Klimamodelle hinterfragt: Wasserhaushalt schwankte im 20. Jahrhundert weniger stark als erwartet

In einer wärmeren Welt gibt es mehr Verdunstung, was den durchschnittlichen Wasserdampfgehalt der Atmosphäre ansteigen lässt. Trotzdem hatten einige Forscher prognostiziert, dass es in Zukunft vermehrt Dürren geben würde. Intuitiv will dies nicht so richtig einleuchten. Kritik wurde jedoch stets mit Hinweis auf die außergewöhnlichen Fähigkeiten der verwendeten Supercomputer im Keim erstickt. Man solle den Black Boxes einfach vertrauen.

Die Phase der wilden Dürrespekulationen scheint nun vorerst vorbei zu sein. Ein Forscherteam um Fredrik Charpentier Ljungqvist von der Universität Stockholm hat in einer am 6. April 2016 in Nature erschienenen Arbeit die Vorhersagekraft der verwendeten Klimamodelle zur Niederschlagsentwicklung mit der realen Situation der letzten 1200 Jahre verglichen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Modelle können die Niederschlagsschwankungen nicht nachvollziehen. Dadurch verlieren die Regen-Simulationen automatisch auch die ihnen vormals zugedachte Fähigkeit für Zukunftsmodellierungen. Ein schwerer Schlag für die Klimaprognostik.

Spiegel Online berichtete im Beitrag „Fehler in Klimamodellen: „Dürreprognosen sind wenig vertrauenswürdig“ über die Studie und brachte ein Interview mit Eduardo Zorita vom Helmholtz-Zentrum in Geesthacht, einem Ko-Autor der Studie:

Eduardo Zorita: […] Unsere Studie aber zeigt, dass die Klimamodelle Probleme haben, Veränderungen des Niederschlags zu berechnen.

SPIEGEL ONLINE: Das würde den Kern der Klimaprognosen treffen, denn die wichtigsten Prognosen handeln ja von Veränderungen des Niederschlags. Was ist von den Warnungen vor mehr Dürre zu halten?

Zorita: Diese Prognosen sind wenig vertrauenswürdig. Unsere Arbeit zeigt, dass die Ergebnisse der Klimamodelle deutlich abweichen von den Klimadaten zum Niederschlag.

[…]

SPIEGEL ONLINE: Bestätigen die Daten denn, dass sich das Klima bereits verändert hat, wie es die Modelle berechnet haben? Auch beim Niederschlag müsste sich ja spätestens im 20. Jahrhundert der Einfluss des Menschen zeigen.

Zorita: In unseren Daten sieht man im 20. Jahrhundert keine Auffälligkeiten, es war beim Niederschlag keine Besonderheit. Vom neunten bis zum elften Jahrhundert war es ähnlich trocken, und da gab es noch keinen menschengemachten Klimawandel. Auch schwere Dürren wie zuletzt im Westen der USA werden durch Daten aus dem Mittelalter relativiert. Die Niederschlagsmenge scheint zudem stärker zu schwanken als bislang vermutet wurde, auch das zeigen die Daten aus 1200 Jahren.

SPIEGEL ONLINE: Trockene Regionen sollen laut Klimaprognosen noch trockener, feuchte noch nasser werden – so lauten die Warnungen aus den Klimaprognosen. Können Sie wenigstens diese Annahme bestätigen?

Zorita: Nein. Obwohl das Szenario physikalisch plausibel ist, sehen wir es nicht in den Daten.

[…]

Zorita: Unsere Studie ist ein Warnsignal. Sie zeigt, dass wir die Klimamodelle besser testen müssen. Den Wasserkreislauf, das zentrale Klimaphänomen, können sie bislang kaum modellieren.

Ganzes Interview auf Spiegel Online lesen.

 

Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, an der Ko-Autor David Frank beschäftigt ist, gab die folgende Pressemitteilung zur Publikation heraus:

Klimamodelle hinterfragt: Wasserhaushalt schwankte im 20. Jahrhundert weniger stark als erwartet

Auf der Nordhemisphäre gab es in den letzten 1200 Jahren stärkere Nass- und Trockenzeiten als im 20. Jahrhundert – trotz Klimaerwärmung. Dies belegt eine neue Studie in Nature. Sie hinterfragt die aktuellen Klimamodelle, die bei steigenden Temperaturen grössere Schwankungen im Wasserhaushalt für das 20. Jahrhundert zeigen, berichtet das internationale Forscherteam mit Beteiligung der Eidg. Forschungsanstalt WSL.

Dies ist überraschend, denn die gängigen Klimamodelle sagen eigentlich grössere Schwankungen des Wasserhaushalts im wärmeren 20. Jahrhundert voraus. Wichtige Daten hierzu fehlten bisher jedoch, da die Niederschlagsmessungen keine 200 Jahre zurückreichen, schreiben die Forschenden in Nature. Die neuen Resultate könnten dabei helfen, die Modelle zur Vorhersage der künftigen Wasserverfügbarkeit zu verbessern.

Früherer Wasserhaushalt rekonstruiert

Die Forschenden aus Schweden, Deutschland und der Schweiz sammelten nun Hinweise dazu, wie in den letzten 1200 Jahren die Wasserverfügbarkeit auf der Nordhemisphäre geschwankt hat. Hierfür haben sie hunderte von Aufzeichnungen aus Europa, Asien und Nordamerika über frühere Niederschläge, Seewasserpegel, Bodenfeuchte oder Abflussmengen von Flüssen analysiert. Diese Informationen lassen sich aus natürlichen Klimaarchiven wie Jahrringen, Tropfsteinen, Seesedimenten sowie historischen Schriftstücken ableiten.

Die Wasserschwankungen verglichen die Forscher mit einer ebenfalls von ihnen rekonstruierten Temperatur-Kurve. Es stellte sich heraus, dass Temperatur und Hydroklima nur in wenigen Regionen klar zusammenhängen. Zum Beispiel waren Dürren sowohl im relativ warmen 12. Jahrhundert als auch im recht kalten 15. Jahrhundert häufig – obwohl manchmal angenommen wird, dass kühlere Zeiten auch feuchter sind.

Im 20. Jahrhundert fanden sich keine ungewöhnlichen Feuchtigkeits-Schwankungen. Die Extreme von Nässe oder Dürre seien in früheren Jahrhunderten teilweise stärker gewesen und hätten grössere Flächen betroffen als im 20. Jahrhundert, erklärt Erstautor Fredrik Charpentier Ljungqvist von der Universität Stockholm. Dies obwohl die neue Temperatur-Kurve und die Klimamodelle darin übereinstimmen, dass es das wärmste Jahrhundert im letzten Jahrtausend war.

Gemäss Ljungqvist zeigt die Studie, wie wichtig eine langfristige Perspektive über Jahrtausende ist. „Die meteorologischen Messungen reichen zu kurz zurück, um zu testen, ob die Klimamodelle mit ihrer Vorhersage richtig liegen, dass trockene Regionen mit der Klimaerwärmung trockener werden und nasse nasser“, sagt Ljungqvist.

Test für Klimamodelle

Indizien aus natürlichen Klimaarchiven seien ein wichtiger Test für Modelle, die das künftige Klima vorhersagen sollen, erklärt Mitautor David Frank von der WSL. „Die gängigen Klimamodelle scheinen die Niederschlagsveränderungen in der vorindustriellen Zeit zwar gut abzubilden, die jüngsten anthropogenen Veränderungen des Klimasystems hingegen weniger“, sagt er.

Das muss nicht heissen, dass die Klimamodelle von falschen Mechanismen für Veränderungen des Wasserhaushalts ausgehen, gibt Ljungqvist zu bedenken. „Es könnte ebenfalls sein, dass die Klimaerwärmung einfach noch nicht stark genug ist, um die von den Modellen simulierten Niederschlagsmuster zu erzeugen.“

 

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