Von Hans-J. Dammschneider, IFHGK
Am 19. Juni 2019 erschien in DWN-online (Deutsche Wirtschaftsnachrichten) ein Artikel mit dem Titel „Beschränkungen für die Schifffahrt – Klimawandel ist Bedrohung für den Panamakanal“.
Im Einleitungstext des Artikels heisst es:
„Wegen der schlimmsten Dürre seit mehr als hundert Jahren ist am Panamakanal der Wasserspiegel so stark gesunken, dass Beschränkungen für Schiffe nötig geworden sind.“
Weiter schreibt der (anonyme) Autor:
„Panama leidet seit Längerem unter den Auswirkungen des sich ändernden Klimas. So droht seine idyllische Inselkette San Blas wegen des steigenden Meeresspiegels innerhalb der kommenden Jahrzehnte im Karibischen Meer zu versinken. Doch die Bedrohung des Panamakanals fügt dem Problem nun eine neue Dimension hinzu. Denn die Wirtschaft des Landes hängt stark von einem reibungslosen Funktionieren des Kanals ab“.
Die DWN darüber hinaus:
„Im Jahr 2016 wurde der Kanal erweitert, um größere Schiffe aufnehmen zu können. Doch nur drei Jahre später sind bereits weitere Modernisierungen in Form eines dritten Sees notwendig, um das durch den Klimawandel zu erwartende extreme Wetter zu meistern.“
Die DWN notieren:
„Die neue Bedrohung für den Kanal kommt in einer Zeit, in der die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China eskalieren. Das weltweite Wachstum hat sich verlangsamt und die Aussichten für die weltweite Seefracht haben sich deutlich verschlechtert.“
Der Bericht klingt besorgniserregend. Eine Bedrohung des Panamakanals durch den Klimawandel? Im IFHGK haben wir uns daher ´pro bono publico´ mit diesem Thema befasst. Denn, käme das von den DWN aufgegriffene Szenario tatsächlich auf Panama zu (oder hätte es Panama bereits erreicht?), könnte die Meldung für den internationalen Handel und die Containerschifffahrt tatsächlich ein sehr Ernst zu nehmendes Problem auf die Tagesordnung setzen. Wie gesagt, wenn die Recherche der DWN auf Fakten beruht, die diese brisanten Schlüsse zulassen.
Niederschlag
Beim Thema ´Klimawandel und Panamakanal´ geht es im Kern und in erster Linie um das zur Verfügung stehende Wasserangebot, welches für Schiffspassagen zwischen Atlantik und Pazifik hinreichend zur Verfügung stehen muss. Die Reservoirs u.a. des Gatunsees müssen jederzeit ausreichend gefüllt sein, um einerseits die Schleusungen selbst durchführen zu können und zum weiteren den notwendigen Wasserstand (die Wassertiefe) innerhalb der Kanalstrecke zu gewährleisten.
Zunächst betrachten wir die Niederschlagsentwicklung zwischen 1901 und 2016 anhand der Daten der WELTBANK. Mit Blick auf Abb. 1 ist bereits leicht zu erkennen, dass über die letzten 100 Jahre keine signifikante Veränderung des Gesamtniederschlags eingetreten ist … und vor allem auch keine negative Tendenz zu beobachten ist.
Abb. 1 : Gesamtniederschläge zwischen 1901 und 2016 in PANAMA (nach Daten der WELTBANK)
Die Abb. 1 zeigt für die Jahre 2013-2016 zwar leicht unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen, indem die Regenvolumina in den Monaten zwischen April und November gegenüber jenen der Jahre zuvor etwas geringer ausgefallen sind. Dies ist allerdings und ganz gewiss kein Zeichen für „Klimawandel“, sondern die Werte bewegen sich absolut im zu erwartenden Spektrum dessen, was nun einmal als ´natürliche Varianz´ bezeichnet werden muss … schon zwischen 1929 und 1933 war beispielsweise eine ganz ähnliche Depression der Niederschläge zu beobachten (1929-1933 = 179mm/Monat und 2013-2016 = 175mm/Monat.
Die DWN führen nun aber für das Jahr 2019 die „schlimmste Dürre seit 100 Jahren“ an, die für ein absinken des Kanal-Wasserspiegels verantwortlich sei. Da die Daten des WELTBANK-Archivs momentan leider nur bis zum Jahr 2016 reichen, haben wir daher die aktuellen Werte aus https://www.worldweatheronline.com/panama-city-weather-averages/panama/pa.aspx hinzugezogen, die in der Abb. 2 Verlauf und Intensität der monatlichen Niederschläge von 2009 bis Anfang 2019 zeigen. Hier müssten die im DWN-Artikel benannten Probleme erkennbar werden.
In der Tat war der Winter 2018-2019 (Dezember 2018 – März 2019) ein vergleichsweise regenärmerer Zeitraum, welcher mit 4 Monaten (statt sonst „üblicher“ 3 Monate) gegenüber den vergangenen Jahren sogar leicht verlängert war … wofür allerdings die Niederschläge der anschliessenden Monate April und Mai 2019 jedoch überdurchschnittlich hoch ausfielen, so, wie auch bereits die Monate Oktober und November 2018 überdurchschnittliche Regenmengen brachten, sodass die vorübergehende „Dürre“ mehr als kompensiert wurde!
Es scheint also wahrhaftig kein Grund zur Sorge um die Schiffbarkeit des Panamakanals zu bestehen. Und, nochmals, von einer „Dürre“ zu sprechen, die seit 100 Jahren noch nicht so schlimm ausgefallen sei, darüber verliert der Autor lieber erst gar kein Wort … .
Abb. 2 : Monatliche Niederschläge in Panama City zwischen 2009 und 05-2019 (Daten aus worldweatheronline)
Auch ein zusätzlicher Blick auf die mittlere Verteilung der monatlichen Niederschläge (siehe Abb. 3) bestätigt, dass der Winter 2018-2019 letztlich kein Sonderfall war: Die Monate Januar bis April (4 Monate) sind ganz regulär genau jene Zeit des Jahres, die im Mittel grundsätzlich die regenärmsten im Bereich des Panamakanals ist.
Abb. 3 : Verteilung der monatlichen Niederschlagshöhen bzw. der Regentage zwischen den Monaten Januar und Dezember eines Jahres (Mittelwerte)
Um das Bild abzurunden, haben wir uns natürlich auch die spezifischen Niederschlagsdaten für den Zentralbereich des Panamakanals angeschaut. Es wurden die Aufzeichnungen der seit über 100 Jahren betriebenen Station „ISLA BARRO COLORADO“ verwendet (Lage der Meßstelle siehe Abb. 4).
Abb. 4 : Lage der meteorologischen Meßstation „Isla Barro Colorado“ (roter Punkt) im Zentralbereich der Strecke des Panamakanals (Gatun-See). Blauer Punkt = Lage der Pegel BALBOA, CRISTOBAL und COCO SOLO. Gepunktete Linie = Streckenverlauf des Panamakanals. Karte: Ausschnitt ´google-maps´.
Der Gatunsee und sein Einzugsgebiet versorgen den Panamakanal und seine Schleusen zu ganz überwiegendem Teil mit dem notwendigen Wasser. Die Abb. 5 zeigt, dass die Niederschläge im Bereich des Gatunsees in den letzten rd. 100 Jahren zwar (ganz normal) jährlichen Schwankungen unterliegen, jedoch nahezu keinen Trend besitzen. Zwar ist im Zeitraum 1925 bis 1975 ein ganz leichter Rückgang der Niederschläge zu beobachten (Grafik b), der jedoch danach und bis heute wieder auf das vorherige Niveau zurück gekehrt ist (Grafik c). Auffällig sind zwar die bis 1975 im Vergleich zum Zeitraum 1975-2017 geringeren Amplituden der jährlichen Niederschlagsmengen. Dies jedoch ist mit grosser Wahrscheinlichkeit allein auf natürliche Fluktuationen im System ´Atmosphäre-Ozean´ zurückzuführen (El Nino / PDO / ENSO-Zyklen). Fakt ist auch, dass im Zeitraum 2013-2015 vorübergehend geringere Jahresniederschläge auftraten … hier ist das Phänomen eines „El Nino“ zu beachten. Diese (und andere) mehr oder weniger zyklischen Veränderungen treten im Wetter- und Klimasystem immer und überall fast regelmässig auf. Alle, die beispielsweise mit dem Fischfang Perus zu tun haben (um ein im wahrsten Sinne des Wortes für Panama naheliegendes Beispiel zu bringen), können davon ein Lied singen.
5a:
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Abb. 5 : Jährliche Niederschlagsmengen 1925-2017, Station „Isla Barro Colorado“ (Panama/Gatunsee). Grafik ´a´ = Gesamtzeitraum, Grafik ´b´ = Zeitraum 1925-1975, Grafik ´c´ = Zeitraum 1975-2017. Daten: Smithonian Tropical Research Institute,„2017 Meteorological and Hydrological Summary for Barro Colorado Island“
Abb. 6 : Darstellung der typischen Verteilungsmuster von Wassertemperaturen im Pazifik, die sich bei einem vorübergehenden „kippen“ der Strömungsverhältnisse im Zuge eines „El Nino“ einstellen … mit Wirkung auf die atmosphärischen Verhältnisse weltweit