Leiterin des ARD-Afrika-Studios Nairobi liegt in Ghana voll daneben: Peinliche Verwechslung von Küstenströmungen mit Klimawandel

ARD-Korrespondentin Sabine Bohland aus dem ARD-Studio Nairobi leistete sich am 18. Mai 2017 in der Tagesschau schlimmen Klimaalarm:

Klimawandel in Ghana: Totope – ein Dorf versinkt

Das Grundwasser versalzen, die Häuser vom Meer bedroht – wer den Klimawandel hautnah beobachten möchte, kann das in Totope tun. Das Dorf in Ghana leidet unter dem Anstieg des Meeresspiegelsgenau wie Hunderte weitere an Afrikas Westküste. […] Der Chief des Dorfes ist ein Mann um die 60. Nene Amarty Agbakla II. ist sein offizieller Name als Dorfvorsteher. Bürgerlich Theophilus Agbakla. Er ist hier geboren und erinnert sich noch gut daran, wie das Leben in Totope früher war. „Als ich ein Kind war“, erzählt er, „war das Meer so weit weg, dass ich immer auf eine Palme klettern musste, um zu sehen, ob die Boote der Fischer heimkamen. […] Seit etwa 30 Jahren sei das Meer aber immer näher gekommen. Und jetzt kommt es sogar so nah, dass Häuser manchmal nachts überflutet werden. Eltern nehmen dann ihre Kinder auf den Arm, stehen vor den Betten und warten, bis das Wasser sich wieder zurückzieht. Nicht selten bis zum Tagesanbruch. Die Hälfte von Totope sei bereits vom Meer verschlungen worden, erzählt der Chief. Andere Häuser stecken so tief im Sand, dass sie unbewohnbar sind. […] Durch den Anstieg des Meeresspiegels ist das Grundwasser versalzen. […] Totope ist nicht das einzige Dorf an Ghanas Küste, das durch den steigenden Meeresspiegel und die Küstenerosion zerstört wird. Hier mag es besonders schlimm sein, weil nicht mal ein Damm aus Felsbrocken errichtet wurde, um die Wellen abzuhalten, wie in einigen anderen Orten. Aber das wäre auch nur eine Maßnahme auf Zeit. Von Mauretanien bis Kamerun gibt es ähnlich betroffene Dörfer, überall leiden die Menschen unter dem Klimawandel.

Das klingt alles dramatisch. Schuld hat laut Aussage von Frau Bohland der menschengemachte Klimawandel, also wir alle. Aber wie robust ist die Ursachenforschung der Korrespondentin eigentlich wirklich? Eine Naturwissenschaftlerin scheint sie nicht zu sein. Über das Studium von Sabine Bohland schweigt sich das Internet aus. Vermutlich hat sie ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert, wie so viele andere Medienschaffende. Dabei ist klar, dass im Fall der Ghana-Story vor allem geologisches Wissen und Kenntnisse der Küstendynamik notwendig wären. Werfen wir zunächst einen Blick auf Totope auf einer Google Karte. Der Küstenort liegt in Südost-Ghana:

 

Erkennen Sie auch die seltsam langgezogenen Küstenstreifen? In der Ostsee heißt so etwas Nehrung, auf englisch sand barrier. Sie entstehen durch starke küstenparallele Strömungen. Ein wichtiges Merkmal dieses Küstentyps ist, dass sich diese Sandzungen ständig verlagern, nie längerfristig stabil bleiben. Das hätte Frau Bohland wissen können, ja müssen, wenn sie im Geographieunterricht damals besser aufgepasst hätte. Die im Beitrag dem Klimawandel zugeschriebenen Auswirkungen sind also vor allem küstendynamische Prozesse wie sie auf diesem Planeten bei diesem Küstentyp tausendfach auftreten. Es klingt hart, ist aber leider wahr: Sabine Bohland verbreitet hier Fake News. Hätte sie doch jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Im gesamten Beitrag der Tagesschau taucht bemerkenswerterweise kein einziger Wissenschaftler auf.

Das ausgezeichnete Paper von Nairn et al. (1998) ist frei im Netz als pdf verfügbar. Dort werden die wichtigsten küstendynamischen Prozesse erläutert. Das Volta-Delta und der Flussverlauf hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte ständig verschoben. Küstenerosion ist ein altbekanntes Problem, das bereits vor 150 Jahren aktuell war, lange vor dem anthropogenen Klimawandel. Hier eine weitere Literaturempfehlung: Dadson et al. 2016.

Der Wunsch den Klimawandel dramatisch und bürgernah präsentieren zu wollen, darf nicht dazu führen, die Recherche zu vernachlässigen. Die Zuschauer haben ein Anrecht auf eine fachlich korrekte Darstellung der Zusammenhänge. Pannen wie im Fall von Totope dürfen bei einer Sendung wie der Tagesschau nicht passieren.

Passend hierzu erschien in PNAS am 6. Juni 2017 eine Studie von Jun et al., die schludriges Faktenchecken als Folge von sozialem Druck und Groupthink erkennt:

Perceived social presence reduces fact-checking
Today’s media landscape affords people access to richer information than ever before, with many individuals opting to consume content through social channels rather than traditional news sources. Although people frequent social platforms for a variety of reasons, we understand little about the consequences of encountering new information in these contexts, particularly with respect to how content is scrutinized. This research tests how perceiving the presence of others (as on social media platforms) affects the way that individuals evaluate information—in particular, the extent to which they verify ambiguous claims. Eight experiments using incentivized real effort tasks found that people are less likely to fact-check statements when they feel that they are evaluating them in the presence of others compared with when they are evaluating them alone. Inducing vigilance immediately before evaluation increased fact-checking under social settings.

Significance: The dissemination of unverified content (e.g., “fake” news) is a societal problem with influence that can acquire tremendous reach when propagated through social networks. This article examines how evaluating information in a social context affects fact-checking behavior. Across eight experiments, people fact-checked less often when they evaluated claims in a collective (e.g., group or social media) compared with an individual setting. Inducing momentary vigilance increased the rate of fact-checking. These findings advance our understanding of whether and when people scrutinize information in social environments. In an era of rapid information diffusion, identifying the conditions under which people are less likely to verify the content that they consume is both conceptually important and practically relevant.

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Das Klima der letzten 10.000 Jahre war variabler als viele Leute meinen. Javier hat nun in Judith Currys Blog Teil 2 seiner Übersicht vorgelegt. Lesenswert.

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Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man schon fast drüber lachen. Viola Ulrich am 30. Mai 2017 in der Welt:

Wärmere Nächte: Warum uns der Klimawandel um den Schlaf bringen wird
Wenn nachts immer noch Temperaturen um die 20 Grad herrschen, können viele Menschen nicht richtig schlafen. Künftig werden wir noch mehr solcher verschwitzten Nächte erleben – dank des Klimawandels.

Weiterlesen in der Welt

Es stellt sich sogleich die Frage: Wie überleben eigentlich die Menschen in wärmeren Klimazonen der Erde, äquatorwärts von Deutschland aus gesehen? Ist das Leben dort bereits jetzt unmenschlich? Torkeln die Menschen dort schlaflos durch die Nacht und sterben daran? Ein bisschen mehr Kontext und Mitdenken könnte man hier schon erwarten…

 

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