physik-Nobelpreis einbringen. Es sind wetterunabhängige Erneuerbare Energie. Was könnte das bloß sein? Selbst Wasserkraft, in Deutschland nur beschränkt vorhanden, braucht Wetter in Form von Niederschlägen für die Wasserstände der Flüsse und Talsperren. Wir sind gespannt, wann sie diesen Trumpf spielt. Und Grundlast nennt man jetzt ”Versorgung”. War Grundlast nicht ohnehin veraltet und sollte angebotsorientierte Stromversorgung heißen?


(Abbildung: Screenshot Twitter)

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In der Regel tröstet man die Angehörigen von Verstorbenen nicht, wenn man auf die Vorteile hinweist, dass ja nun auch ein Esser weniger am Tisch ist. Genauso macht es allerdings das Mercator Research Institute in einer Stellungnahme. Der Verzicht im Namen des Klimas hat nämlich sehr viele positive Seiten schwärmt man dort. Fahrradfahren ist gesund und veganes Essen doch auch, meint die Studie.

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Anfang Dezember und die Alarmglocken bei Wikipedia fangen an lauter zu schlagen. Es ist keinesfalls so, dass das nicht erwartbar wäre. In jedem Jahr läuft das nach dem gleichen Schema. Die Dramatik wird sich in den nächsten Wochen noch steigern, ehe dann das Spendenziel erreicht wird. Geld, das zum größten Teil direkt in die USA auf den großen Haufen bei der US-Mutter landet. Wir hatten kürzlich über die fast 200 Millionen Dollar berichtet, die dort herumliegen. Der Berg wird jedes Jahr größer.

Es ist also eine einstudierte Choreographie, die da abläuft. Bei deutschen Spendern verfängt sie aber kolossal, ehe es dann kurz vor Weihnachten die erlösende Botschaft zu verkünden gibt, dass der Weiterbestand des Mitmachlexikons gerettet ist. Puhhh. Das wäre es auch ohne eine einzige zusätzliche Spende möglich, aber das sagt Wikipedia seinen Besuchern besser nicht.

(Abbildung: Screenshot Wikipedia)

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It Is Bluestime Baby. Jedenfalls beim Spiegel. Es geht um das Great Barrier Reef vor Australien.

“Dem Great Barrier Reef geht es schlecht, sehr schlecht sogar. So sieht das auch die australische Regierung in einem Bericht. Das größte Korallenriff der Welt hat innerhalb von gut zwei Jahrzehnten mehr als die Hälfte seiner Korallen verloren. Insgesamt, so eine andere Studie, waren sogar 98 Prozent der Korallen seit 1998 von einer Bleiche betroffen. Entscheidend verantwortlich dafür ist der vom Menschen verursachte Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung der Meere (lesen Sie hier, was das konkret bedeutet).”

Wir wissen nicht, ob der Spiegel den neuesten offiziellen Bericht der australischen Regierung gelesen hat. Allerdings vermuten wir, dass das nicht gemacht wurde. Wir haben kürzlich über den Report berichtet.

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Nach Biogas mit Energiepflanzen und der Erkenntnis, dass Landschaften “vermaisen”, kommt vielleicht die nächste Erkenntnis. Für Photovoltaikanlagen werden immer mehr wertvolle Ackerflächen verbraucht. Das berichtet Heise online. Erstaunlich, weil es in Deutschland sehr viel ungenutzten Raum auf Dächern gibt. Wir warten auf den Mais-Moment bei Solar, weil einfach nicht vernetzt genug gedacht wird.

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Ob Tesla sein Glück überhaupt fassen kann? Focus listet die Subventionen noch einmal auf. Dazu gehören auch 50 Millionen Euro für einen neuen Bahnhof. Auf Förderung in Sachen Batteriewerk scheint Tesla zu verzichten. Golem berichtet, dass die deutsche Bürokratie und die Geschwindigkeit von Tesla nicht kompatibel sind.

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Wer sich Wissen in Sachen Windkraft aneignen möchte, dem empfehlen wir ein 12-minütiges Video von Dr. Hans Hofman-Reinecke.

(Abbildung: Screenshot YouTube)

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Hier kommt eine schöne Bestätigung der Klimaschau 61: Wer hat Schuld an der Dürre in Madagaskar? Andere Faktoren als das Klima, sagt eine Studie von Wissenschaftlern aus Südafrika, Madagaskar, Neuseeland, Indien, Niederlande, Frankreich, USA und Vereinigtes Königreich. Main findings:

–Based on observations and climate modeling, the occurrence of poor rains as observed from July 2019 to June 2021 in Southern Madagascar has not significantly increased due to human-caused climate change. While the observations and models combine to indicate a small shift toward more droughts like the 2019-2021 event as a consequence of climate change, these trends remain overwhelmed by natural variability.

–We chose to analyse severe rainfall deficits in this study. This was because recent research found rainfall deficits were the primary driver of drought in regions of East Africa with very similar climatic properties to south-west Madagascar.

–Madagascar is one of the poorest countries of the world, with a particularly high proportion of people living below the poverty line in the south of the country. This makes it difficult for local communities to cope with any prolonged period of drought, particularly when subsistence agriculture and pastoralism in the region is rain-fed only.

–Southern Madagascar has been facing a severe food security crisis, made significantly worse by well below average rainfall from July 2019 to June 2021. This exceptional drought has affected a region with high pre-existing levels of vulnerability to food insecurity, and the impacts have been compounded by COVID-19 restrictions and pest infestations.

–The rainy seasons of both 2019/20 and 2020/21 saw just 60% of normal rainfall across the Grand Sud region. This lack of rain over the 24 months from July 2019 to June 2021 was estimated as a 1-in-135 year dry event, an event only surpassed in severity by the devastating drought of 1990-92.

–Large scale teleconnections did not significantly alter the likelihood of witnessing these exceptional rainfall deficits in southern Madagascar. While past episodes of anomalously low rainfall in the region have indeed coincided with moderate El Niño events, the severe El Niño of 1997/98 saw average levels of rain in the region, while the rainy season of 2020/21 was exceptionally dry despite coinciding with a moderate strength La Niña event.

–This result is consistent with previous research, with the IPCC’s Sixth Assessment Report concluding that any perceptible changes in drought would only emerge in this region if global mean temperatures exceed 2°C above pre-industrial levels.

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