Kleine Eiszeit im Mittelmeer mit großer Kälte

Das Klima der letzten 10.000 Jahre war alles andere als stabil, und die Temperaturen schwankten im globalen Durchschnitt um mehr als ein Grad. Der heutigen „Modernen Wärmeperiode“ vorangegangen ist die sogenannte Kleine Eiszeit (Little Ice Age, LIA), die von etwa 1300 bis 1850 andauerte. Der Höhepunkt der Kleinen Eiszeit fällt in die Zeit von 1645-1715, einer sehr sonnenstrahlungsarme Phase, die Maunder Minimum genannt wird. Während dieser Zeit wuchsen die Alpengletscher stark an und die Winter in Mitteleuropa waren eisig kalt. Die Themse fror viele Winter lang zu, und das Eis war dick genug, dass dort Feste gefeiert werden konnten, wie zum Beispiel 1663 und 1677 geschehen. Während des kalten Winters 1683/1684 fror der Boden in Teilen Südenglands mehr als einen Meter tief durch, und es bildete sich ein 5 km breiter Eisgürtel entlang des Ärmelkanals. 

Am besten bekannt ist die Kleine Eiszeit aus dem nordatlantischen Gebiet Mitteleuropas, weshalb einige Forscher früher fälschlicherweise annahmen, dass es sich um ein regional begrenztes Phänomen handeln könnte und sich durch Erwärmung an anderer Stelle der Erde im globalen Durchschnitt herausmitteln würde. Diese Hypothese bestätigte sich jedoch nicht, da die Kleine Eiszeit mittlerweile von allen Kontinenten beschrieben worden ist. 

Aus dem Mittelmeergebiet gab es bislang keine zuverlässigen Temperaturrekonstruktionen aus dieser Zeit. Die existierenden Rekonstruktionen anhand von Baumringen für die vergangenen 500 Jahre werden mittlerweile als problematisch angesehen, da sich Baumringe in einigen Fällen in den Alpen und höhen nördlichen Breiten als ungeeignete Methode für die Klimarekonstruktion herausgestellt haben. 

Ein italienisches Forscherteam vom Met European Research Observatory hat daher historische Klimaaufzeichnungen aus dem Mittelmeergebiet Italiens analysiert, um zu überprüfen, wie sich die Temperaturen in Südeuropa während des Höhepunktes der Kleinen Eiszeit entwickelt haben. Nazzareno Diodato und Gianni Bellocchi rekonstruierten in ihrer Studie die Winter-Temperaturen für die Monate Dezember bis Februar. Hauptpfeiler ihrer Analysen bildeten das Moio und Susanna Manuskript sowie die Corradi-Annalen. Die Chroniken von Giovanni Battista Moio und Gregorio Susanna beinhalten eine Auflistung von Extremwetterlagen und Hungersnöten der Region Kalabrien. Die Corradi-Annalen umfassen eine Sammlung von Berichten zu Klimaextremen und ihren Auswirkungen auf die Umwelt für die Zeit von 5 n. Chr. bis 1850. Zudem verwendeten die Forscher andere Datenquellen wie etwas einen Katalog der italienischen Agentur für neue Technologien über Umweltereignisse. Auf Basis der historischen Informationen wurden Indizes berechnet, die schließlich in Temperaturen umgerechnet wurden. 

Die italienischen Forscher fanden in ihrer Studie heraus, dass die Winter im mediterranen Untersuchungsgebiet mehrere Grad kälter waren als noch in früheren, gröberen Rekonstruktionen für Europa angenommen wurde. Die Wissenschaftler konnten damit zeigen, dass die aus Mitteleuropa bekannte Kältephase des Maunder Minimums auch im zentralen Mittelmeerraum ausgeprägt war. 

Extreme Kälte mit Schnee trat in 16 von 25 Wintern zwischen 1675 und 1700 auf. Vor allem in den Jahren 1665, 1677, 1684, 1687 und 1692 stürzten die Temperaturen stark ab und die Flüsse auf der italienischen Halbinsel vereisten. Von 1882 bis 1707 ereigneten sich zahlreiche Flutkatastrophen in Norditalien, sehr kalte Winter zwischen 1684 und 1694 sowie ein besonders kalter Winter 1709. Die venezianische Lagune war 1684 und 1709 zugefroren. Die tiefste Temperatur wurde 1684 gemessen. In Sizilien trat in den 1690er Jahren eine Serie von katastrophalen Ernten auf. Für die Kälte des Winters 1683/1684 wurde eine statistische Wiederholungsperiode von 1000 Jahren berechnet. 

Die Autoren der Studie nehmen an, dass die Kälte am Höhepunkt der Kleinen Eiszeit vor allem auf die geringe Sonnenaktivität während des Maunder Minimums zurückzuführen ist. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass mit einer großen regionalen Variabilität der Klimaentwicklung während dieser solar inaktiven Phase im globalen Maßstab zu rechnen sei. Ein wichtiges atmosphärisches Element in dieser Zeit ist ein Hochdruckgebiet über Nordeuropa, während der zentrale Mittelmeerraum durch einen unterdurchschnittlichen Luftdruck gekennzeichnet war. Hierdurch entstanden in den Wintern vermehrt blockierte Wetterlagen mit entsprechenden Kaltlufteinbrüchen nach Mittel- und Südeuropa. 

Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Kleine Eiszeit weit über den nordatlantischen Raum hinweg das Klimageschehen geprägt hat. Die Studie erschien vor kurzem in der Fachzeitschrift The Holocene.

 

Siehe auch englischsprachiger Artikel auf notrickszone.com.
Abbildungsquelle: Wikipedia
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